Ansichten eines Informatikers

Zur Haltbarkeit von Pizza Hawaii

Hadmut
26.11.2025 16:17

Nennt mich Benause, aber es ist mir wichtig.

Ich weiß.

„Pizza Hawaii“ gilt vielen als Sakrikleg, als Kulturschändung. Aber ich ess sie nun mal so gerne.

Als ich damals noch in Karlsruhe war, hatten wir unseren Stamm-Italiener, zu dem wir mit den Kollegen oft gegangen sind, und bei keiner mehr irgendetwas zu bestellen brauchte, weil der zu jedem Gesicht genau wusste, welche Pizza er haben wolle.

Ein echter Italiener.

Ich habe ihn mal gefragt, ob er mir das verüble, dass ich bei ihm immer die Pizza Hawaii bestelle. Er antwortete, dass das völlig egal sei, ihn das überhaupt nicht störe und man sich von dem Geplärre nicht kirre machen lassen solle. Es gäbe kein festes Pizza-Rezept außer dem Teig und meist der unteren Saußen-Schicht, und man könne darauf legen, was man will. Das sei ja der Witz an der Pizza, dass jeder sein eigenes Rezept hat und drauf legt, was ihm gefällt, und außerdem sei es ja ursprünglich arme-Leute- und vor allem Reste-Essen gewesen, man also einfach darauf legt, was man in der Küche noch findet. Auch wenn sich viele darüber aufregten, spräche aus echter italienischer Sicht gar nichts gegen Pizza Hawaii. Sie sei eben nur nicht geläufig, weil Ananas in Italien eben nicht zu den einheimischen Produkten zählt und deshalb keinen Eingang in die klassischen Rezepte gefunden habe. Es gäbe zwar die Klassiker, aber keinen einzigen Grund, warum man sich an die halten müsse.

In Berlin wird es zunehmend schwierig, an Pizza Hawaii zu kommen – und an echte Italiener. Pizza wird in Berlin zunehmend von Türken, Arabern und US-Ketten gemacht, kommt insgesamt aber wohl ohnehin etwas aus der Mode. Pizza Hawaii ist da nicht üblich.

Und wenn man fragt, sollte man vorher darauf achten, dass der, den man danach fragt, kein Küchenmesser in Reichweite hat. Denn echte Italiener sind nicht gut auf Ananas zu sprechen, während Türken und Arabern die Ananas egal ist, sie sich aber partout nicht mit dem Schweine-Kochschinken anfreunden können. Und Pizza Hawaii setzt nun einmal so einen Kochschinken als Grundlage, als die Schicht zwischen Tomate und Ananas voraus.

Pizza Hawaii ist in Berlin weitgehend tot.

Deshalb stelle ich mir so dann und wann ein Blech Pizza Hawaii selbst her.

Da ich ein lausiger Koch bin und vom Kochen keine Ahnung habe, mache ich das so halb-banausig. Es gibt im Supermarkt fertigen Pizzateig im Rechteck zum Ausrollen fertig auf Backpapier, zusammen mit einem Glas vorgewürzter Tomatensoße. Viele Leute finden das schrecklich, aber für mich reicht es und ist der Lausigkeit meiner Kochkünste angemessen. Auf einem Backblech ausgerollt, die Tomatensoße darauf verteilt, eine halbe Packung Kochschinken kleinschneiden und darauf verteilen. Eine Dose Ananas-Stücke darauf verteilen (vorher abtropfen lassen). Eine Packung geriebener Mozarella darauf verteilen. Ab in den Backofen.

Und nach ein paar Minuten ist eine herrliche Ananas-Käse-Torte fertig, die fast jeden Italiener zu Verzweiflungstränen triebe, die mit Pizza auch nicht wahnsinnig viel zu tun hat, weil mein gewöhnlicher Backofen nur 200°C und nicht die erforderlichen 400°C hinbekommt,

Hört sich billig an, ist es aber nicht. Im Gegenteil, es inzwischen sogar ziemlich teuer, und ich habe es auch nur gemacht, weil die Rolle Pizzateig vor ein paar Tagen im Angebot war und ich dachte, ach, das habe ich schon so lange nicht mehr gemacht, man könnte ja mal wieder …

Es gibt da in den Social Media jede Menge Leute, die so gerne plärren, wie billig Selbstkochen gegenüber kaufen ist – aber das stimmt nicht. Rechnet man die Zutaten und das Material, und Ver- und Entsorgung und so weiter alles zusammen, dann ist das sogar eine ziemlich teure Angelegenheit. Dafür ist aber auch viel mehr Hawaii drauf als bei gekauften. Schon manchmal dachte ich bei gekauften „Ich wusste gar nicht, dass Hawaii so klein ist…“.

Problem daran: Das lohnt sich, wenn man eine ganze Familie hat, die sich dann alle gleich draufstürzen. Aber für einen Single-Haushalt ist das viel zu viel (weshalb ich den großen Backofen sowieso nur noch selten benutze und inzwischen den Mini-Heißluft-Backofen bevorzuge, der als „Friteuse“ verkauft wurde, kleiner, billiger, besser – schneller.) Man kann dann, wenn die Pizza abgekühlt ist, Frischhaltfolie drüberspannen, sie in den Kühlschrank stellen und stückchenweise in der Mikrowelle wieder heiß machen. So kann man als Single dann einen ganzen Tag, sogar bis in den nächsten, nichts anderes mehr als Pizza Hawaii fressen. Und dann wundern die sich, warum in einer Single-Stadt wie Berlin die Leute nicht mehr selbst kochen.

Aber, ach.

Mir geht eine Frage durch den Kopf, ob ich heute einen Fehler gemacht hatte.

Ich hatte die üblichen Zutaten gekauft.

Gerade als ich die Dose mit den Ananas-Stücken aufmachen wollte, ging mir der Gedanke durch den Kopf, Moment mal, ich habe doch noch welche. Nehme ich doch zuerst die älteren.

Tatsächlich.

Ich habe bei den Corona-Vorräten noch Dosen mit Ananas-Stücken, Haltbarkeit Juni 2023. Eigentlich steht Dosenananas bei mir nicht lange herum, wird alsbald verbraucht, aber weil ich die letzte Zeit auch viel im Ausland war, und viel Arbeit hatte, bin ich nicht dazu gekommen.

Ach, denke ich, ich mach erst mal die 2023er auf. Mal sehen.

Sah völlig normal aus, roch auch völlig normal, sehr „mild“ im Aroma halt, Dosenananas eben. Kann mit einer frischen natürlich nicht mithalten. Aber ansonsten: Keine Alterungserscheinungen zu erkennen. Also habe ich die auf der Pizza verteilt.

Wie ich dann so den Käse darüber streute, ging mir etwas durch den Kopf.

Ich hatte mal irgendwo gelesen, dass man bei Obstkonserven das Haltbarkeitsdatum unbedingt beachten solle. Nicht, weil sie verdürben, das Obst sei schon haltbar. Das Problem sei ein ganz anderes, nämlich dass – vor allem, je säurehaltiger das Obst oder Gemüse sei – im Laufe der Zeit Metallionen von der Konservendose in das Obst diffundieren. Deshalb solle man auch keinesfalls eine geöffnete Dose so in den Kühlschrank stellen, sondern das Obst nach dem Öffnen sofort in ein Glas umfüllen, weil Sauerstoff die Sache sehr beschleunige.

Das Haltbarkeitsdatum bei Dosenobst nämlich beziehe sich nicht auf die Haltbarkeit des Obstes selbst, sondern auf den Diffusionsprozess, gebe an, bis wann die Einlagerung von Metallionen noch unbedenklich sei. Die Kombination aus Obst und Blechdose sei das Problem.

Da ich nun aber noch ein paar Dosen Ananas und anderes Obst habe, stellt sich mir nun die Frage:

Ist Dosenananas mit Ablaufdatum 2023 noch „zum Verzehr geeignet“, oder sollte man die – auch wenn sie augenscheinlich, geschmacklich, geruchlich völlig in Ordnung erscheint – trotzdem wegwerfen?