Ansichten eines Informatikers

Digitalisierungs-Bullshit KFZ-Schein und Führerschein

Hadmut
6.11.2025 17:53

Was für ein Blödsinn.

Man feiert sich gerade und das auch in den Nachrichtensendungen, weil man den KFZ-Schein – und ab nächstes Jahr auch den Führerschein – nun auf dem Handy dabei haben kann. Auf einer App.

Was für ein Bullshit.

Digitalisierung wäre, wenn man gar nichts dabei haben muss, wenn einen die Polizei direkt finden kann. Auf dem Handy „dabei“ haben, heißt nichts anderes, als dass man das Papier auf dem Handy nachahmt, dass man das Papier durch eine Papierprothese ersetzt, statt es zu digitalisieren.

Ich will freilich zugeben, dass es (zumindest gefühlte) Datenschutzvorteile hat, wenn die Polizei nicht einfach so den KFZ-Schein etwa eines geparkten Autos oder eines in den Social-Media fotografierten (ich dachte eigentlich, dass sie die Halter-Abfragen eines Kennzeichens sowieso können – welchen Datenschutzvorteil bringt das also?) abfragen kann, sondern man ihnen etwas vorzeigen muss – falls das wirklich so ist und sich nicht nur so anfühlen soll.

Aber eine Papier-Attrappe auf dem Handy mitführen zu müssen, ist eben so, wie in den Anfangstagen der iPads, als man noch versuchte, das Aussehen eines Tischkalenders nachzuahmen.

Beispiel Zypern: Auf Zypern ist die KFZ-Zulassung ein A4-Blatt aus dem Drucker. Steht drauf, dass man es im Fahrzeug mitführen muss. Allerdings hatte ich mal einen Autohändler gefragt, was man auf Zypern an Unterlagen mitführen muss. Seine völlig entspannte und gelassene Antwort „They will find you online …“

Ich glaube nicht, dass das wirklich „Digitalisierung“ ist, sondern „Appisierung“: Man macht eigentlich genau dasselbe wie vorher, nur dass jetzt irgendwie „App“ und „Handy“ drin vorkommt und es nicht mehr geht, wenn der Akku leer ist.

Andere Probleme

Ich habe da ganz andere Probleme.

Ich habe bei der letzten Hauptuntersuchung (Dekra) eine Rüge bekommen. Nicht am Auto, das Auto war völlig ohne Beanstandungen. Aber der KFZ-Schein wurde gerügt. a) Es sei kein Platz mehr für den Prüfstempel auf dem KFZ-Schein und b) der Schein sei so abgewetzt (und ursprünglich schon mit ausgelutschtem Farbband dünn bedruckt), dass man ihn nicht mehr lesen kann.

Also habe ich eine Mail an die Berliner Zulassungsstelle geschickt, was man da macht. Ob man sich den KFZ-Schein neu ausstellen lassen kann.

Ich habe nie eine Antwort bekommen.

Deshalb wäre mir, ehrlich gesagt, ein KFZ-Schein im Kreditkartenformat wie in anderen Ländern (z. B. Österreich), tatsächlich lieber gewesen.

Und eigentlich braucht man auch die Stadt-Kürzel auf den Kennzeichen nicht mehr, weil diese ja nur dazu dienten, dass die Kennzeichenvergaben sich nicht ins Gehege kamen und man wusste, bei welcher Zulassungsstelle man nachfragen muss, wem das Auto gehört. Wenn man eine zentrale Zulassungstelle auf Bundesebene hat, braucht man das eigentlich nicht mehr. Dann nämlich müsste man das Kennzeichen auch nicht wechseln, wenn man umzieht. (Auf Zypern gibt es auch keine Ortskennzeichen, sondern nur Zypern-weite, die man beim Umzug nicht wechselt.)

Deshalb erscheint mir das nur als Digitalisierungs-Aktionismus. Man zeigt dem Volk und vor allem der Jugend „Geht jetzt mit Handy“, obwohl sich am Verfahren eigentlich nichts geändert hat außer dass es nicht mehr funktioniert, wenn der Akku leer ist.

Digitalisierung wäre gewesen, das ganze System aufzuräumen und Städte-Kennzeichen abzuschaffen.

Und Kennzeichen dann, wenn man sie braucht, per Post zuzuschicken. Oder von Amazon liefern zu lassen.

Dazu könnte man beispielsweise fordern, dass Autohersteller jedes in Verkehr gebrachte Auto zuvor bei der Zulassungsstelle registrieren (Fahrgestellnummer, Typ usw.) und angeben, wem sie es verkauft haben.

Auf Zypern ist das nämlich auch so üblich (ich weiß nicht, ob zwingend), dass die Autohändler das Auto vor der Übergabe auf den Käufer zulassen, damit der das gar nicht erst „vergessen“ kann oder unklar ist, wer das Auto gekauft hat. Autos können da nicht unzugelassen in der Luft hängen.

Es gibt auch keinen Zulassungs- oder TÜV-Aufkleber auf dem Kennzeichen. Passiert alles online.

Und wenn man die Kennzeichen nicht mehr so oft wechseln muss, und auch nicht mehr überall vor jeder Zulassungsstelle Schilderbuden braucht, die die Dinger einfach und schnell prägen können, kann man die durchaus aufwendiger und schwerer zu fälschen, schwerer zu stehlen machen. Man könnte die beispielsweise so mit einem Auto vernieten, dass sie beim Lösen brechen. Es gab auch mal den Vorschlag, gar keine Kennzeichen mehr anzubringen, sondern jedem Auto ab Werk eine lebenslange Nummer fest vergeben zu lassen, die man nicht tauschen kann. Ist natürlich datenschutzrechtlich problematisch. Aber zum Beispiel gut für Diebstahlschutz, wenn man diese Nummer auch gleich in alle Glasscheiben, auf Motorblock und Getriebe lasern oder gravieren und in alle elektronischen Bauteile brennen würde. Es gäbe einige Möglichkeiten, den Autodiebstahl damit zu erschweren.

Und das ist das deutsche Problem: Man ändert nichts. Man macht es, wie man es schon immer gemacht hat, „das haben wir schon immer so gemacht, wo kämen wir hin …“, nur eben mit „App“ und „Handy“, damit die Jugend einen wählt und man einen auf digital machen kann.

Den ganzen Mist mal aufzuräumen, kommt ihnen nicht in den Sinn.

Aber eine App haben wir jetzt. Eine mehr.

Darauf haben wir uns schon immer gefreut: Noch eine App mehr auf dem Handy. Weil wir noch nicht genug Apps auf dem Handy haben. Und Handys auch so total sicher sind, dass uns niemand die Daten hacken kann.