Ansichten eines Informatikers

Von „Broadcast“ zu „Streaming“

Hadmut
31.5.2025 14:19

Ich habe Einwände.

Wir kennen ja die Bezeichnungen wie DVB-C(2), DVB-S(2), DVB-T(2). Digital Video Broadcasting über Kabel, Satellit, Terrestrisch (=Funk). Dass das alles recht teuer, und manchen zu teuer ist, ist bekannt. Ich selbst schaue schon seit Jahren kein Privatfernsehen mehr, nicht nur, weil dafür keine Zeit mehr habe und die Qualität zu schwach ist, sondern auch, weil es seit der Umstellung von DVB-T auf DVB-T2 gebührenpflichtig geworden ist und ich für jeden Fernseher eine Empfangskarte ständig bezahlen müsste – und das bei mit Werbung zugedonnertem Fernsehen. Also schaue ich es gar nicht mehr, weil mir das einfach zu teuer wird, und ich nicht einsehe, auch noch für mehr zu zahlen, als ich überhaupt sehen kann. DVB-C ist mir auch zu teuer für einen Ein-Personenhaushalt, weil ich dann trotzdem mehrere Fernseher bezahlen oder mit Karten ausstatten müsste. Da ich in der Nähe des Alexanderplatzes mit seinem Fernsehturm wohne, gucke ich nur per DVB-T2 und per Streaming.

Dennoch – nein, deshalb – ist mir das immer wieder mal aufgefallen, dass es Kommentare gibt, dass es den Sendern zu teuer wird, mehrere Verbreitungskanäle zu befüllen und bezahlen, und irgendwer auf die DVB-T(2)-Frequenzen scharf ist.

Ähnlich, wie man das Telefonnetz aufgegeben und durch IP ersetzt hat, will man nun auch das Fernsehen über die IP-Netze abwickeln, also auf alle fernsehspezifischen Netze verzichten und IP als Universalnetz mitnutzen. Mir ist da gerade Statt Kabel, Satellit oder Terrestrik: ARD setzt künftig auf DVB-I auf golem.de aufgefallen und die etwas unangebrachte Bezeichnung „DVB-I“.

Warum unangebracht? Naja, weil sie Streaming machen wollen, und das auch sagen, dass sie von Broadcasting auf Streaming umstellen, und – wird zwar nicht da geagt, ist aber öfter in der Diskussion – auch von der synchronen Ausstrahlung nach festem Programmplan ablassen möchten. Aber dann ist es eben kein „Broadcasting“ mehr, was sie ja auch sagen, dass sie vom Broadcasting weg wollen, und dann kann man es eben nicht mehr „DVB“ – Digital Video Broadcasting – nennen.

Ich halte das für nicht ungefährlich, weil IP-Netze leichter zu stören sind als die Broadcasting-Wege, und damit Redundanz verloren geht, die im Krisen- und Katastrophenfall notwendig wäre.

Mich stört dabei aber etwas anderes: Nämlich die Netzlast, die man damit erzeugt, denn das kostet ja auch alles Geld und Strom.

Vor rund 30 Jahren, als das Internet gerade so in seiner Mediensteinzeitphase war und den Weg vom Universitäts- und Forschungslabornetz zum allgemeinen Bürgernetz antrat, gab es da nämlich eigentlich noch die richtige Technik: Multicast.

Multicast ist ein Zwischending zwischen Unicast (Individualkommunikation an einzelne, exakt bestimmte Partner, wie etwa bei Webseiten oder eben Videostreaming) und Broadcast (Kommunikation an alle, ob sie wollen oder nicht), nämlich Kommunikation an alle, die haben wollen.

Ein Sender konnte damit Medienströme per UDP an sogenannte Multicast-Adressen verteilen. Und dann mussten die Router nach oben melden, welche Unternetze die Multicast-Adresse gerade haben wollen. Damit muss der Sender, egal, wieviele zuhören, die Daten nur genau einmal rausschicken. Er schickt einfach die Daten an eine bestimmte, reservierte Multicast-Adresse, und der Router gibt sie an alle Leitungen weiter, auf denen gerade jemand regelmäßig sendet, dass er diese Multicast-Adresse haben will.

Vereinfachtes Beispiel: Angenommen, irgendwer in der Wohnung will auf PC oder Fernseher ZDF gucken. Dann verkündet der PC oder Fernseher im lokalen Netz, ich hätte gerne Multicast für die Multicast-Adresse, die dem ZDF zugeordnet ist. Das hört dann der Wohnungsrouter und meldet zum Provider nach oben „Ich habe gerade Leute, die ZDF – präziser: Diese Multicast-Adresse – sehen wollen“. Der Router des Providers meldet das nach oben, bis es entlang der Route bis zum ZDF gekommen ist. Die Router melden nach oben, wer die Multicast-Adresse empfangen will, und die Multicast-Daten (das Programm) wird nach unten an alle verbundenen Router weitergeleitet, die regelmäßig sagen „Ich will“.

Das bedeutet, dass die Daten nicht an jedes Endgerät einzeln gesendet werden müssen, sondern immer nur einmal an jeden Router. Das ZDF-Programm kommt also genau einmal in die Wohnung, wenn mindestens einer sehen will und regelmäßig „Ich will“ schreit, aber unabhängig davon, wieviele sehen wollen. Auch denn 5 Leute parallel gucken, kommen die Daten nur einmal und werden nach unten weiterverteilt. Auch nur einmal im LAN. Es entsteht eine Baumstruktur.

Das reduziert die Netzlasten enorm, weil die Daten immer nur einmal zu jedem Router transportiert werden müssen. Die Sendelast ändert sich nicht, egal ob nur einer oder 10 Millionen zugucken.

Das hat damals recht gut funktioniert, wir haben da schon einige Sachen mit ausprobiert, weil wir damals noch mit knapper Bandbreite zu kämpfen hatten. Webseiten, Newsartikel und so etwas haben wir damals schon experimentell per Multicast verteilt.

Ich habe keine Ahnung, warum (es gibt ein paar Sicherheitsprobleme, die aber lösbar sind), aber IP-Multicast ist zwar immer noch als Standard aktiv, und in IPv6 sogar deutlich ausgebaut, aber völlig aus dem Bewusstsein verschwunden, irgendwann hat das keiner mehr benutzt und nicht alle Router und Provider unterstützten das überhaupt oder gar fehlerfrei.

Dabei wäre genau das nun eine Paradeanwendung für die zeitsynchrone Ausstrahlung, also um DVB-C,-S,-T durch Internet zu ersetzen und die Netzlast trotzdem in schmalen Grenzen zu halten.

Keine Ahnung, warum man das nicht weiter verfolgt.