Die deutsche Traurigkeit
Das wird nicht gut enden.
FOCUS zitiert Händler vom Gardasee, denen die Touristen entweder wegbleiben, oder denen da das Geld knapp sitzt:
Gardasee-Lederschneider Donadio Russo kämpft mit Einbußen von bis zu 30 Prozent, auch weil deutsche Touristen wegbleiben.
[…]
Russo ist Lederschneider seit über 20 Jahren, sein Vater hat das Geschäft in den 80ern aufgebaut. “Eine Hommage an Cowboykleidung, die mein Vater damals in Texas gesehen hat und die Mode der damaligen Zeit. Du siehst sie hier noch immer, die 80er”, sagt Russo, dreht sich um und präsentiert seine eigene Kollektion mit einer ausholenden Armbewegung. “Die Deutschen schätzen diese Dinge und ihre Qualität!”
Gut, vielleicht kommen Lederklamotten auch einfach aus der Mode gekommen oder sind politisch nicht mehr korrekt. Es gibt halt immer weniger Leute, die die Mode der 80er kennen und mögen. Die Boomer werden halt auch alt.
Oder vielleicht kommt Italien aus der Mode?
Vielleicht kommt die ganze Art des Urlaubs aus der Mode?
Man muss sich in Erinnerung rufen (nein, denn Erinnerung unterstellt ja, dass man es schon einmal gewusst hätte, man muss sich bewusst machen), dass Italien als Prototyp des deutschen Urlaubs ein Produkt der Nachkriegszeit und des Wirtschaftswunders waren. Nach dem Dritten Reich und der bitteren Nachkriegszeit hatten die Leute erstmals wieder geregelte Lebensverhältnisse, Arbeit, ein – oft lächerlich kleines und schwaches – Auto, etwas Geld und Urlaubszeit. Und die haben sie genutzt, um mal in die Sonne und ans Meer zu fahren, und wenn es nur mit dem Zelt ist, aber Eis essen in Rimini.
Vielen ist das heute gar nicht klar, mit was für Minimotörchen die Leute sich damals über die Alpen quälten, als Autos noch alle paar Kilometer liegen blieben und der ADAC seine Hochzeit hatte. Es gab damals Leute, die die Alpen im Rückwärtsgang überquerten, weil die 20 bis 30 Ps, die einfach Autos damals hatten, nicht einmal im ersten Gang reichten, um die Pässe hochzukommen, und der Rückwärtsgang eben noch niedriger übersetzt ist als der erste Gang. Und die beim Runterfahren ständig anhalten mussten, weil sie heiß liefen.
Es war die Zeit, die das Nachkriegsbild des Deutschen prägte: Hut, Sonnenbrille, Ringelhemd, Rolleiflex vor dem Bauch hängen, kurze Hosen, Sandalen, selbstverständlich mit Socken. Bestehen auf deutschem Bier und deutschem Essen, rumliegen auf der Sonneliege am Sandstrand.
Caterina Valente 1956:
Sieht man auch gut in Filmen aus dieser Zeit, das war so diese Heinz Erhardt-Ära. Wer etwas auf sich hielt, fuhr (irgendwie) nach Italien. Es war die Zeit, als man noch mit diesen zeitgeistmachenden Oberlicht-Reisebussen wie dem O 321 in Urlaub fuhr.
Und im Gegenzug lernten die Italiener, die Deutschen nach der Nazizeit wieder zu mögen, weil mit den Touristen eben das Geld kam, man ihnen Eis und Pizza, Spaghetti und Wein, Schuhe und Lederjacken verkaufen konnte.
Es war die Zeit, als der Massentourismus erfunden wurde, aber Fliegen noch zu teuer war.
Meine Großeltern waren aus dieser Generation, die so ganz typisch noch den Daimler Diesel vollpackte und damit über die Alpen nach Italien oder Jugoslawien fuhr. Und so war das bei uns in den 1970ern auch noch. Und irgendwann kam das dann auf, dass Anbieter wie Neckermann Reisen bezahlbare Flugreisen anboten, und dann flog man eben nach Teneriffa oder Mallorca, was für die Großeltern-Generation noch völlig unerreichbar war. Ich bin mir jetzt nicht sicher, aber ich könnte mich nicht erinnern, dass meine Großeltern auch nur ein einziges Mal in einem Flugzeug geflogen sind. Da ist Vadder noch den VW oder den Daimler Diesel gefahren, und fertig. Und die Schnittmenge aus Reichweite und Sommerurlaub mit Sonne und Meer waren dann eben Italien, Jugoslawien, Frankreich oder gerade noch Spanien. Und war die Art und Weise dieser Länder, nach dem Krieg am deutschen Wirtschaftswunder teilzuhaben. Das hat das Bild der Pizzeria gemacht, die Pizza nach Deutschland gebracht.
Hintergrund: Die Deutschen haben offenbar immer weniger Lust auf ihren alten, italienischen Lieblingssee. Sie sollen für einen Großteil der 20 Prozent Buchungs- und Umsatzrückgänge verantwortlich sein, was den Gewerbetreibenden massive Sorgen bereitet.
Was ihm in diesem Jahr aber aufgefallen ist, ist die traurige Stimmung, die sie mit in den Laden schleppen. “Sie wirken einfach nicht mehr so fröhlich wie früher. Sie sind traurig, misstrauisch und skeptisch. Sie wollen plötzlich handeln und feilschen. Das passt gar nicht zu ihnen! Ich erkenne sie kaum wieder.”
Russo ist ein zu erfahrener Geschäftsmann, als dass er nicht wüsste: “Wenn jemand mit solch einer Haltung hier reinkommt und sich Dinge anschaut, die er nicht zwingend braucht, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er ohne sie wieder rausgeht.”
Sind die Deutschen traurig geworden?
Oder wurden gut gelaunte Generationen durch notorisch traurige ersetzt? Haben sich nicht die Leute selbst verändert, sondern ist es einfach eine andere Generation?
Sie sind traurig, misstrauisch und skeptisch. Sie wollen plötzlich handeln und feilschen.
Ist das ein Ergebnis der wirtschafltichen Lage? Der politischen Lage?
Oder ist es einfach ein Ergebnis linker Pädagogik?
Sind das vielleicht einfach kaputterzogene Marx-Zombies?