Ansichten eines Informatikers

Die funktionale WG

Hadmut
23.7.2025 15:14

Von der Zukunft des Lebens und des Wohnens.

Gewöhnt Euch schon mal dran, das kommt auf Euch alle zu.

Das sind dann so die WGs nach dem Motto „Messer rein, Licht aus, Tür zu. Warten, bis man nichts mehr hört.“

Ich habe solche WGs in meiner Studienzeit erlebt – und war so froh, in einem zwar klapsmühlig-bekloppten Studentenwohnheim zu wohnen, aber einem, in dem man wenigstens seine 9 oder 10 Quadratmeter wirklich für sich alleine hat und die Tür zu machen kann.

Ich kann mich noch erinnern, dass ich Freunde in so einer WG hatte und da ab und zu mal zum Abendessen eingeladen war. Ich habe natürlich auch immer irgendwas mitgebracht und hatte da mal eine – durchaus teure – Torte aus der Konditorei mitgebracht. Unten wie eine Käsesahne, und obendrauf so eine ungefähr daumendicke Schicht aus klarem Tortenguß oder Gelatine oder so etwas, in das lauter schöne Früchte – Himberen, Kiwi-Scheiben, Mandarinenscheiben und sowas, damit das schön aussieht – eingegossen waren. Ich habe das Ding im Wohnzimmer auf den Tisch gestellt und war nur einen kurzen Moment in der Küche, um zu schauen, was sie kochen, kam zurück ins Wohnzimmer: Alle Früchte aus der Torte gerissen, mit den Fingern rausgepopelt, weggefressen.

Die hatten so ein langes Elend von Physiker, völlig sozialunfähig, der der Meinung war, dass jegliche Lebensmittel in der Wohnung ihm zustünden, und der hatte die da rausgefressen. Motto „Selbst schuld, wenn man nicht auf seine Torte aufpasst.“

Ein Informatiker in dieser WG erzählte mir, dass es ihm unmöglich sei, in seinem Zimmer Schokolade aufzubewahren, weil der Physiker ständig alles durchsuche und klaue, was man essen könne. Er hätte deshalb mal ein paar Tafel Schokolade zu verstecken versucht, indem er sie in den Luftspalt hinter dem Kleiderschrank zwischen Schrank und Wand habe rutschen lassen. Keine Chance. Der Physiker hat sie gefunden und mit Gewalt den Schrank nach vorne gezogen (und dabei den Boden verkratzt), um an die Schokolade zu kommen. Die stehe ihm zu und der Informatiker sei selbst schuld, wenn er sie so verstecke, dass es Gewalt brauche, um daran zu kommen.

Andererseits war ein anderer Informatiker derselben WG mal für einen Monat verreist und hatte Kartoffeln mitten auf dem Küchentisch vergessen. Als er nach einem Monat wiederkam, lagen sie immer noch da, natürlich verschimmelt und festgebacken. Auf die Frage, warum die keiner verwendet oder weggeworfen habe, meinte der Physiker, sie würden sich doch immer beschweren, wenn er an fremde Lebensmittel gehe.

Für mich der absolute, ultimative Horror.

Und der Plan ist ja, Alte aus ihren Wohnungen zu drücken und in solche Zwangs-WGs zu stopfen.

Nicht unerwähnt bleiben sollte aber auch eine gegenteilige WG.

Damals schon gab es in Karlsruhe viel zu wenig Wohnraum für Studenten. Besonders der Anfang des Wintersemesters war immer katastrophal, während es sich in den Sommersemestern etwas entspannte.

Wer die Lage der Uni Karlsruhe kennt, weiß – keine Ahnung, wie das heute ist, ich war das seit fast 20 Jahren nicht mehr – dass es damals direkt gegenüber der Uni entlang der Kaiserstraße eine Geschäftezeile aus Copy-Shops (damals an einer Uni total wichtig) und Rotlicht-Etablissements gab. So entlang der Uni eher die Strip-Schuppen, und dann in der kleinen Querstraße, der Brunnenstraße, wo es die Bordelle und Laufhäuser hinter Sichtschutz hatte. Wenn man von der Uni zum Studentenzentrum Z10 wollte, ging der kürzeste Weg durch diese Bordellgasse, und je nach Gemüt empfand man es als Spaß oder Geisterbahn, da durch zu müssen und als Mann Angebote und als Frau dumme Sprüche abzubekommen. Eine Studentin aus einer meiner O-Phasen-Gruppen war nur in einer – sehr sauberen, ordentlichen, tadellosen WG über dieser Bordellgasse untergekommen und wohnte direkt über den Bordell mit Fenster direkt zur Bordellgasse mit entsprechendem Nachtlärm. Und die meinte, da gäbe es einfach alles zu sehen. Sie hätte viel gelernt, indem sie abends aus dem Fenster schaue.

Interessanter aber war, dass ein Student nur ein Zimmer in einer Stripper-WG über einem Stripschuppen direkt gegenüber der Uni gefunden hatte. Die Lage direkt an den Hörsälen sei perfekt. Alle anderen Bewohner der WG seien aber Stripperinnen, und die seien unerwartet nett, umgänglich, zivilisiert, ordentlich, eigentlich perfekte WG-Genossen, Küche und Bad tip-top, wenn sie nicht ständig überall ihre Stripper-Tangas zum Trocknen herumhängen ließen. Auch würden sie grundsätzlich alle nackt herumlaufen, ihre Strip-Posen übten, und es als WG-kollegial ansehen, dass er kostenlos gucken dürfe, wofür andere zahlen, die würden sich überhaupt nicht stören, wenn er sie begaffe, sondern wären beleidigt, wenn er es nicht tue. Auch die Anmach- und Fummelroutinen übten sie an ihm. Er sei sich aber noch nicht sicher, ob das dem Studienerfolg zu- oder abträglich sei. Wirklich stören würde ihn nur, dass in der Dusche ein Münzautomat angebracht sei und er immer Markstücke zum Duschen einwerfen müsse. Allzulange blieb er da nicht. Er hatte es aber auch gar nicht so eilig, dort wegzukommen.

Jedenfalls deutlich besser als die mit dem Physiker.