Ansichten eines Informatikers

Verschlüsselungstechnik

Hadmut
3.3.2024 16:16

Ein Fundstück in Sachen Bundeswehr.

Aus einem Artikel im Focus zum aktuellen Taurus-Fuckup:

„Zu Zeiten des Kalten Krieges galt auch in Deutschland beim Umgang mit streng geheimen, sicherheitsrelevanten Informationen: ‘Vorsicht, Feind hört mit!'”, sagt Gerhard Conrad, einstiger Top-Agent des Bundesnachrichtendienstes (BND) zu FOCUS online. “Der katastrophale Vorfall um das Taurus-Leak gerade in dieser Phase des Ukraine-Krieges zeigt, wie gravierend es ist, sich über Jahrzehnte von dieser Devise verabschiedet zu haben.“

“Das ging über Jahrzehnte so”

Conrad machte für die Panne eine inzwischen „alte Mentalität“ in der Politik verantwortlich, die nach dem Ende des Kalten Krieges immer stärker militärische Sicherheitsstandards abgebaut habe. „Technisch ist eine kryptierte Kommunikation mit höchsten Sicherheitsstandards überhaupt kein Problem”, so der Ex-BND-Agent. “Andere Armeen in der Nato beweisen dies, sie haben diese Standards aufrechterhalten.“

Viel zu lang seien entsprechende Anforderungen zur Materialbeschaffung aus der Truppe an Verteidigungsministerium und Bundesregierung mit Kommentaren abgetan worden wie: „Wer bitte in Friedenszeiten denn so etwas kaufen und bezahlen?“. Der pikante Vorfall um eine theoretische Lieferung von deutschen Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine zeige auf schmerzhafte Weise, wie sehr sich diese Politik nun räche.

Seit wievielen Jahren beschreibe ich das hier auf dieser Webseite, dass man in den 90er Jahren die Kryptotechnik an den deutschen Universitäten erledigt hat und die IT-Sicherheits-Professuren – auch mit Einfluss von BND und NSA zum Zweck universeller Abhörbarkeit – mit Quacksalbern und ahnungslosen Quotentussis besetzt hat?

Ach ja, seit ziemlich genau 25 Jahren.

Ich hatte doch erzählt, dass in meinem Grundwehrdienst (1985/86) noch das Prinzip der „Funkdisziplin“ hochgehalten wurde. Ein falsches Wort und man bekam schon richtig Ärger. Da gab es aber den kalten Krieg und die Bedrohung durch den Warschauer Pakt noch.

Ich hatte doch mal die Schote erzählt, wie ich bei einer Nato-Übung den Funk des Bataillons lahmgelegt hatte. Eigentlich war die Kompanie im Sommer immer dicht und alle in Urlaub. Nicht im Jahr 1986, weil es da ein paar wenige Abiturienten gab, die studieren wollten, unter anderem ich, und die beantragt hatten, den Urlaub auf das Ende der Wehrdienstzeit zu legen, um das Studium zum WS 1986/87 aufnehmen zu können. Das führte dazu, dass die Kompanie formal gesehen nicht geschlossen wurde, sondern offen blieb, und nur die, die dann studieren gingen, in der Kompanie blieben. Außerdem kamen in der Zeit Neue aus der Grundausbildung, und ich als damals „höchster“ Dienstgrad in der Kompanie (Obergefreiter) hatte den Auftrag, die in Empfang zu nehmen. Ich, höchster Dienstgrad im Laden. Naja, fast. Ein Stabsfeldwebel, Chef einer nichtexistenten Geisterreservekompanie oben in der Dachkammer bekam den Auftrag, für uns den Reservechef zu spielen, gab aber nur einen einzigen Befehl aus: „Macht, was Ihr wollt, aber lasst mich in Ruhe!“ Und ward nicht mehr gesehen.

Im Prinzip haben wir also gar nichts gemacht. Es gab aber einen NATO-Übungsalarm. Und weil die Kompanie ja formal nicht geschlossen war, bin ich eben – an Stelle der gesamten Kompanie mit Waffen und LKW – mit meinem VW-Iltis, dem Funkgerät und dem Kradmelder als Beifahrer alleine ausgerückt und habe irgendwo tief im Wald die Kompanieposition für den Ernstfall hinter einer einsamen Gaststätte bezogen. Antenne raus.

Als dann der erste Ruf des Bataillons mit der Eröffnung der Funkerei kam (geht immer so, Chef von det janze muss das mit Schlüsselworten erst einmal aufmachen, bevor man funken darf, und dann melden sich der Reihe nach alle Teilnehmer, also die Kompanien, mit ihrem Tarnnamen und Schlüsselworten), habe ich mich völlig korrekt und ordnungsgemäß angemeldet. Es kam die Aufforderung zu wiederholen. Ich wiederholte. Es kam das Schlüsselwort, den Funkverkehr sofort total einzustellen und zu schweigen, Feind hört mit. Kein „Danisch, bist Du das?“ oder sowas.

Kurz darauf kam der Kommandeur in seinem tarngrünen Passat angebraust, guckt mich entgeistert an, und ich brav Meldung gemacht, zweite Kompanie in Urlaubsreststärke vollständig angetreten. Ich, ein Gefreiter und mein Auto.

Sein Mund sprach „Gut gemacht“, sein Blick sprach „Was für ein Idiot“, er musste ja zugeben, dass wir uns richtig verhalten hatten, weil die zweite Kompanie formal gesehen nicht abwesend und ich nun einmal der höchste Dienstgrad war. Formalrechtlich damit also das Kommando übernehmen durfte, musste, sollte.

Das Problem daran war, dass die anderen im Bataillon dachten, die Kompanie wäre geschlossen, und deshalb dachten, dass wenn die sich meldet, sogar dann, wenn es sich nach Danisch anhört, das ein Test von ganz oben sein müsse, ob sie auch aufpassen und richtig reagieren, wenn am Funk was faul ist, und deshalb einen Mords-Schreck bekommen hatten, und dachten, die NATO prüfe sie gerade, ob sie alles richtig machen. Gottogottogott, jetzt bloß keinen Fehler machen!

Befehl, sofort zu verschwinden und sich aus dem Funk rauszuhalten.

So pingelig waren die damals 1986.

Dann kam mein Informatikstudium, und solche Dinge wie PGP oder die Verfahren, die wir da entwickelt haben, etwa auch mein verschlüsseltes Telefon, und dann eben das Ding mit der Promotion, wo sie mich, und zuvor auch schon andere abgesägt haben, und man die Kryptoforschung in Deutschland weitgehend beerdigte.

Der Standpunkt war, dass man Verschlüsselung und IT-Sicherheit a) nicht mehr brauche und b) auch nicht mehr will, weil man ja alles mithören können will und soll.

Und als ob das noch nicht schlimm genug war, hat man dann auch noch eine Ursula von der Leyen, die unter krankhaften Überwachungszwang leidet und am besten gleich alles verbieten und filtern und jeden auf seine Gesinnung prüfen können will, also die Verschlüsselungsgegnerin schlechthin, zur Verteidigungsministerin gemacht, wo sie dann gegen Männer, Rechte, unerwünschte Meinungen kämpfte.

Man dachte, militärische Gegner und Spionage gibt es nicht mehr, dafür aber jede Menge „Rechter“ und unerwünschter Meinungen, gegen die man vorgehen will, und wofür alles abhörbar sein muss.

Und das Ergebnis haben wir nun vorliegen. Die Quintessenz politischer Dummheit.

Als hätte man Angela Merkel durch den Entsafter gejagt.