Ansichten eines Informatikers

Ist denn Linux ein Blog-Thema?

Hadmut
18.8.2025 5:05

Ein Dilemma.

Ich grüble.

Über Blog-Themen.

Einerseits bekomme ich oft negative Zuschriften, wenn ich Technik-Kram erwähne, wie gerade gestern. Viele Leser beklagen sich – nachvollziehbar, das ist ja auch Insider-Hardcore – dass sie mit solchen Themen nichts anfangen können und kein Wort verstehen. Verständlich.

Andere aber fragen an, ob ich nicht mehr schreiben könnte, so zum Umstieg von Windows auf Linux. Das würde sie so sehr interessieren. Auch verständlich.

Zu Linux weiß ich sehr viel, und kann da ganz viel schreiben. Zum Umstieg von Windows kann ich allerdings nicht viel schreiben, weil ich, ehrlich gesagt, schon sehr, sehr lange kein Windows mehr benutze, zumindest nicht in einer Tiefe, die mich da sehr sachkundig sein lässt. Ich war noch nie ein großer Windows-Fan, und habe es in den letzten zwei Jobs beruflich hin und wieder benutzen müssen, meist aus der Sicht des Benutzers am vernagelten Firmenlaptop, an dem man dann auch nicht viel mehr machen kann, als Word und Excel, oder neuerdings Teams aufzurufen oder auf Sharepoint zuzugreifen. Ich habe Windows nicht nur aus früheren Zeiten in äußerst unguter Erinnerung, als man noch mindestens ein langes Wochenende damit beschäftigt war, das zu installieren, weil bei jedem Gerät eine eigene CDROM mit irgendeiner sicherheitslöchrigen Uralt-Software dabei war, und man allein mit der Registry tausend Tode sterben konnte.

Es gab mal eine Zeit, als Windows sich zum Guten zu bewegen schien, nämlich als Windows NT herauskam, und der neue Windows-Kernel von VMS-Leuten gebaut wurde. Aber dann versumpfte das alles wieder im Planlosen. Und vor allem: Man kann überhaupt nichts machen, wenn etwas nicht geht. Man kann keinen Kontakt zu den Entwickeln aufnehmen, man kann keinen Quelltext lesen und so weiter und so fort. Die Patcherei ist eine einzige Katastrophe, das Lizenzsystem kotzt mich bis zum Nordpol an, und seit Microsoft immer invasiver und intrusiver in den Rechner eingreift, überwacht, und einen in die Cloud zwingt, ist das sowieso für mich tot.

Ich räume zwar ein, dass ich im letzten Job positiv zur Kenntnis nahm, dass Teams weitaus besser und stabiler als Skype for Business war. Als ich meine Schulungen (dann auch wegen Corona) online hielt, ist mir Skype for Business (allerdings auf einem Mac ausgeführt) pro Schulung ungefähr dreimal abgestürzt. Teams gar kein Problem, lief auch auf dem Mac super stabil und einwandfrei.

Aber: Man bekam das aus dem Mac nicht mehr heraus. Krake Microsoft. Nicht etwa ein Programm, das man bei Bedarf startet, sondern ein Pestilenz, die sich so tief im System festsetzt, dass man den Dienst nicht mehr oder nicht mehr auf Dauer über den nächsten Update hinaus davon abhalten kann, automatisch zu starten. Es gab zwar meiner Erinnerung nach da irgendwo einen Schalter im Teams drin, aber der konnte auch deaktiviert werden (vermutlich über zentrales Management, weiß ich nicht genau). Der Knackpunkt war, dass man da sofort in Teams drin war, wenn man den Rechner hochfuhr, und damit nicht nur erreichbar, sondern auch überwachbar.

Stehst Du auch im Home Office rechtzeitig auf, fängst pünktlich an? Und sitzt Du auch immer schön am Rechner? Und für andere auch immer und sofort erreichbar?

Danke. Nein.

Ich halte das Gebaren von Microsoft für unvertretbar, unerträglich. Und die Qualität für in vielen Hinsichten miserabel. Aber ich kenne mich mit Windows nicht gut genug aus, um zu beschreiben, wie man von Windows auf Linux umsteigt. Allerdings bin ich in meinem Leben – vor allem im 2000er Jahrzehnt – sehr vielen Leuten begegnet, die der festen Überzeugung waren, dass ein Informatiker jemand sei, der alle Tricks und Kniffe von Windows und alle Excel-Funktionen kennt, nicht mehr und nicht weniger.

Ich würde auch keinen Umstieg von Windows auf Linux beschreiben wollen. Weil es so unterschiedlich ist, dass man es nicht als „Umstieg“ bezeichnen kann. Es ist kein Umstieg. Es ist was anderes.

Das hat auch Microsoft gemerkt, weshalb sie da längst solche Dinge wie eine Powershell und WSL, das Windows-Subsystem für Linux eingebaut und sogar – für ihre Cloud – eine eigene kleine Linux-Distribution haben. Ich kann mich noch erinnern, dass irgendwann mal, vor so 20 Jahren oder so, als Microsoft noch brachial gegen Linux wetterte, ein internes Paper aufgetaucht ist, in dem Microsoft-Leute sich Linux anschauen und es eigentlich runterschreiben und zum Amateuer-Firlefanz erklären sollten und völlig konsterniert waren, dass sie unter Linux praktisch jede Anwendungssoftware im Quelltext herunterladen und mit den Standard-Schritten configure und make compilieren konnten, was bei Windows völlig unmöglich war. Mir sagte damals auf einer der Konferenzen ein Mitarbeiter von Windows dazu, dass deren Problem sei, dass kein Team – Kernel, Word, Outlook – auch nur entfernt in der Lage wäre, das Produkt eines anderen Teams zu compilieren. Jedes anderes, jedes hochkompliziert. Und solche Leute stießen dann fassungslos in eine Welt vor, in der sie jedes x-beliebige Programm im Quelltext herunterladen und gemäß dem README in zwei, drei Schritten sofort übersetzen konnten.

Vor 25 Jahre sagten mir noch Leute, ich wäre wahnsinnig, mich mit Unix/Linux und nicht mit Windows zu beschäftigen, das wäre beruflicher Selbstmord. Heute gibt es nur wenige Server und wenige embedded Geräte, die nicht unter irgendeiner Linux-Version laufen. Sogar Funksteckdosen und Radios haben heute mitunter ein Linux drauf. Das Unix/Linux-Wissen ist für mich weitaus wichtiger, als es ein Windows-Wissen sein könnte.

Zudem finde ich es ermüdend und viel zu aufwändig, sich Windows-Wissen überhaupt anzueignen. Ich habe mich vor knapp 20 Jahren, damals in meinem Job in Dresden, mal darum bemüht, mich in den Boot-Prozess von Windows einzuarbeiten, den durchzuverstehen wie den von Unix/Linux. Viele Punkte sind/waren schlicht nicht dokumentiert. Nicht in Erfahrung zu bringen. Irgendwas versteckt in Code, der nur als Binärcode zu haben ist, und bei dem man sich auch nicht darauf verlassen konnte, dass es die nächste Version auch so macht. Die Firma, in der ich damals war, unterschied damals strikt nach Windows- und Linux-Experten. Also fragte ich die Windows-Experten, wie denn der Prozess genau aussehe und abliefe. Antwort: Ja, das wissen wir auch nicht so genau, dazu gibt es keine Doku. Aber „zertifizierter Windows-Irgendwas“. Bis ich herausgefunden habe, dass die nicht sehr viel mehr über Windows wussten, als ich, der Unterschied nur war, dass es sie nicht störte, dass sie das gar nicht erwarteten, das alles durchzuverstehen.

Man kann nicht von Windows auf Linux umsteigen, so wie man von einem System, das man nicht versteht, auf ein anderes umsteigt, das man nicht versteht, und dann erwartet, dass flüssig flutscht, weil man sich doch auf dem gleichen Nichtverstehens-Niveau bewegt.

Linux ist (oder war es zumindest vor 20 Jahren) deutlich logischer, stringenter, orthogonaler, transparenter aufgebaut, aber gerade deshalb taugt es nicht für Anfänger und Gelegenheitsbenutzer.

Und Linux beruht nicht auf der Marketing-Mär, die Bill Gates reich gemacht hat, dass man dazu nichts zu lernen bräuchte, sondern dass man jedem einen „Personal Computer“ auf den Tisch stellen und der ihn mit dieser Maus gleich bedienen kann.

Und seither hat man den Leuten nie wieder erklären können, dass eine Konfiguration per Maus Affenscheiße ist, weil man sie nicht dokumentieren und reproduzieren kann – oder konnte. Man hat dann „Mausrecorder“ erfunden, die die Bewegungen aufzeichnen und nachahmen (in der Hoffnung, dass auf dem anderen System mit der anderen Bildschirmauflösung alle Buttons an derselben Stelle sind), oder eben Videoaufnahmen und das dann auf Youtube gepostet. Schrecklich.

Ich kann mich noch erinnern, dass es so um 2000 in der Firma, in der ich damals war, einen Riesen-Krampf gab. Niederlassung Karlsruhe, Niederlassung Chemnitz. Man wollte, dass Word-Dokumente hier und dort beim Ausdrucken exakt gleich aussehen. Deshalb hatte man peinlichst darauf geachtet, dass dieselben Mitarbeiter mit denselben Installationsmedien Rechner des exakt gleichen Modells und das exakt gleiche Druckermodell kaufen, weil das Seitenlayout bei Word damals vom Drucker(treiber) abhing. Ein Riesen-Aufwand. Ergebnis: Die Ausdrucke sahen in Chemnitz trotzdem anders aus als in Karlsruhe. Noch mehr Aufwand zur Fehlersuche. Ergebnis: Man hatte zwar das exakt gleiche Druckermodell gekauft, aber die Lieferung für Chemnitz war etwas neuer, weshalb bei den CDROMs der Drucker dort eine leicht neuere Version der Druckertreiber dabei war – und das führte dazu, dass dieselbe Word-Datei dort ausgedruckt deutlich anders als in Karlsruhe aussah.

Ein Leser schrieb mir, er wolle ein System, das auf seine Bedürfnisse „zugeschnitten“ sei – aber eben einfach, ohne sich da reinarbeiten zu müssen. Und das könne Linux wohl nicht.

Wie soll das gehen?

Was ist denn „auf Bedürfnisse zugeschnitten“? Und wer soll es ihm zuschneiden, wenn nicht er selbst? Was ist ein Maßanzug, gemacht von jemandem, der nicht schneidern kann und keine Lust hat, es zu lernen?

Es gibt Leute, für die ist Windows tatsächlich besser. Das kennen sie, das ist bunt, das ist mit der Maus zu bedienen, und das haben sie alle.

Wollen sie aber auch nicht, weil Windows 11 so eine Überwachungs- und Cloud-Krake ist.

Eigentlich wollen die Leute Windows ohne Microsoft. Früher hat man den Leuten einen Mac empfohlen.

  • Windows ist für Leute, die sich nicht auskennen und auch nicht den Eindruck erwecken wollen.
  • Linux ist für Leute, die sich sehr gut auskennen und das auch zeigen wollen.
  • MacOS ist für Leute, die sich nicht auskennen, aber nach außen so wirken wollen, als ob.

Ein Unix, das aber mit Maus bedient wird. Apple ist stinkreich, aber hat es bis heute nicht hinbekommen, ein ordentliches Package-System zu bauen. Microsoft auch nicht. Linux kann es, die haben sogar mehrere. Debian, RPM, apk, …

Es tut mir leid.

Ich könnte zwar Linux erklären, aber nicht jemandem, der ein Betriebssystem haben will, dass man ihm nicht erklären muss.

Ich fürchte, ich kann Euch da auch nicht helfen. Da ist man dann schnell an dem Punkt, an dem ich als Server so etwas wie Synology und als Arbeitsgerät ein iPad oder Android-Tablet empfehle. Was in vielerlei Hinsicht gar nicht mal eine so schlechte Kombination ist.

Leuten, die nicht viel mehr wollen als einen Browser zu starten und vielleicht mal LibreOffice (statt Word/Excel) aufzurufen, habe ich auch schon Silverblue (mit Gnome) oder Kinoite (dasselbe, aber mit KDE) empfohlen, monolitische Systeme. Solange man mit dem zufrieden ist, was die von Haus aus können, ist es gut, aber darüber hinaus werden die schnell haarig.

Wären wir noch ein funktionierender Staat und kein woker Schrotthaufen, hätten wir längst eine Art „Deutschland-Linux“ mit solchen Grundfunktionen als Standard-Betriebssystem für Lehrer, Schüler, Behörden,… Hat neulich sogar jemand als EU-Betriebssystem vorgeschlagen, weil Fedora mit einer Dokumentation daherkommt, wie man Silverblue/Kinoite „customizen“ kann. Das wäre für viele Anwendungen ein richtiger Schritt, abgesehen von der Peinlichkeit, dass man sich von ein paar Hobbyisten zeigen lassen muss, wie es geht, anstatt es als Staat selbst hinzubekommen.

Aber wieviele meiner Blogleser würde so etwas überhaupt interessieren?

Ich glaube, das wären zu wenige. Da würde sich das Verhältnis von Aufwand und Lesern nicht vernünftig darstellen, und die meisten Leser würden davonlaufen, weil sie das nicht interessiert oder sie das nicht verstehen oder nicht brauchen oder … was auch immer.

Und selbst wenn: Ein Blog wäre die völlig falsche Darreichungsform. Man müsste das als Buch plus Videoschulung aufziehen. Aber wer soll das machen? Da steckt man sehr, sehr viel Arbeit rein, und wer bezahlt die? Vor allem: Wann?

Und dann müsste man das noch ständig aktualisieren.

Hilft aber auch nichts, denn niemand ist so unbelehrbar, wie jemand der nicht lernen will. Und Linux-Bücher gibt es viele.

Hätte, hätte, Fahrradkette …

Das hätte man haben können, wenn man sich vor 20 oder spätstens vor 10 Jahren mal darum gekümmert hätte.

Aber als Digitalstaatssekretärin hatten wir eine mit Flugtaxis, und jede Menge Politiker, die felsenfest für Windows sind.

Ergebnis

Ihr habt nicht (nur) das falsche Betriebssystem. Ihr seid im falschen Land.

Ihr könntet es aber mal, wenn es Euch auf das Geld nicht ankommt, mit einem Mac probieren.