Was sollen Informatiker Ende 20 tun?
Rubrik Karrieretipps: Leser fragen – Danisch antwortet.
Leseranfrage:
Für die Rubrik Karrieretipps
Sehr geehrter Herr Danisch,
ich wollte Sie einmal höflich fragen, was Ihr Ratschlag wäre.
Nehmen wir an Sie:
- wären jetzt Ende zwanzig und würden als Softwareentwickler in unserer Vorzeigefirma mit den drei Buchstaben arbeiten
- den ganze Entwicklungskram beherrschen Sie (Backend, Frontend, Datenbanken, diverse Frameworks usw. usf.)
- Arbeiten mit Kunden ist auch relativ okay (Support/Ticketing)
- Unter Strich: Sie sind die perfekte Konzerndrohne
Die Schattenseiten zeigen sich wie folgt:
- Sie sind unzufrieden mit den jährlichen Gehaltssteigerungen, da sie quasi einem Netto-Reallohnverlust gleichen, obwohl die letzten Betriebsergebnisse positiv waren (vgl. 1)
- ein Hinaufklettern der Karriereleiter oder gar der Wechsel ins Management steht in keinem Verhältnis bezogen auf geleistete Stunden versus Gehalt/Stress
- Die Arbeitslast wird von Jahr zu Jahr mehr durch die vielen Rentenabgänge, ohne das ein Nachbesetzen stattfindet. Hingegen wird in Indien aufgebaut. (vgl. 2)
- Leistung wird nur mäßig belohnt, was für Unzufriedenheit innerhalb der Belegschaft führt
- ein neu eingeführtes Performancemanagementsystem sorgt nun für Konkurrenzkampf untereinander (vgl. 3)
Betrachtungen auf der Metaebene:
- Ich weiß, Sie mögen Boomer-Bashing nicht und ich will es auch nicht betreiben, jedoch kann ich aus Erfahrung sagen, dass diese Leute die üppigen Gehälter nach Hause tragen und leider die nachkommenden Kollegen so keinerlei Land sehen.
- Vor Augen führen sollte man sich auch, dass das letzte Abfindungs- bzw. Vorruhestandsprogramm (wieder) mehr Bewerber als Plätze hatte. Was heißt das im Umkehrschluss? Die Boomer sind satt und wollen ihre Ruhe (vgl. 4). Blicke ich nach links und rechts neben mir, stelle ich fest, dass viele keinen Drive mehr haben, was ich durchaus nachvollziehen kann. Aber es bremst alles ungemein aus meiner Erfahrung nach.
- der Betriebsrat ist kaum ernst zu nehmen (vgl. 5)
Was würden Sie tun, um Ihre (ökonomische) Situation zu verbessern?
- Bei kleineren Firmen bewerben? Datev oder sowas? Bosch oder Siemens vielleicht? Ist wahrscheinlich alles gleich unterm Strich.
- In die Selbständigkeit wagen? Hier in Deutschland?
- So Sachen wie Boutique-Consulting versuchen?
- Zu Ihnen auf die Insel kommen und für die Erwachsenenindustrie arbeiten ganz ohne Gewissen?
- Vielleicht Auswandern? Nur wohin. USA wäre das idealste meiner Meinung nach aber an ein Visa zu gelangen ist schwierig.
- Oder kürzer treten und alles nicht mitmachen und auf 30 Stunden gehen?
MfG
Ein Blogleser– – –
- https://www.heise.de/news/Gehaltserhoehungen-bei-SAP-Betriebsrat-und-Gewerkschaft-unzufrieden-10262447.html
- https://timesofindia.indiatimes.com/city/bengaluru/sap-labs-india-opens-second-campus-in-bengaluru/articleshow/123126766.cms
- https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/sap-leistung-bewertung-mitarbeiter-li.3217215
- https://www.n-tv.de/wirtschaft/SAP-baut-Tausende-Stellen-in-Deutschland-ab-article25422789.html
- https://www.manager-magazin.de/unternehmen/tech/sap-se-betriebsratschef-vor-gericht-showdown-im-zerwuerfnis-mit-ig-metaller-a-edc47c0f-741d-48e5-9dc8-431918aa2147
Das ist eine sehr schwere Frage, auf die ich keine einfache Antwort geben kann, schon weil der Leser nicht konkret angibt, was er kann, welche Ausbildung er hat, wie leistungsfähig er ist, welche Spezialfächer. „Softwareentwickler“ ist nicht geschützt, nicht konkret und bedeutet heute fast gar nichts mehr und ist knapp über Nagelstudio und Webseitenfriseuse.
Wir haben heute eine Schwemme von Leuten, die ohne oder mit Mini-Ausbildung „irgendwas mit Software“ machen, und sich dann wundern, dass sie dafür vom Arbeitgeber „irgendwas mit Geld“ bekommen. Ich kann eine so unklar gestellte Frage nicht eng, dicht beantworten.
Außerdem muss man unterscheiden zwischen den Aspekten, die gleich sind „wie zu meiner Zeit“, und denen, die sich geändert haben. Ich will das mal auftrennen.
Was gleich ist wie „zu meiner Zeit“
Zunächst mal: Als Informatiker macht man – falls der Leser überhaupt Informatiker ist, was mir nich so vorkommt – keine oder nur in seltenen Fällen „Karriere“. Man kommt nicht nach oben, weil man von oben immer als eine Art Arbeitsameise oder Fachidiot wahrgenommen wird. Ausnahme: Frauen im Frauenquotenfahrstuhl, die werden nämlich nicht als arbeitsam wahrgenommen und dass man sie für Idioten hält, stört da nicht.
Karriere machen
- Geistes- und Rechtswissenschaftler (irgendwas mit Wirtschaft, Juristen, sonstige Schwätzer), weil sie nichts können und man sie „unten“ nicht gebrauchen kann,
- Leute von Unternehmensberatungen, auch wenn sie wenig oder nichts können, weil man das a) nicht sagen darf und sie b) so teuer sind, dass man sie gleich oben einordnet, die also das Kunststück schaffen, von vornherein teuer zu sein ohne etwas zu können, aber allen weis zu machen, sie könnten was.
- Leute die man abwirbt, weil sie schon woanders „oben“ waren und dort sehr erfolgreich entweder etwas konnten oder gar nichts konnten.
- Inhaber und Gründer (bis sie geschasst werden)
- Quotenfrauen.
Informatiker machen normalerweise keine „Karriere“. Erstens, weil sie was können, und man sie deshalb unten auf den Posten braucht, wo Arbeit gemacht und Werte geschaffen werden. Man kann es sich nicht leisten, Informatiker zu befördern. Das schlimmste Karrierehindernis ist, in seinem Job gut und wichtig zu sein, weil man dann nicht nach oben befördert werden kann. Am besten ist immer „nett, aber doof und zu nichts zu gebrauchen“, diese Leute werden dann sofort nach oben weggelobt.
Dazu kommt, dass viele der Führungs- und Cheftypen vor Informatikern schlicht und einfach eine Mordsangst haben – während sie die gleichzeitig verachten und für Nerds halten, sie im Käfig unten im Keller halten wollen. Sie haben keine gemeinsame Sprache mit ihnen, sie verstehen nicht, was Informatiker sagen, und Informatiker sind in ihrer Logik und Argumentation so unerbittlich, dass sie am Ende fast immer Recht behalten. Aber sie achten auf Korrektheit und haben solche „Open Source“-Allüren, laufen dafür in kurzen Hosen und Sandalen rum. Niemand will Informatiker im Vorstand (und das beruht auf Gegenseitigkeit). Man weiß auch nicht, was ein Informatiker im Vorstand eigentlich tun könnte und sollte (nicht völlig von der Hand zu weisen).
Informatiker – besonders „Softwareentwickler“ – werden als Massenpersonal angesehen. Leute, von denen man 50 oder 100 einstellt, die kommen und gehen. Warum sollte man die befördern? Oder warum sollte man ihnen eine Gehaltserhöhung geben? Wenn man 50 oder 100 von denen im Keller hat, und da sowieso Fluktuation herrscht, warum sollte man dann einem von ihnen mehr geben?
Informatiker sind in einer miserablen Position, Gehaltserhöhungen innerhalb der Firma rauszuschlagen. Informatiker sind aber in einer guten Position, Gehaltserhöhungen beim Jobwechsel zu erreichen. Deshalb sollten Informatiker eigentlich so alle ungefähr 3 bis 4 Jahre den Posten wechseln, und das machen auch viele. Manchmal sogar innerhalb der Firma, manche Firmen schreiben ja Posten intern aus.
Das gewöhnliche Programmiervieh, das sich auch noch selbst gerne „Coder“ (Köter) nennt, hat eigentlich kaum Argumente, eine Gehaltserhöhung zu fordern.
Der Job funktioniert auch nicht, solange man wie alle der unteren Gehaltsklassen für seine Arbeitszeit bezahlt wird und austauschbar bleibt, nichts Besonderes ist. Man muss etwas machen und können, was nicht alle können, und man muss sich etwas suchen, wo man für den Posten und nicht für die Zeit bezahlt wird. Datenschutzbeauftragter, Sicherheitsbeauftragter, oder sowas. Irgendwas, was auf *beauftragter lautet oder englisch eine zwei- oder dreibuchstabige Abkürzung auf * officer hat. Data Protection Officer. Information Security Officer. Compliance Officer. Am besten etwas, wo man die Aufgabe hat, etwas zu verhindern, nicht Codezeilen zu produzieren. (Natürlich muss man das dann auch verhindern.) Etwas, was man aus irgendeinem Grund (Gesetze, Verträge,…) zwingend haben muss.
Anders gesagt: Solange man mit 10 oder 50 Leuten im Großraumbüro sitzt oder Außendienst fährt, wird man auch genau so bezahlt. (Früher war das mal bei Freelancern anders, ist es aber auch nicht mehr.) Man sollte sich nach den Jobs strecken, in denen man ein eigenes Büro und ein eigenes Türschild bekommt. Hört sich lächerlich an, ist aber ein Indiz dafür, ob man wichtig oder Viehherde ist.
Von Personalverantwortung rate ich dabei ab. Der ganze Sozialstress und die Dressur dieses Deppenzoos sind sehr anstrengend und abnutzend, da geht man geradewegs auf den Burnout zu, und das ist auch was für Leute, die es brauchen, über anderen zu stehen. Das lohnt sich eigentlich erst so ab 130.000 oder eher 150.000 Euro. Ich rate zur Sach- und Aufgabenverantwortung, Sachvorgesetzter zu sein. Man hat viel, viel weniger Stress und den ganzen Menschenzirkus nicht am Hals, und muss sich nicht mit Beurteilungen und Gehaltsverhandlungen herumschlagen. Und man muss sich viel weniger produzieren und gegen Großmäuler durchsetzen. Viele Leuten wollen unbedingt Vorgesetzter sein um anderen Befehle zu geben und damit andere zu ihnen aufsehen. Aber nüchtern betrachtet ist es ein Scheiß-Job. Vor allem, weil die Beklopptendichte und deren Intensität steil zunehmen.
Wenn man automatische Gehaltserhöhungen will, muss man in den Öffentlichen Dienst oder irgendwas mit Tarif.
Ansonsten hängt das sehr vom eigenen Marktwert und davon ab, ob man was auf der Kante hat, ob man riskieren kann, auch mal ein halbes Jahr ohne Job dazusitzen. Dann nämlich kann man verschiedene Taktiken einschlagen die aber alle auch nach hinten losgehen können, das muss man riskieren:
- Es gibt einige Plattformen und Personalvermittler mit Datenbanken, wo Leute nach Jobs suchen und sich anbieten. Da trägt man sich ein. Und zwar zu dem heimlichen Zweck, dass einen die eigene Personalabteilung dort findet und dann merkt „Oh Scheiße, der will weg…“. Kann aber auch „Na, Prima, der will sowieso weg, dann schmeißen wir den beim Personalabbau zuerst raus.“ Es gab auch schon Fällen, in denen sie nicht merkten, dass man schon bei ihnen arbeitet und die Personalabteilung einem den eigenen Job für 15.000 mehr im Jahr anbot.
Das ist immer schwierig einzuschätzen, ob Loyalität in einem Unternehmen honoriert wird, oder ob man damit der arbeitende Dumme ist, mit dem man alles machen kann.
Außerdem muss das Profil dann auch gut sein, sonst denkt die eigene Firma noch, der sei überbezahlt. Denen muss beim Lesen der Kiefer runterklappen, was der alles kann. „Den müssen wir unbedingt festhalten.“
- Man kann es im Jahrespersonalgespräch (gut vorbereiten, Daten parat haben) ansprechen und sagen, dass man unzufrieden ist. Entweder es funktioniert, oder man landet auf dem Schleudersitz. Mitunter beides.
- Sehr riskant, das ist schon eine heiße Nummer, sollte man nur tun, wenn es schon qualmt und Zoff gibt: Qualifiziertes Zwischenzeugnis erbitten. Damit sagt man durch die Blume „Ich bewerbe mich gerade woanders und bin kurz davor zu gehen.“
- Wenn man sauber weg will, besteht die Kunst darin, nicht so gut zu sein, dass sie einen behalten wollen, aber auch nicht so schlecht zu sein, dass sie einen Kündigungsgrund zu haben. Dienst nach Vorschrift ohne Ansatzpunkt. Dann kann man warten, dass sie ein Gespräch über eine Vertragsauflösung führen wollen und dann darin drei Punkte für einen ehrenvollen Abgang herausschlagen:
- Tadelloses Arbeitszeugnis nach allen Regeln der Kunst.
- Abfindung.
- Freistellung.
- Noch ein fieser Trick: Manchmal, aber nur manchmal, ist es ratsam, sich anzuschauen, ob die eigene Firma outsourced und Dienstleistungen von Externen in Anspruch nimmt, Aufträge an Externe Unternehmen vergibt. Normalerweise macht man das, um Geld zu sparen, aber manchmal verdient man da trotzdem mehr. Es kann passieren, dass man dann denselben Job wie vorher macht, aber dann als externer Auftragnehmer.
Ein Patentrezept habe ich nicht. Und das muss einem auch klar sein: Deutschland ist ein einer deftigen Rezession. Man kann in einer Rezession nicht leicht tolle Gehaltserhöhungen rausschlagen.
Konkrete Fragen
wären jetzt Ende zwanzig und würden als Softwareentwickler in unserer Vorzeigefirma mit den drei Buchstaben arbeiten
Als ich Ende zwanzig war, war ich noch viel zu doof um solche Fragen zu beantworten. Wäre ich damals erfahren genug gewesen, so etwas zu beantworten, wäre mir das mit der Uni nicht passiert.
den ganze Entwicklungskram beherrschen Sie (Backend, Frontend, Datenbanken, diverse Frameworks usw. usf.)
Sorry, aber das ist Dünnschiss, denn das ist in 5 Jahren alles wieder anders, und das ist auch keine Informatik. Wer mit so einer Scheiß-Aufzählung daherkommt, beeindruckt niemanden so, dass er damit Eindruck schindet. Solche Leute gibt es viele, und die Personaler, die auswählen, verstehen sowieso kein Wort davon. Sowas gehört zwar in das Bewerbungsschreiben, aber da muss vor allem rein, was man schon gemacht hat, an welchen bekannten Dingen man schon mitgemacht hat, welches Insiderwissen man mitbringt.
Deshalb habe ich auch Zweifel, dass der Leser Informatiker ist, sondern eben „Softwareentwickler“, „Coder“. Denn das ist genau der Kram, der am ehesten Gefahr läuft, von KI ersetzt zu werden.
In solchen Fällen empfehle ich, für die nächsten zwei Jahre auf Gehaltserhöhungen zu verzichten und erst einmal das eigene Portfolio, den Lebenslauf aufzumotzen.
Arbeiten mit Kunden ist auch relativ okay (Support/Ticketing)
Scheiße.
Erstens ist das eine absolute Selbstverständlichkeit, mit Kunden klarzukommen. Und zweitens: Stellt Euch mal einen Satz wie diesen im Arbeitszeugnis vor. Todesurteil.
Wer sich selbst so darstellt, wird keine Gehaltserhöhung bekommen.
Unter Strich: Sie sind die perfekte Konzerndrohne
Ja. Kennt man aus dem Fernsehen. Homer Simpson. Al Bundy. William Foster (D-Fense, Falling Down).
Es gibt eine Menge Leute, die damit sogar relativ gut bedient sind. Gnoti seauton, erkenne Dich selbst. Man muss sich erst einmal überlegen, ob man nicht vielleicht wirklich einfach so ein Schaf in so einer Herde ist, und am besten seine 8 Stunden abreißt und am Feierabend aufblüht.
Oder anders gesagt: Man muss sich erst einmal überlegen, was man überhaupt will, wo man hin will.
„Ein besseres Gehalt“ ist kein Ziel, das ist keine Tätigkeit.
Für den Rest seines Lebens Backend, Frontend, Datenbanken, Frameworks zu beherrschen ist aber auch keine lebenserfüllende Tätigkeit, dann kann man auch Avon-Beraterin werden.
Man muss erst einmal einen Anspruch an sich selbst aufbauen, bevor man erwarten kann, dafür bezahlt zu werden. Man kann nicht ein Niemand sein. Wenn man eine Gehaltserhöhung will, muss man ein Jemand werden, denn man wird keine bekommen, solange der Arbeitgeber auch nicht weiß, wem er sie gibt.
Sie sind unzufrieden mit den jährlichen Gehaltssteigerungen, da sie quasi einem Netto-Reallohnverlust gleichen, obwohl die letzten Betriebsergebnisse positiv waren (vgl. 1)
Das geht aber gerade vielen Leuten so. Dem kann man nur entkommen, indem man den Job wechselt und dabei richtig klotzt, oder ins Ausland geht.
ein Hinaufklettern der Karriereleiter oder gar der Wechsel ins Management steht in keinem Verhältnis bezogen auf geleistete Stunden versus Gehalt/Stress
Aha.
Man will also mehr Gehalt, will aber nicht mehr Arbeit leisten oder Stress haben.
Sorry, das wird kaum klappen, nicht in einem Rezessionsland wie Deutschland.
Wenn man ein kleines Mäuschen bleiben will, woher kommt dann das Argument dafür, mehr Käse zu bekommen?
Tut mir leid, aber für mehr Gehalt muss man heute Frau sein oder arbeiten.
Die Arbeitslast wird von Jahr zu Jahr mehr durch die vielen Rentenabgänge, ohne das ein Nachbesetzen stattfindet. Hingegen wird in Indien aufgebaut. (vgl. 2)
Dann muss man sich überlegen, wie der Markt aussieht. Angebot und Nachfrage.
- Steigt das Angebot an Programmierern, weil Stellen abgebaut werden und man nach Indien geht?
- Oder werden Programmierer knapp, weil die Boomer gehen?
Nur so eine Berufserfahrung: Inder sind billig. Aber meistens sind auch deren Arbeitsergebnisse billig. Es gibt fähige, aber die überwiegende Mehrzahl der Inder liefert einfach minderwertigen Mist ab. Und viele, die nach Indien gingen, kamen ernüchtert wieder zurück. Es gibt ein paar Firmen in Indien, die gute Arbeit liefern, aber das sind eher Ausnahmen. Indien wird in Sachen IT weit überschätzt. Die machen das mit Quantität, nicht mit Qualität, außerdem sind viele Abschlüsse und Nachweise dort schlicht und einfach gefälscht.
Deshalb sollte man sich immer auch mal überlegen: Ich will mehr Geld als ein Inder. Aber was genau kann ich eigentlich mehr als ein Inder?
Leistung wird nur mäßig belohnt, was für Unzufriedenheit innerhalb der Belegschaft führt
Dann sollte man sich umschauen, wo sie besser belohnt wird.
ein neu eingeführtes Performancemanagementsystem sorgt nun für Konkurrenzkampf untereinander (vgl. 3)
Dann gehen die Auffasungen darüber, ob überhaupt „Leistung“ vorliegt, deutlich auseinander. Denn in der IT herrscht das Problem, dass wir da ganz viele Minderleister und Pfeifen haben. Kam durch Frauenquoten. Kam durch Bullshit wie Scrum. Kam durch die Entwicklung in den USA, alles, was man einstellen kann, auf Vorrat auch einzustellen. Und jetzt müssen diese Bullshitjobber wieder raus.
Ich weiß, Sie mögen Boomer-Bashing nicht und ich will es auch nicht betreiben, jedoch kann ich aus Erfahrung sagen, dass diese Leute die üppigen Gehälter nach Hause tragen und leider die nachkommenden Kollegen so keinerlei Land sehen.
Ja, und? Seid doch froh! Die Boomer gehen gerade, und sie haben das Gehaltsniveau hoch gelegt. Der Leser schreibt doch selbst, dass die gerade reihenweise gehen.
Davon abgesehen: Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Worüber beschwert Ihr Euch? Ihr bekommt viel, viel mehr Gehalt, als wir damals in Eurem Alter bekommen haben. Man kann nicht erwarten mit Ende 20 bezahlt zu werden wie jemand mit 30 Jahren Berufserfahrung. Und das noch mit Ansage, nicht viel Arbeiten zu wollen. Kommt man runter auf den Boden!
Bei kleineren Firmen bewerben? Datev oder sowas? Bosch oder Siemens vielleicht? Ist wahrscheinlich alles gleich unterm Strich.
Zu manchen Firmen fallen mir üble Geschichten ein, von denen ich da abraten würde.
Aber grundsätzlich ziehe ich kleinere Firmen vor, auch wenn das alles Vor- und Nachteile hat.
Kleine Firmen, vor allem mittelständische und eigentümergeführte oder Familienunternehmen haben diesen entsetzlichen Hierarchiezirkus und Abteilungskrieg nicht. Man ist direkter und ergebnisorientierter, verharzt nicht in elender Unternehmensbürokratie.
Auf der anderen Seite kann man sich als Schaf nicht in der Herde verstecken und von anderen durchfüttern lassen. Wenn es im Umsatz rumpelt oder irgendwas nicht funktioniert, oder ein Produkt bendet wird, ein Auftraggeber abspringt, geht das da sehr direkt auf die Verantwortlichen zurück und führt sehr schnell dazu, dass man an die Luft gesetzt wird, und das dann nach Sozialabwägung vor allem dann, wenn man jung ist und keine Kinder hat.
Wenn man nichts kann oder faul ist, fliegt man da ziemlich schnell auf.
Allerdings geht mir die Rudelmechanik und das Vorstands- und Hierarchiegehabe in Konzernen nicht nur enorm auf den Wecker, im empfinde es auch als lähmend.
In die Selbständigkeit wagen? Hier in Deutschland?
Kommt drauf an, was man kann. Das ist immer mit Risiko verbunden, und man muss Reserven haben, um 1 bis 2 Jahre ohne Auftrag überleben zu können, oder Alternativstrategien.
Außerdem ist man hier in der IT als Selbständiger immer ganz hart an der Scheinselbständigkeit.
Dann eher auf eine Dienstleistung konzentrieren und eine Firma aufmachen, die diese Dienstleistung anbietet.
So Sachen wie Boutique-Consulting versuchen?
Den Begriff kannte ich noch nicht, musste ich erst einmal nachlesen.
Ja, das kann gut funktionieren. Aber eben nur, solange das gefragt ist. Und dann?
Außerdem muss man dazu sehr mobil sein und vor allem, auf Arbeitszeiten pfeifen, und dann eben da sein, wenn der Kunde danach sucht.
Zu Ihnen auf die Insel kommen und für die Erwachsenenindustrie arbeiten ganz ohne Gewissen?
Ja, klar.
Will sagen: Örtlich und inhaltlich sehr flexibel und offen sein.
Und ich könnte mich in Grund und Boden ärgern, dass ich nicht die Pornovermarktungsseite „Only Fans“ gemacht habe. Pornographie ist immerhin ein relativ verlässliches Geschäft. Gerade wurde von einer gefeuerten Kellnerin in den USA berichtet, die inzwischen 80 Millionen gemacht hat (oder das zumindest behauptet).
Vielleicht Auswandern? Nur wohin. USA wäre das idealste meiner Meinung nach aber an ein Visa zu gelangen ist schwierig.
Immer dahin, wo Leute gesucht werden. Man muss nicht selbst in den USA sein, um für eine US-Firma zu arbeiten. Es gibt externe Dienstleister, und die haben auch Niederlassungen in der ganzen Welt. Google, Tesla und Amazon haben auch Unternehmen in Deutschland. Und wenn die mit einem zufrieden sind, helfen die einem auch, in die USA zu kommen.
Aber Vorsicht: Die Zeit, in der man in den USA fürs Nichtskönnen bezahlt wurde, ist auch vorbei. Die sind da inzwischen auch knallhart mit den Leistungsprüfungen. Und wer an SAP verzweifelt, der ist in den USA falsch.
Oder kürzer treten und alles nicht mitmachen und auf 30 Stunden gehen?
Wenn die Möglichkeit besteht: Ja. Lohnt sich nämlich bei Steuern und Sozialabgaben.
Problem: IT-Leute sind nicht teilzeitfähig, weil die normalerweise im Team mit anderen arbeiten müssen und deshalb verfügbar sein müssen.
Was anders ist als „zu meiner Zeit“
Zu meiner Zeit hat man sich damals mit Bewerbungsanschreiben und Lebenslauf beworben, zwei Bewerbungsgepräche geführt. Fertig.
Heute wird erst einmal gegoogelt, wer sich da bewirbt, und das alles durch die KI laufen gelassen, und normalerweise noch von einer Personalagentur bewertet, die nicht wissen, was sie da tun und nur die Buzzwords abhaken, ohne sie zu verstehen.
Man braucht also nicht nur buzzwordhaltige, KI-resistente Bewerbungsschreiben, sondern muss auch darauf achten, dass man „Google-existent“ und „KI-bekannt“ ist, aber das natürlich im positiven Sinne.
Früher musste man etwas können. Heute muss man jemand sein.
Und wenn man für Themen steht, in denen beraten oder gut sein will, heißt das:
- Wer den Namen sucht, muss auch das Thema finden (leicht).
- Wer das Thema sucht, muss auch den Namen finden (schwer).
Man sollte also schauen, dass man
- eine hübsche Webseite hat, in der man sich – auch wie in einem Lebenslauf – darstellt und jedem Personaler auf den ersten Blick klarmacht, was man kann und wofür man da steht,
- auch die Profile in den einschlägigen Freelancer-Datenbanken und Personalvermittlern befüllen und pflegen,
- auch mal inhaltlich was schreibt, ein paar Blogartikel zum Thema hat, oder Software veröffentlicht,
- auf Konferenzen auftritt.
Man muss schauen, dass man sich als Person mit einem Thema verbindet.
Dass zumindest die Leute, die im Fach drinstecken, beim Namen denken „Ach, der …“.
Gut ist auch, wenn man es schafft, für zwei, drei, vier Jahre bei einer großen Unternehmensberatung unterzukommen, dann ist die Karriere ziemlich sicher. Aber das heißt auch, dass man in dieser Zeit nichts anderes mehr macht und bis zu 80 Stunden Volldampf ranklotzen muss. Mit Ende Zwanzig muss man das für ein paar Jahre können.
Deutschland
Ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass das mit Deutschland – oder Europa – noch was wird. Das heißt nicht, dass ich jetzt wüsste, wohin. Vor 25 Jahren waren die USA das gelobte Land. Auch Australien noch toll.
Inzwischen würde ich schauen, dass ich ins Ausland komme, aber mir vor allem etwas suchen, was einigermaßen krisenfest ist, wo man auch mit kleinen Einnahmen, die man notfalls über Social Media generiert, leben kann, und wo man niedrige Steuern zahlt, und dann irgendein Produkt, irgendeine Beratung anbieten. Wir helfen Ihnen bei XY. Oder wir helfen als Springer aus, wenn Not am Mann ist.
In den USA wurde von Krankenschwestern berichtet, die $200,000 oder noch deutlich mehr verdienen, irgendwo war mal die Rede von $400,000 die Rede, obwohl sie bei gar keinem Krankenhaus angestellt sind: Sie arbeiten freiberuflich als Springer, und fliegen in den USA immer zu jenen Krankenhäusern, die gerade kurzfristig Personalnot haben und nur ein paar Tage überbrücken müssen, eine Ersatzkrankenschwester für ein paar Tage brauchen – und entsprechend hoch zahlen. Viel Stress, viel Reisen, immer kurzfristig bereit und auf dem Sprung, den Koffer immer griffbereit, aber auch viel Geld, viel Freizeit.
Es gibt auch Firmen, die Leute suchen, die „ins Ausland gehen“. Beispielsweise in Indien dafür sorgen, dass der Laden läuft. Oder in China.
Nur ist das halt nichts für Leute, die Wert darauf legen, von 9 bis 17 Uhr bei SAP zu sitzen und nicht zuviel Stress und Mühe zu haben.
Dann vielleicht doch Öffentlicher Dienst. Die wollen ja „Digitalisieren“.