Ansichten eines Informatikers

Reißverschluss kaputt

Hadmut
3.11.2025 23:41

Seltsames Erlebnis.

Ich hatte mir beim Chinesen Kleinkram bestellt.

Nun sind sie ja recht gut darin, einem zusätzlichen Kram anzudrehen. Hier klicken um noch mitzubestellen und so.

Ich hatte mir für ca. 9 Euro noch so eine kleine Tasche im Militär-Stil mitbestellt, weil ich etwas habe, was da prima reinpassen könnte. Mit Versand fast 12 Euro.

Aber, ach.

Eigentlich wirkt sie robust, aber einer der Reißverschlüsse hat eine Macke. Ich habe sie noch nicht einmal genau entdeckt. Immer, wenn man versucht, den – eigentlich sehr groben und robusten – Reißverschluss der vorne aufgesetzten Tasche zuzumachen, bleibt der Reißverschluss an immer derselben Stelle offen. Nur: Ich habe mir beide Seiten des Reißverschlusses unter dem Vergrößerungsglas angesehen. Ich habe noch keine Schadstelle oder Unregelmäßigkeit gefunden. Nichts, was das erklären würde. Sollte ich das erforschen oder sie zurückgeben?

Zurückgeben. Habe gerade keine Zeit, mich damit zu befassen, Reißverschlüsse zu reparieren.

Die Händlerseite will von mir im Formular für die Rückgabe ein Video, das den Mangel zeigt. Kein Problem: Handy hingehalten, Reißverschluss hin und her, Fehler gezeigt, Video hochgeladen.

Gefällt der Webseite nicht.

Sofort, schneller als ein Mensch hätte sich das ansehen und reagieren können, meckert die Seite an, dass man ja gar nicht genau erkennen könne, ob das überhaupt das Produkt und die Sendung wäre. Ein Foto der Tasche in der Totalen und des Versandaufklebers vom Beutel müsste es schon sein.

Gemacht, hochgeladen.

Kurz darauf: Anerkannt. Ich kann das Ding zurückschicken und müsse nun den Dialog ausfüllen, um die Tasche zurückzuschicken und die Versandmarke zu bekommen.

Als ich das alles ausgefüllt habe, fängt die Seite an, mit mir zu feilschen. Man bietet mir einen Rabatt in Höhe von 5,84 Euro, wenn ich auf die Rücksendung verzichte und die Tasche nehme, wie sie ist. Da sie mir bei Rückgabe nicht den Versand, sondern nur die ca. 9 Euro erstattet hätten, und ich gerade keine Lust hatte, das Ding für 3 Euro mehr Erstattung extra wieder einzupacken, zu bekleben und zu irgendeinem besonderen Paketshop zu bringen, dachte ich: Dann nehme ich den Rabatt und behalte die Tasche, schaue, ob ich den Reißverschluss wieder hinbekomme.

Natürlich war es vor allem für sie günstiger, wenn ich das Ding mit Rabatt behalte, als wenn sie die Rücksendung bezahlen und sich mit einer Tasche befassen müssten, die sie eigentlich auch nicht wieder verkaufen könnten, sondern schlicht wegschmeißen müssten. Und ich habe effektiv knapp 6 Euro für eine Tasche gezahlt, die grundsätzlich nicht schlecht ist, bei der sich aber eine vorne aufgesetzte Tasche aus bisher unerfindlichen Gründen nicht verschließen lässt und mir dafür den Aufwand gespart, das Ding zu verpacken, bekleben, wegzubringen.

Der Punkt ist: Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, überhaupt nicht mehr mit Menschen, sondern nur noch mit einem KI-System zu tun zu haben. Dass der Betrag von 5,84 Euro so krumm war, hatte ich zunächst für ein Produkt des Wechselkurses gehalten.

Nun aber sitze ich da und überlege, ob die KI dort darauf trainiert ist und wird, Kunden bei Reklamationen solche Angebote zu machen, dass die Kunden sie gerade noch annehmen, aber alles in allem für das Unternehmen noch das beste Ergebnis dabei herauskommt, also möglichst optimal mit den Kunden zu verhandeln, dass sie das fehlerhafte Produkt behalten, also den für das Unternehmen profitabelsten Weg auszuhandeln?

Über den Tisch gezogen worden zu sein kann ich nicht behaupten. Denn das System ließ mir ja die Wahl, das Angebot anzunehmen oder das Ding regulär zurückzuschicken.

Wobei ich vielleicht gerade damit über den Tisch gezogen wurde, denn hätte ich auf Rückgabe bestanden, hätte das System vielleicht geantwortet „Na, gut, dann geben wir Dir die 9 Euro zurück, wirf sie einfach in den Müll, denn was haben wir davon, eine defekte Tasche wieder nach China zurückzuschippern und dann dort wegzuwerfen? (Faktisch nicht China, sondern sie haben in Deutschland und Europa Dienstleister, aber die kosten auch Geld.)

Vielleicht habe ich einfach schlecht gepokert und das System hat mich beim Poker geschlagen.

Ich hatte vor Jahren mal im Ausland Markenschuhe gekauft, die sich als schadhaft herausstellten, ist mir sogar zweimal passiert, und beidesmal konnten die im Geschäft dort nicht umgetauscht werden, weil es dort keine Gewährleistung gibt und der Händler zwar die Abwicklung mit der Herstellergarantie übernimmt, mir aber bis zum Rückflug die Zeit fehlte und ich dann in Deutschland die internationale Garantie in Anspruch nehme.

Die wollten beidesmal (verschiedene Firmen) die kaputten Schuhe nicht zurückgeschickt haben, sondern forderten, dass ich Videos mache. Die einen verlangen, dass ich die defekten Schuhe noch mit dem Cutter kaputt schneide und filme, wie ich sie in den Altkleidercontainer werfe, die anderen wollten irgendwas in der Art, das sich die mit Edding-Stiften vollschmiere, damit man sie nicht mehr tragen kann, um sich gegen Schwindel zu schützen und zu verhindern, dass die defekten Schuhe noch in den Markt kommen, aber die Rücksendung nicht zahlen zu müssen. Da merkte man aber schon, dass das Reklamationshandling mit echten Menschen recht umständlich und teuer war, weil die sich dann die Videos anschauen mussten, ein paar Mal mit mir mailen, den Versand veranlassen und so weiter.

Nun sah das so aus, als habe man das in diesem Fall der KI überlassen, und als ob die KI da lerne, wie man Reklamationen so behandelt, dass das Unternehmen dabei möglichst günstig weg kommt, und vermutlich auch weiß, wieviel die Rücksendung kosten würde. Es ist anzunehmen, dass mir die 5,84 Euro anzubieten eben günster für sie war, als die Rücksendung zu bezahlen und die Sendung bei ihnen zu bearbeiten.