Die 12 Geschworinnen?
Ein ganz blöder Gedanke: Würde der Film mit Frauen funktionieren?
Ich habe vorhin erfahren, dass es von dem Film die 12 Geschworenen (12 Angry Men) von 1957 und dem Remake von 1997 auch noch ein russisches Remake von 2007 („12“) und eine deutsche Version von 1963 gibt. in der sogar eine Reihe bekannter Schauspieler wie Mario Adorf, Ralf Wolter, Herbert Bötticher, Siegfried Lowitz mitspielen (wobei ich mir nicht sicher bin, ob die außer mir noch viele kennen).
Leider wackelt und verbiegt sich das Bild in manchen Szenen ganz kurios und seltsam, und ich habe erst überlegt, was da passiert sein könnte, ob da der Film beim Digitalisieren wackelte und nicht plan lag. Nach einigem Überlegen und Betrachtung verschiedener Szenen mit diesem Effekt vermute ich, dass irgendwer die Aufnahme durch eine Entwackel-Software gedreht hat, die dafür sorgt, dass die in der Mitte sichtbare Person möglichst ruhig und unbewegt bleibt, und dazu das ganze Bild so verzerrt, dass es passt, und man dann durch diese Verzerrungen den Hintergrund wackeln sieht. Das wirkt manchmal, als sei der Kameramann besoffen, obwohl sicherlich Kamera und Hintergrund still standen und die Schauspieler sich bewegten, und die Software das Bild verbogen hat, bis alles andere wackelt und der Schauspieler ruhig steht.
Schade eigentlich, manche finden die deutsche Version sogar besser als die amerikanische, was aber auch nur für die Schauspieler gelten kann. Die Kameraführung im deutschen Fernsehspiel ist seit jeher eine Bescheidene.
Ich habe mich als Kind lange gewundert, warum diese Fernsehspiele, die damals oft kamen, immer so einen seltsamen Look haben, dass man die im ersten Augenblick als Fernsehspiel erkannte. Das hat mehrere Gründe. Nicht nur die fernsehtypische Bildwiederholrate (im Gegensatz zu Kino), sondern die platte Studioausleuchtung, bei der einfach von oben ganz viel Licht kommt und fertig, nichts subtil, und die geschlossenen Blenden wegen des vielen Lichts, die kaum noch Schärfenuntiefe zulassen. Dazu die gestelzten, künstlich wirkenden Bühnenbilder und die Akustik.
Feministinnen hassen den Film (ich kenne die Diskussion eigentlich nur über die Ur-Version), weil er zu den ganz wenigen Filmen gehört, in denen es keine Frauen gibt – was nicht ganz stimmt, denn in der Eingangseinstellung im Gerichtsgebäude sieht man ein paar Frauen vorbeilaufen, aber sie kommen in der Handlung nicht vor. 1997 hat man zumindest den Richter zur Richterin gemacht, hält aber am Konzept von 12 Männern fest.
Mir ging durch den Kopf, dass eine gemischte Jury für diese Story nicht funktionieren würde. Ich habe ja oft beschrieben, wo das Problem mit gemischten Teams ist. Und dann hat man noch ein dramaturgisches Quotenproblem, denn die Story des Films ist ja, dass die einer nach dem anderen von „schuldig“ zu „nicht schuldig“ umkippen. Schema: Der erste ist der Intelligenteste, und je später, desto Höhlenmensch. Wo sollte man Frauen platzieren? Früh- oder Spätmeinungswechsler?
Und wie sollten die Beschimpfungen laufen?
Ich glaube nicht, dass das dramaturgisch gut gehen würde. Außerdem lebt der Film ja gerade von seiner Abstraktion, mit der wirklich alles ausgeblendet wird, was von dieser Männerauseinandersetzung ablenken könnte. Frau wäre Ablenkung. Dann geht sofort die Geschlechternummer los.
Was aber wäre mit 12 weiblichen Geschworenen?
Könnte man die Story identisch mit vertauschten Geschlechtern spielen?
Eine weibliche Angeklagte, die ihre Mutter erstochen haben soll, und 12 Frauen in einem Zimmer.
Ich glaube, das würde überhaupt nicht funktionieren. Die würden sich die Augen auskratzen und aufeinander losgehen, statt sich in der Sache zu streiten.
Zickenkrieg.
Was nicht heißt, dass man daraus nicht einen Film machen könnte. Aber es wäre ein völlig anderer Film.
Und er würde nicht funktionieren, weil es den Männerfilm schon gab, weil er als die Frauenversion eines Männerfilms dastehen würde, wie die Ghostbusterinnen oder „Die kleine Lady“ statt „Der kleine Lord“. Auch Rey als Luke Skywalker Neuaufguss mit Frauenquote hat kaum funktioniert. Die wurde nie zu einer der bekannten Star Wars Figuren, obwohl die Schauspielerin selbst – wie ich damals schon schrieb – ihre Sache gut gemacht hat, aber gegen das dumme Drehbuch nicht ankam.
Was besser funktioniert hat, war Ocean’s 8 als Frauenversion von Ocean’s Eleven, 12 und 13.
Aber: Das war kein Remake, das war nur ein Aufgreifen der alten Stories. Das war eine neue Story, extra für eine Frauenbesetzung geschrieben. Deshalb hat die funktioniert. Die war auf das Sozialverhalten von Frauen ausgelegt.
Ich kann mir zumindest ad hoc nicht vorstellen, wie man Die 12 Geschworenen mit Frauen spielen könnte, damit das funktioniert. Frauen würden ja so gar nicht diskutieren.
Man könnte vielleicht eine Story bauen, in der einer beschuldigt wird, ein Mädchen vergewaltigt und umgebracht zu haben, und sich 11 darin einig sind, den Mistkerl hinzurichten, und eine meint, dass er unschuldig sein könnte.
Das würde aber anders laufen, und unweigerlich in die Feminismusschiene geraten. Gerade weil unter 12 Frauen garantiert Feministinnen der Sorte hang’em higher sind. Aber will man Zickenkrieg sehen?
Gibt es heute überhaupt noch eingeschlechtliche Jurys? Könnte der Film heute überhaupt noch plausibel spielen, wenn er gemischt nicht funktioniert und man aus dramaturgischen Gründen Leute desselben Geschlechts braucht, um das als Thema rauszuhalten?
Die zwei Hauptprobleme einer Neuverfilmung
Wie ich so darüber nachdenke, komme ich darauf, dass man den Film eigentlich gar nicht mehr neu drehen kann, weil es bei der heutigen Kriminaltechnik solche Entscheidungen eigentlich nicht mehr geben sollte, die allein auf zwei Zeugenaussagen beruhen. Man würde heute DNA-Tests machen, Spurenanalyse, Fasern finden, oder auch nach einer Kinokarte fragen (was wohl ein Story-Fehler in der Ur-Version ist, dass da nie nach einer Kinokarte für das angebliche Alibi gefragt wird).
Die Story im Ganzen würde wohl heute nicht mehr funktioneren, weil es nicht nur diese Problemstellung so nicht mehr gäbe, sondern schlicht und einfach, dass die Leute heute überhaupt nicht mehr diskutieren, überzeugen und sich überzeugen lassen können. Heute bleibt jeder stur bei seinem Standpunkt und beschimpft und beschuldigt nur noch.