Ansichten eines Informatikers

„Säule Nr. 1, bitte!“

Hadmut
20.10.2023 16:14

Das ist mir bisher auch noch nicht passiert.

Ich war gerade tanken. So an der Tankstelle. Halt so den Tank vollmachen lassen, hier machen das ja die Tankwarte. Und weil während der Öffnungszeiten mit normalem Bezahlen im Laden. (Außerhalb der Öffnungszeiten benutzt man Tankautomatensysteme.)

Noch schnell einen Blick auf die Säule geworfen. Nr. 1. Betrag so 48 irgendwas, die Cent habe ich mir nicht gemerkt.

Ich komme rein und gehe an die Kasse.

„Guten Tag, Säule Nr. 1 bitte!“

Sie guckt mich an, als wäre ich Graf Dracula bei Sonnenschein.

Das könne nicht sein, sagt sie, ich solle nochmal prüfen, an welcher Säule ich war.

Ich bekräftige, dass ich mir da sicher sei, ich hätte extra geguckt und zeige auf mein Auto. Da steht es, diese Säule. Sie guckt erst ungläubig, dann so „Verdammt, das ist Säule 1“.

Irgendwas nicht in Ordnung mit Säule 1?

„Die Lady, die gerade eben raus ist, hat Säule 1 schon bezahlt!“

Oh, eine Betrügerin? Tut so, als ob sie bezahlt, bezahlt aber die Rechnung eines kleineren Autos?

Nein, meinte sie, Betrug sei es sicher nicht, denn es sei gerade nur noch eine Säule offen, und die betrage 50 Euro. Das müsse sie gewesen sein. Sie kann sich gerade noch erinnern, dass sie für Säule 1 48 Euro und irgendwas gezahlt habe, das sei ein zu kleiner Differenzbetrag für Betrug (eine Ansicht, die ich nicht teile, denn wenn sie eine Betrügerin war, hätte sie die Anzeige meiner Säule nicht sehen, aber einfach raten können, dass ich mit meinem relativ kleinen und sparsamem Auto eine vergleichsweise niedrige Rechnung haben werde und einfach darauf spekulieren können, aber das will ich hier und jetzt nicht ausdiskutieren), es war wohl einfach eine Verwechslung.

Was nun aber tun?

Die Kassensoftware ist nicht in der Lage, das Problem aufzuklären oder zu korrigieren. In dem Moment, in dem für eine Säule bezahlt wurde, ist der Vorgang weg, kann nicht mehr angezeigt werden. Weder sie noch ich wissen, wie hoch der Betrag genau war, aber beide sind wir uns sicher, dass 48 Euro und irgendwas an Cent. Sie telefoniert, anscheinend mit dem Chef. Nein, das Problem lässt sich nicht beheben.

Der einzige Ausweg sei, erklärt sie unter permanenten Entschuldigungen und dass es ihr leid tue, dass ich jetzt einfach die Rechnung der Dame mit Karte bezahle, also 50 Euro, und sie mir dann 2 Euro in bar aus der Kasse zurückgibt. Einen anderen Weg gebe es nicht.

Klar, kein Problem, wegen 2 Euro mache ich da jetzt keinen Bürgerkrieg. Ich habe ja auch keinen Nachteil außer einer nicht ganz exakten Rechnung, die dann vielleicht noch die falsche Sorte zeigt.

Aber wie man eine Software für Tankstellen schreiben kann, die schon mit einem so relativ naheliegenden und leicht passierenden Vorgang so außer Tritt kommt, das wirft Fragen auf.

Andererseits könnte man natürlich die Frage stellen, ob es nicht besser ist, wenn es ist, wie es ist, weil man das ja dann, wenn die Software solche Fälle abhandeln könnte, seinerseits wiederum für Betrugsmaschen ausnutzen könnte, etwa indem man nach dem Weggang eines Kunden, der korrekt eine kleine Rechnung bezahlt hat, einfach nur so tut, als hätte er betrogen, und einem Komplizen die teuere Tankrechnung gegen die billige austauscht.