Ansichten eines Informatikers

Nikon kauft Red

Hadmut
7.3.2024 20:57

Geht gerade so herum.

Ich hatte doch schon viel über den Kameramarkt im Allgemeinen und Nikon im Besonderen geschrieben, darüber, dass der Markt zum Videogeschäft hin läuft. Eigentlich ist das Foto so tot wie die gedruckte Zeitung.

Neulich schrieb mir ein Fotograf, dass er den ganzen Rummel nicht verstehe. Er sehe praktisch keinen Fortschritt, wenn er die Fotos seiner Nikons von heute und der von vor rund 10 Jahren vergleiche. Er wisse nicht, warum die neue Modelle bringen und immer teurer würden, obwohl er da keinen Fortschritt entdecken könne.

Dem Manne konnte ich helfen. Denn – bis auf Autofokus, Motiverkennung, Dynamik und Tiefe – an der Fotografie hat sich wirklich nicht mehr viel getan, das wäre auch nicht zu erwarten, die ist physikalisch weitgehend ausgereizt. Das heißt nicht, dass man an den Sensoren nicht noch etwas verbessern kann, aber da braucht es einen Technologiesprung, und den wird man wohl nicht gehen, weil

  • das Auge den Unterschied nicht mehr sehen kann,
  • die Objektive innerhalb ihrer Preisklasse am Anschlag sind.

Das hat man schon gemerkt, als die hochauflösenden Digitalkameras heraus kamen: Die alten Objektive konnten das qualitativ nicht mehr abbilden und nicht mehr der Sensor, sondern das Objektiv war der limitierende Faktor (eigentlich eine blöde Aussage, denn außer 0 kann kein Faktor limitieren, aber eine bessere Formulierung fällt mir gerade nicht ein), oder vielleicht das begrenzende Element. So etwas ähnliches habe ich damals gemerkt, als ich mir eine teure Nikon-Ausrüstung gekauft habe. Da war das Bedürfnis erst einmal gestillt, denn da hatte ich dann das Gefühl, dass nicht mehr die Kamera und das Objektiv die Qualität meiner Bilder begrenzen, sondern mein eigenes Können. Das ist immer viel angenehmer, wenn man sich nicht mit der Kamera rumärgert, sondern man Luft nach oben zum Lernen und Üben hat. Nun hat man die Objektive in den letzten 20 Jahren deutlich verbessert (auch wenn viele auf ihr altes Schätzchen schwören, das sind dann aber meist teure Festbrennweiten, und wenn man es überprüft, haben die meist auch nur ihren „sweet spot“ und nicht die durchgehende Qualität), aber schon jetzt sind Objektive dadurch oft zu teuer geworden (etwas paradox, denn die Chinesen werfen spottbillige Festbrennweiten mit mittlerer bis guter Qualität auf den Markt). Mehr geht gerade nicht mehr, ohne die Preise explodieren zu lassen und die Dinger praxisuntauglich zu machen, weil sie zu empfindlich werden. Fotografie ist ungefähr so ausentwickelt wie der Verbrennungsmotor: Theoretisch geht noch was, aber das würde zu teuer und zu kompliziert, das lohnt sich nicht mehr. Die Sensoren von hinten zu belichten war noch eine tolle Idee, aber das war es erst einmal.

Dagegen hat sich bei den Kameras, besonders den Sensoren, viel getan, was Video angeht. Beispielsweise war die Verlagerung der Autofokus-Phasensensoren vom Kameraboden/Spiegel in den Sensor keine einfache Aufgabe, und die Verbesserung der Auslesegeschwindigkeit zur Reduzierung des Rolling-Shutter-Effekts – oder wie bei der Sony A9-III, dessen völlige Eliminierung – sind schon tolle Sachen. Verbesserungen der Fotografie wie hohe Bildrate und das bei kontinuierlichem Autofokus sind eigentlich nur Fortschritte der Videotechik.

Umso interessanter ist es, dass heute rum ging, dass Nikon – vorbehaltlich der Zustimmung der Kartellbehörden – den amerikanischen Kamerahersteller Red übernimmt.

Red dürfte den meisten unbekannt sein. Die machen hochwertige digitale Filmkameras für Kinoproduktionen, stehen technich in Konkurrenz etwa zur Arri Alexa. Faktisch eher nicht so, weil die Red einen etwas moderneren, kontrastreicheren Look liefert, kleiner und billiger als die Arri ist. Für große Produktionen mit Geld nimmt man oft die Arri, während die, die auf as Geld achten müssen, aber moderner daherkommen, die Red verwenden.

Und Nikon hat jetzt Red, also einen Hersteller von Kino-Kameras, gekauft.

Was mich persönlich wahnsinnig ärgert. Nicht, weil ich denen das nicht gönne, aber Red war ein Unternehmen eines Einzelunternehmers, das hat ein Mann aufgebaut (und jetzt verkauft). So etwas wie Red (USA, 2005 gegründet) oder Blackmagic Design (Australien, 2001 gegründet) hätte ich auch gerne gebaut. Das hätte mir Spaß gemacht. Das Wissen dafür hätte ich gehabt, Informatik, Bildverarbeitung und Kameratechnik, rechtzeitig da wäre ich auch gewesen, aber den Lebenslauf hat man mir vermurkst.

Was aber ganz klar zeigt:

Fotografie ist zwar nicht ganz erledigt, aber weg von Platz 1, wie Opa erzählt vom Krieg.

Video ist das, was läuft.

Fotografie ist im Prinzip nur noch ein Video aus nur einem Frame. Und das sage ich nicht nur so, moderne Fotodatenformate wie webp und avif sind ja nichts anderes als Videokompressionsverfahren auf ein Einzelbild angewandt.

Jetzt bin ich mal gespannt, was Nikon mit und aus Red macht. Ob das gut geht, und was daraus wird.