Ansichten eines Informatikers

Die elektronische Patientenakte und das Beschlagnahmeverbot

Hadmut
14.8.2025 17:38

Ein Arzt fragt an.

elektr. Patientenakte und Beschlagnahmungsverbot

Lieber Herr Danisch,

Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich für die großartige Bereicherung meines Wissenshorizontes durch das Lesen Ihres Blogs bedanken. Ich bin seit vielen Jahren stummer Mitleser und finde mich als Inhaber einer Hausarztpraxis (da gibt’s übrigens noch tolle Themen, die sie noch noch nicht bearbeitet haben, Stichwort quality is a myth und Genderideologie) und ständigen Auswanderungsgedanken in fast allen Ihren gesellschaftlichen Beobachtungen wieder – auch wenn dieser leider häufig mit negativem Fazit enden. Aber zur Zeit gibt’s über dieses Land auch einfach wenig gutes zu berichten.
Meine Frau schimpft dann manchmal mit den Worten, ich hätte wieder zu viel Danisch gelesen.

Spannend aktuell ist für mich das Thema elektronische Patientenakte (Epa): Scheinbar ist den allerwenigsten klar (selbst befreundeten Juristen nicht) , dass das Staatsanwaltschaftliche Beschlagnahmungsverbot gem. StPo für die Epa NICHT greift, weil die Daten nicht mehr im Gewahrsam des Berufsgeheimnissträgers sind, sondern auf den Patienten übertragen wurden. Damit können sie problemlos Ziel einer digitalen Hausdurchsuchung werden. Ich finde das ungeheuerlich.

Viel bedenklicher finde ich allerdings, dass es scheinbar keinen interessiert, und auch überhaupt nicht kommuniziert wird.

Ich fände es schön, Ihre Meinung dazu als ITler und quasi-Jurist zu hören!

Beste Grüße,

Meine Empfehlung an die Frau Gemahlin.

Das ist ein schwieriges Thema.

Aber: Es ist ein Thema in der Entwicklung.

Denn damit kommen wir genau in den Problembereich, den das Bundesverfassungsgericht gerade (noch) bearbeitet, was ich gestern beschrieben hatte: die Fortentwicklung des Persönlichkeitsrechts und des Telekommunikationsgeheimnisses in Bezug auf Technik und neue Medien, Großraum „IT-System-Grundrecht“.

Im Prinzip sehr verwandt mit dem Problem der abgegriffenen Bankdaten, was ich gerade bearbeite. Denn ich bin ja als Publizist auch Berufsgeheimnisträger. Und in den beiden aktuellen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und der früheren von 2008 ging es ja darum, die eigengenutzten IT-Systeme zu schützen, und zwar auch dann, wenn man nicht Eigentümer ist oder sie in der Wohnung hat, namentlich, was das Bundesverfassungsgericht ansprach, wenn man Daten in der „Cloud“ speichert, aber den Rechner dort wie ein eigenen benutzt.

Die Formulierungen des Bundesverfassungsgerichts – da merkt man halt immer schnell, wenn sie an die Grenzen ihrer Befähigung und technischen Sachkunde stoßen – sind unpräzise und mehrdeutig. Die Frage ist beispielsweise, ob Bankrechner mit den Verwendungszwecken in SEPA-Überweisungen dem Fernmeldegeheimnis unterliegen. Denn einerseits passt die Beschreibung für Telekommunikation auch darauf (und dass Begleitdaten dem Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, wurde woanders schon entschieden, die Entscheidung mit dem Gebiss und den Nachnahmezetteln), weil zwei Leute über eine Entfernung individuell kommunizieren, sich dabei der Hilfe eines Dritten (=Bank) bedienen müssen und auf die Vertraulichkeit (=Bankgeheimnis) vertrauen. Insofern passen auch Banken auf die Beschreibung von Telekommunikation, was die Verwendungszwecke und Absenderangaben angeht.

Aber: Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts endet das Telekommunikationsgeheimnis, sobald die Nachricht im Einflussbereich des Empfängers angekommen ist.

Was ist aber mit Banküberweisungen?

Ich kann ja nicht zur Bank sagen „Ja, danke, die Überweisung ist jetzt angekommen, der Kontoauszug ist da, Ihr könnt jetzt bitte löschen!“

(Warum eigentlich nicht?)

Immerhin hat das Landeskriminalamt in meinem Fall nicht nur generell rechtswidrig das Konto abgefragt, sondern auch noch über einen völlig unzulässigen Zeitraum von über zwei Jahren. Zum Vergleich: Sonstige Telekommunikationsüberwachungen sind nur über einen Zeitraum von 3 Monaten am Stück zulässig und müssen vom Richter angeordnet und immer um maximal 3 Monate verlängert werden (§ 100e StPO).

Insofern wäre zu diskutieren, ob beispielsweise das elektronische Rezept unter das Telekommunikationsgeheimnis fällt: Man könnte es ja als Nachricht des Arztes an den Apotheker betrachten. Problem daran: Der Arzt richtet das nicht an einen bestimmten Apotheker, der Patient kann ja hingehen, wohin er will. Deshalb ist das keine Telekommunikation im verfassungsrechtlichen Sinne, weil der Arzt keinen Empfänger individuell bestimmt und sich vorstellt.

Und was ist dann mit der Patientenakte?

Auch da kann man dann über Jahre abfragen, wer etwa bei welchem Arzt war. Die Polizei wird sich eher selten für Fußpilz und Niereninsuffizienz interessieren, aber beispielsweise in Sachen Abrechnungsbetrug (der ja gerade grassieren soll) oder auch Straftaten wie der absichtlichen oder grob fahrlässigen Infektion von anderen mit Geschlechts- und anderen Krankheiten („Ich wusste ja gar nicht, dass ich HIV habe.“ oder „Nein, von mir kann er das nicht haben.“)

Sowas kann schnell übel werden. Ich war zweimal bei Ärzten, was mir hinterher übel hätte ausgelegt werden können.

Vor einigen Jahren hatte ich mal eine böse Entzündung am Zeh, eingewachsener Zehnagel, dazu noch in Sandalen ungeschützt böse angestoßen, hat sich entzündet. Hausarzt in Urlaub. Also bin ich zu einer Praxis für Infektiologie, weil ich als Laie der Auffassung bin, dass es bei Entzündungen pressiert, damit das nicht zur Sepsis wird und auf den ganzen Körper oder den Herzmuskel übergreift.

Ich kam mir im Wartezimmer schon komisch vor. Irgendwas stimmte da nicht. Als ich dann dran kam, guckte die ganz komisch und meinten dann, ja, an sich hätte ich da schon recht, so etwas muss direkt behandelt werden, und verschrieben mir auch eine Salbe und ein Antibiotikum zum Einnehmen (hat geholfen). Aber ich sei bei ihnen völlig falsch, ich hätte den Begriff „Infektiologie“ völlig falsch verstanden: Sie behandelten HIV-Kranke, und nicht Leute, die sich den Zeh angestoßen haben. Ach, gar.

Vor ungefähr 15 Jahren, damals noch in München, hatte ich mir irgendwie die Hand stumpf verletzt. Ich glaube, mich hatte beim Nachtskaten jemand angerempelt und umgestoßen, ich weiß es nicht mehr so genau. Ich war hingefallen, hatte mich mit der Hand abgefangen und mir dabei trotz Schützer die Hand gestaucht (ohne Schützer wäre es wohl weit schlimmer gewesen). Der Hausarzt meinte, gebrochen sei nichts, die Bänder hätten auch nichts, was nicht von selbst weggehe, aber einen Nerv könnte ich mir beschädigt haben. Das müsse man ausmessen, um Schäden auszuschließen. Problem: Das Gerät dazu ist sehr teuer und er brauche so etwas so gut wie nie, deshalb habe er keines. Ich müsse dazu zu einem Neurologen, denn die hätten solche Geräte. Und gab mir eine Liste mit Neurologen. Also ging ich zum erstbesten. Einfach der erste auf der Liste, Termin sofort.

Erst dort erfuhr ich dann am Praxisschild, dass der nicht nur Neurologe, sondern auch Psychiater für Dachschäden und Durchrostungen aller Art und Gutachter war. Ich saß das im Wartezimmer wie auf glühenden Kohlen: Hoffentlich sieht mich hier niemand. Danisch beim Klapsdoktor. Irgendwann kam ich dann dran, der hat sich das angehört, mir dann mit eben besagtem Messgerät und vielen Kabeln seltsame Messungen an der Hand vorgenommen und befunden, es sei alles in Ordnung. Ich habe mich dann möglichst unauffällig und unter Ausnutzung aller natürlicher Deckungen und Tarnungen rausgeschlichen.

Würde man jetzt aber meine elektronische Patientenakte (so ich sie damals schon gehabt hätte) genauso durchleuchten wie mein Bankkonto und das genauso an andere Behörden und eine linke NGO weiterreichen, würde ich dann sofort in linken Steckbriefdatenbanken (in denen ich ja sowieso schon als Pornographieverbreiter, Erznazi, Verschwörungstheoretiker, Promotionsversager und Holocaustrelativierer stehe) stehen:

  • Danisch ist psychisch krank, weil er beim Klapsdoktor war.
  • Danisch hat HIV, weil er beim HIV-Arzt war.

Da kann einem das Gruseln kommen, wenn man sich vorstellt, dass dieselben Vögel, die beim Landeskriminalamt mein Konto durchforstet und Daten weitergegeben haben, an meine Patientenakte kämen. Das würde dann auf Indymedia/Linksunten und dann in der Presse landen wie der – frei erfundene – Vorwurf, ich sei „Holocaustrelativierer“. Man darf durchaus davon ausgehen, dass mit entsprechend konstruierten Fake-Vorwürfen auch die Patientenakten aller Kritiker und Gegner durchforstet würde, wenn die Stasi sammelt alles, was sie gegen jemanden verwenden kann.

Uns stehen gruselige Zeiten bevor.

Nach den gerade besprochenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts würde ich vermuten, dass das Bundesverfassungsgericht das konsequenterweise bei Krankenakten noch viel kritischer sehen würde. Aber: Wenn man sich anschaut, was für dubiose Figuren SPD und Grüne in das Bundesverfassungsgericht drücken wollen, könnte das mit denen ganz anders aussehen.

Ich hatte bei der Besprechung der beiden Entscheidungen die Einschätzung geäußert, dass das Bundesverfassungsgericht es eilig hatte und unbedingt entscheiden wollte, weil mir aufgefallen war, dass beide Verfassungsbeschwerden wohl unterirdisch schlecht und fehlerhaft gewesen sein müssen, so umfangreich und hart, wie die da gefügt und bemängelt wurden, das Bundesverfassungsgericht aber trotzdem entschieden und weit ausführlicher begründet hatte, das „IT-System-Grundrecht“ eingeführt hatte.

Meine Frage dazu war: Was wollen die Richter verhindern, wem oder was wollen sie vorbeugen? Warum hatten die es so eilig, dass sie sogar lausig schlechte Verfassungsbeschwerden verwendeten?

Möglicherweise war das die Angst vor Richterinnen wie Brosius-Gersdorf oder Kaufhold.

Vielleicht hatten die es so eilig, weil sie Angst vor ihrer nächsten Besetzung haben.