Ansichten eines Informatikers

Die Abschaffung des passiven Wahlrechts

Hadmut
22.8.2025 18:31

Nach Ludwigshafen nun NRW.

Apollo News berichtet, dass inzwischen der Verfassungsschutz vor Wahlen Städte anschreibt, wer alles nicht als Kandidat zu Wahlen zugelassen werden darf:

Wie eine Sprecherin des Innenministeriums NRW mitteilte, wurden in insgesamt sechs Städten im Vorfeld der Kommunalwahlen gleich gelagerte Erkenntnisschreiben angefordert.

Zwar stellt das Innenministerium auf Anfrage noch fest: „Die Zulassungsentscheidung einzelner Bewerberinnen und Bewerber erfolgt aber auch nach einer Anfrage nicht durch den Verfassungsschutz, sondern ausschließlich durch die kommunalen Wahlausschüsse“. Fakt ist aber auch, dass ein solches Berichtsschreiben Grundlage für den Wahlausschuss von Joachim Paul war.

Auch das Innenministerium erklärt, dass schon bei Zweifeln über die Verfassungstreue der Wahlausschuss „den Wahlvorschlag zurückzuweisen“ hat. Zweifel wiederum seien nach Ansicht des Innenministeriums bereits gegeben, „wenn der Wahlausschuss nach seinen zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln nicht von der jederzeitigen Verfassungstreue des Kandidaten nach potentiellem Amtsantritt überzeugt ist“. Hierfür kämen sämtliche Umstände in Betracht, die einzeln oder im Zusammenhang betrachtet die „künftige Erfüllung der Verfassungstreuepflicht“ in Frage stellen würden.

Ausdrücklich vertritt das Innenministerium gegenüber Apollo News die Auffassung, dass es für berechtigte Zweifel auch nicht des „Nachweises einer ,verfassungsfeindlichen` Betätigung“ bedürfe. Selbst die Mitgliedschaft in „einer – noch nicht für verfassungswidrig erklärten – Partei“ könnte schon hinreichend Zweifel an der Verfassungstreue begründen und in der Folge zum zwangsläufigen Ausschluss von der Kommunalwahl führen.

„Zweifel“ – was sind denn „Zweifel“?

Allein schon weil man Mitglied in einer Partei ist, also die Vereinsfreiheit gebraucht?

Ich halte das für in mehrfacher Hinsicht rechts- und verfassungswidrig.

Im Kleinen schon, weil das ein Verwaltungsakt ist und deshalb der Betroffene entweder vorher angehört werden muss oder einen aufschiebenden Rechtsweg braucht, wenn denen das so kurz vor der Wahl einfällt, dass das den Rechtsweg vereitelt. Vor allem sehe ich ein Problem darin, dass die Leute ja vorher gar nicht erfahren, dass sie als nicht wahltauglich angesehen und eingestuft werden, und ihnen damit der Rechtsweg nach Art. 19 Abs. 4 GG verwehrt bleibt.

Und im Großen deshalb, weil das faktisch ein Entzug des passiven Wahlrechts ist. Und das kann man nicht so einfach entziehen.

Art 18 Grundgesetz

Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5 Abs. 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Abs. 3), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10), das Eigentum (Artikel 14) oder das Asylrecht (Artikel 16a) zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt diese Grundrechte. Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen.

Demnach kann man das Wahlrecht nicht verwirken, weil es nicht im Katalog der verwirkbaren Grundrechte steht.

Art 38 Grundgesetz

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.
(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

Man kann sich darüber streiten, ob sich Absatz zwei nur auf den Bundestag, oder allgemein auf alle Wahlen bezieht. Da aber Absatz 2 ein eigener Absatz ist und von Bundestag nichts erwähnt, dürfte das auf alle Wahlen zu beziehen sein, und das geht auch gar nicht anders, weil die Einteilung in Länder und die Kompetenzuweisung durch das Grundgesetz erfolgt, und das Grundgesetz dann systematisch auch das Wahlrecht in den Länder verschaffen muss.

Ich glaube deshalb nicht, dass eine von der Regierung gesteuerte Behörde willkürlich darüber bestimmen darf, wer gewählt werden kann, denn die Behörde und die Regierung sind ja gerade Grundrechtsverpflichtete. Das kann gar nicht funktionieren, wenn die willkürlich selbst darüber bestimmen könnten, wer das Grundrecht haben sollte oder welche Wahlalternativen es zu ihr geben könnte.

Das hat gar nichts mehr mit Demokratie zu tun.

Apropos Bundesgesetz:

Bundeswahlgesetz
§ 13 Ausschluss vom Wahlrecht
Ausgeschlossen vom Wahlrecht ist, wer infolge Richterspruchs das Wahlrecht nicht besitzt.

§ 15 Wählbarkeit
(1) Wählbar ist, wer am Wahltage

1. Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist und
2. das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat.

(2) Nicht wählbar ist,

1. wer nach § 13 vom Wahlrecht ausgeschlossen ist oder
2. wer infolge Richterspruchs die Wählbarkeit oder die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt.
3. (weggefallen)

Demnach kann man das aktive und passive Wahlrecht nur durch Richterspruch, und nicht durch den Verfassungsschutz verlieren.