Ansichten eines Informatikers

Kyoto

Hadmut
15.5.2025 19:28

Boah, schon wieder halb zwei morgens, und die Speicherkarten sind noch nicht mal fertig umkopiert. [Korrektur]

Ich war heute in Kyoto.

Nicht so sehr, um die üblichen Sehenswürdigkeiten abzuklappern (mache ich vielleicht noch), sondern um Aoi Matsuri anzusehen, ein „Festival“, bei dem eine große Zahl von Leuten in historischen Gewändern eine Strecke von ehemaligen Kaiserpalast zu zwei Schreinen ablaufen und damit einen kompletten Aufmarsch einer kaiserlichen Entourage darstellen.

Ich bin deshalb heute morgen früher aufgestanden und ohne Frühstück raus, und ich habe auch nicht, wie mir viele nahegelegt hatten, den Shinkansen benutzt, sondern die Regionalbimmelbahn – die ist nämlich schneller. Weil ich nämlich mit dem Shinkansen vorher und nachher mit der U-Bahn fahren müsste. Der fährt nämlich von einen Nordbahnof in Osaka zum Hauptbahnhof in Kyoto. Die Bimmelbahn für Berufspendler fährt dagegen direkt hier von der nächsten U-Bahn-Station aus bis fast an den Kaiserpark. Und von der Bimmelbahn gibt es auch Express-Varianten (und wie ich abends gesehen habe, gegen Aufpreis noch eine Luxus-/Erster-Klasse-Variante des Zuges, die richtig vornehm gemach ist.)

Es kamen da auch jede Menge Reisebusse mit Zuschauern, die Polizei kam beritten, sie hatten den ganzen Kaiserpark entlang vierreihig Stuhlreihen aufgestellt (mit Reservierung), in der Innenstadt die Route abgesperrt – und dann kam nicht allzuviel.
thek.
Ich hatte da irgendein Tschingderassabumm erwartet, aber die sind dann nur schweigend an einem vorbeigelaufen. Manche haben zwar gelacht und auch mal in eine Kamera geschaut, viele aber nicht, als müssten sie wie zu archaischen Zeiten Überlegenheit demonstrieren. Auch kaum zu fotografieren, weil zuviele Zuschauer im Weg und zu viele reservierte Sitzplätze. Ich bin dann noch durch die Stadt gewetzt, um die Kolonne wieder einzuholen und ein zweites Mal zu erwischen, war aber nicht so dolle. Keine Ahnung, warum die so einen Aufstand um das Ding machen.

Wenn ich aber schon mal da war, habe ich noch vier Museen besucht, weil man auf dem Rückweg vom Kaiserpalast in der Museumsgegend vorbeikommt.

Ein Manga-Museum. Besser gesagt, eine riesige Manga-Bibliothek. Wusstet Ihr, dass die Vorläufer der Mangas schon in der Edo-Zeit bekannt waren und rund 300 Jahre alt sind? Und als deutsches Beispiel haben sie – ich habe mich so gefreut – Nick Knatterton. Leider haben sie auch ein Fotorafierverbot.

Ich war in einem Duftmuseum, wo man riechen kann.

Und im Museum von Kyoto, in dem gerade zwei von drei Hallen geschlossen sind und es deshalb fast nichts zu sehen gab. Ich habe das Personal erstaunt, weil ich als Fremdling trotzdem ein Filmplakat samt Schauspieler erkannt haben (Rashomon, Toshiro Mifune), und der Typ vom Museum war nicht nur sehr erstaunt, dass ich den Film kenne (und erkenne), sondern schwärmte mir auch vor, dass das sein absoluter Lieblingsfilm sei. Ach, sagte ich, bei mir nur auf Platz zwei der japanischen Filme. Platz 1 Tampopo. Obwohl Kultfilm kannte er den noch nicht. Und war sehr erstaunt darüber, dass ihm ein weißer Deutscher, der kein Wort japanisch kann, nun einen japanischen Kultfilm erklärt.

Der Brüller war – obwohl klein, eng und teuer – das Samurai- und Ninja-Museum.

Ninja

Da stand eine Tafel, auf der erklärt wurde, dass die Ninja keineswegs schwarz und auch keine Masken trugen, sondern entweder Navy Blue oder allgemeine Alltagskleidung um nicht aufzufallen.

Die Ninja nämlich waren nicht die Mörder, als die sie hingestellt werden. Sei haben zwar gelegentlich auch den ein oder anderen umgelegt, aber waren in erster Linie Spione und Geheimdienstler, und hatten deshalb ein Interesse daran, unauffällig in der Menge unterzutauchen. Die haben sich Tarnungen zugelegt und jeder Ninja musste sieben Rollen beherrschen, weil damals bestimmte Berufe und Grpupen das Recht hatten, sich unkontrolliert frei zu bewegen, während andere Passierscheine brauchten.

Ich fragte, woher dann das typische Ninja-Bild vom Killer in schwarzer Vollverkleidung käme.

Antwort: Das hat sich irgendein Filmemacher mal ausgedacht, und dann haben es alle übernommen. Realistisch gleich Null.

[Korrektur: Natürlich die Ninja, nicht die Samuarai:] Das Problem sei, sagt er, dass man über die Ninja eigentlich so gut wie nichts wisse, außer dass sie von den Bauern kämen. In seiner Schulzeit hätten sie über die Samurai schlichtweg alles erfahren, was man weiß, über die Ninja dagegen einfach gar nichts. Weil man es nicht weiß. An sich sei das auch richtig so, weil die ja Geheimdienstler waren und jedes Geräusch vermieden, und dass man nichts über sie weiß, heute belege, dass sie ihren Job gut gemacht hätten, sonst wüsste man ja etwas über sie. Sie waren eben Geheimdienstler.

Deshalb aber wüssten selbst viele Japaner nicht, dass die schwarze Kampfuniform mit Maske historisch jeder Grundlage entbehrt und nur ein Produkt der Filmindustrie ist. Shuriken und sowas hatten sie aber schon, es sind Originale ausgestellt.

Erstaunlicherweise waren die Ninja „Farmer“, Bauern, die tagsüber ihre Arbeit machten und nachts dann in ihr zweites Leben schlüpften.

Der bekannteste Ninja und deren Ausbilder war übrigens ein gewisser Hattori Hanzō. Der Schmied in Kill Bill heißt auch so, das ist eine Anspielung, weil der Schauspieler, der da diesen Schmied spielt, in seinem vorangegangenen Film schon den historischen Hattori Hanzō gespielt hatte. Man unterstellt, ohne eine Grundlage dafür zu haben, dass der Schmied im Film ein Nachfahre des Ninja-Gründers gewesen sein soll.

Samurai

Wusstet Ihr eigentlich, dass bei Harakiri/Seppuku dann, wen er richtig ausgeführt wird, das anwesende Publikum nicht mit Blut bespritzt wird, weil die Haltung so ist, dass der Begehende, dem ja dann von einem Sekundanten der Kopf abgeschlagen wird, dabei eine Haltung hat, mit der er seinen eigenen Kopf mit den Händen auffängt und festhält?

Oder dass die Samurai-Schwerter erst dann, wenn es in die Schlacht ging, mit Griff und schöner Scheide und dem Stoffband um den Griff versehen wurden, ansonsten aber die Metallklinge separat in einem einfachen, schlichten Holzfutteral steckte, weil die Dinger im feuchten Japan so leicht rosten, dass man sie im Ölbad lagern musste und dafür ganz einfache, schmucklose Holzscheiden verwendet wurden? Und wenn man sie brauchte, dann erst hat mal Griff und das Zeugs dazu drangemacht?

Und man mir danach in einem Fachgeschäft für japanische Küchenmesser höchster Qualität dazu erklärte, dass das auch bei den heutigen Küchenmessern immer noch so ist, dass die nach jeder Benutzung und regelmäßig hübsch geölt werden müsse, um nicht zu rosten, weil sie nicht aus Edelstahl sind?