Ansichten eines Informatikers

Vom Absturz der Juristen

Hadmut
21.7.2025 22:55

Anwaltspost.

Wieder mal schreibt mir ein Rechtsanwalt. Zu meinem Artikel von vorhin über Fake-Professoren:

Hat man mit den Juristen dasselbe getan?

Hallo Herr Danisch,

vor ca. 30 Jahren galt noch, dass wer in Bayern (Süd-/ CDU-Ländern) durch das (1.) Examen fallen würde, in Hamburg (SPD) noch ein Vollbefriedigend erreichen könne. Das wurde zunächst durch die Notenumrechnung (-entwertung) von Nord auf Süd nivelliert. Das war aber irgendwann (~Jahrtausendwende) als gleichheitswidrig verboten worden.

Ein weiterer Punkt war die Entlassung der Juristen aus der zentralen Vergabe der Studienplätze. Damit konkurrierten die Universitäten um zusätzliche Studenten, die Geld einbrachten, aber keinen zusätzlichen Aufwand erzeugten. Auch die Bundesländer schraubten daher die Anforderungen zurück – wo vorher 50% eines Jahrgangs durch das Erste Staatsexamen fielen, waren es dann nur noch 25%.

Damit war es dann auch im Süden möglich, durch Auswendiglernen Jura-Prüfungen zu bestehen. Das war zuvor das Alleinstellungsmerkmal von BWL’ern. Juristen mussten zwar einiges Wissen haben, aber entscheidend war die Methodik. Durch sie musste der Juristische Prüfling in der Lage sein, auch ihm völlig fremde Normen anzuwenden. Das wurde – auch in meinem Examen – klausurmäßig geprüft.

Wenn Sie also erwähnen, dass ein Richter und 2 Anwälte Ihnen versicherten, das Jurastudium wäre nur Auswendiglernen, lässt sich das Gericht allein wegen dieser Aussage nach Bundesländern eingrenzen.

Und nun Punkt 3, das, besser: DAS “Killerkriterium” nach dem Sie fragen.
Die Justiz ist einer der wenigen Sparten öffentlicher Verwaltung, die kostendeckend arbeiten.

Das weckte schon vor 30 Jahren im Osten Begehrlichkeiten, der Westen zog nach: Richter- und Justizstellen wurden abgebaut (“nicht besetzt”), bei gleichem Arbeitsaufkommen. Während Arbeitsrichter um die Jahrtausendwende ihr “Zumvergleichprügeln” noch damit rechtfertigten, dass sie 800 bis 900 Eingänge im Jahr hätten, da könnten sie nicht immer ein Urteil schreiben, haben Amtsgerichte heute regelmäßig über 1.000 Eingänge pro Richter, ggf. verteilt auf mehrere Dezernate.
Aus Hamburg herrschte mich vor Jahren eine Geschäftsstellendame an, sie sei mit 1.000 Akten IM RÜCKSTAND, ich solle mich doch bitte mit ihrer telefonischen Auskunft begnügen und nichts schriftlich verlangen.

Näheres dazu können Sie unter den Schlagworten “der faule Richter” / “der gründliche Richter” ergoogeln. Der betreffende Richter am OLG Karlsruhe/Freiburg – dem Vernehmen nach mittlerweile im Ruhestand – wehrte sich gegen eine Disziplinarstrafe wegen zu langsamen Arbeitens. Das heißt, er erarbeitete genau so viele Erledigungen, wie bei seinem Dienstantritt verlangt worden waren. Die über die Jahre steigenden Forderungen an Erledigungszahlen in gleicher Zeit ignorierte er, weil er diese mit seinem Arbeitsethos (evtl. auch seiner Work-Life-Balance, er war wohl aktiver Grüner) nicht vereinbaren konnte.

Kurz gesagt, nach einer gewissen Übergangsphase bis vor ca. 5 bis 10 Jahren, in der man die Überlastung noch verhandlungstaktisch einigermaßen managen konnte, herrscht seitdem an den meisten Gerichten, abhängig von Qualifikation und Motivation der jeweiligen Richter mal mehr, mal weniger, reine Willkür. Da kann derselbe Richter in derselben Sache erst ein Versäumnisurteil erlassen (Klage = schlüssig) und nach wenig substantiellem Einspruch die Klage als unschlüssig abweisen. Ärger droht keiner, Hauptsache eine Erledigung.

Was bei derartigem Druck von der richterlichen Unabhängigkeit übrig bleibt, überlasse ich Ihrer Phantasie.

Das entspricht genau meinen Erfahrungen mit der Justiz der letzten Jahre.

Vor allem erklärt das, warum so viele Richter so unwillig und unfähig sind, sich Rechtswissen anzulesen, das sie – noch – nicht haben. Die haben weder Lust noch Zeit.

Ich habe es mehrfach erlebt, dass Richter Rechtsbeugung betreiben, um die Sache einfach zu erledigen. Ich war mal vor so 25 bis 30 Jahren vor einem Landgericht als Zeuge in einem Zivilverfahren geladen. Und habe mir dort einen lautstarken Krach mit dem Vorsitzenden geliefert, weil der ums Verrecken das Gegenteil dessen als Zeugenaussage protokollieren wollte, was ich gesagt hatte (und dann ist man noch wegen Falschaussage dran).

Zu ähnlicher Zeit habe ich mal einen Fall im Bekanntenkreis erfahren, in dem jemand Krach mit einer Bank hatte und nach dem – damals noch relativ neuen – Verbraucherkreditgesetz glasklar hätte gewinnen müssen. Der Richter sagte aber, das fände bei ihm keine Anwendung, weil das in seinem Studium nicht dran war.

Meine Erlebnisse am Amtsgericht zum Frauenfahrschein waren ja auch so ein Ding. Da hat die Richterin einfach gar kein Recht mehr angewandt, sondern sich darüber beschwert, dass sie als Frau mehr für Kleidung zahlen müsse als Männer (was nicht mal stimmt), außerdem habe sie eine Autoversicherung, bei der Frauen weniger zahlen, also müssten unterschiedliche Fahrpreise zulässig sein (dass das von der EU längst verboten ist, verstand sie nicht, und dass die Autoversicherung im Gegensatz zum U-Bahn-Fahrschein auf unterschiedlichen Risiken beruht, auch nicht).

Ja, ich kann mir lebhaft vorstellen, worauf das hinausläuft.

Hatte ich ja auch mal zu Strafsachen mit den Ermittlungsrichtern beschrieben, die gar nicht wissen (können), was sie da entscheiden.

Und das habe ich immer öfter, dass Recht nicht mehr durchsetzbar ist, weil die Richter das Recht nicht mehr verstehen.