Ansichten eines Informatikers

Ist die Letzte Generation eine kriminelle Vereinigung?

Hadmut
23.9.2023 12:38

Nur mal so eine Frage.

RBB24:

Nach Angaben der Berliner Staatsanwaltschaft hat sie bislang 2.458 Verfahren gegen Angehörige der “Letzten Generation” eröffnet. In 74 Fällen liegt inzwischen eine Gerichtsentscheidung vor.

2.458 Verfahren.

Strafgesetzbuch (StGB)
§ 129 Bildung krimineller Vereinigungen

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.

(2) Eine Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,

1. wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat,
2. wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder
3. soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten nach den §§ 84 bis 87 betreffen.

(4) Der Versuch, eine in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar.

(5) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern der Vereinigung gehört. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Zweck oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet ist, in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, b, d bis f und h bis o, Nummer 2 bis 8 und 10 der Strafprozessordnung genannte Straftaten mit Ausnahme der in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h der Strafprozessordnung genannten Straftaten nach den §§ 239a und 239b des Strafgesetzbuches zu begehen.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung nach den Absätzen 1 und 4 absehen.

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter

1. sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder
2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können;

erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.

Wenn man das so liest, würde man doch meinen: Ja. Die Letzte Generation ist eine Vereinigung, deren Zweck oder zumindest tatsächlich Tätigkeit die Begehung von Straftaten ist. Sie organisieren das ja regelrecht und begleiten das durch Medienaktivitäten. Und Nötigung wird mit bis zu 3 Jahren bestraft, liegt also über der Schwelle von 2 Jahren.

Die Legal Tribune Online dazu: Berlin sieht in Letzter Gene­ra­tion keine kri­mi­nelle Ver­ei­ni­gung

Die Letzte Generation ist keine kriminelle Vereinigung. Zu diesem Ergebnis kommt die von der Berliner Justizsenatorin in Auftrag gegebene Prüfung zur Einstufung der Aktivistengruppe. Mehrere Länder sehen das allerdings anders.

[…]

Dass diese Aktionen regelmäßig den Straftatbestand der Nötigung (§ 240 StGB) erfüllen, haben Gerichte in der Vergangenheit mehrfach bestätigt. Auch eine mögliche Rechtfertigung der Aktivisten wird ganz überwiegend verneint. Eine organisierte Gruppe also, die wiederholt Straftaten begeht – ist das eine kriminelle Vereinigung gemäß § 129 Strafgesetzbuch (StGB)?

Im Mai bat Felor Badenberg, die gerade frisch ihr Amt als Justizsenatorin in Berlin angetreten war, um eine rechtliche Prüfung dieser umstrittenen Frage. Zuvor hatten die Berliner Strafverfolgungsbehörden den Anfangsverdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung abgelehnt. Die nun vorliegende Prüfung ergab, dass diese Einschätzung nicht zu beanstanden gewesen sei, so ein Sprecher der Justizverwaltung. Eine nähere Begründung zum Ausgang der Prüfung unterblieb zunächst.

Andere Bundesländer, andere Einschätzungen

Im benachbarten Brandenburg ist man anderer Meinung. Die dort aktuell laufenden Ermittlungen gegen die Letzte Generation wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gaben den Anlass für die Prüfung in Berlin. Auch das Landgericht Potsdam hatte einen Anfangsverdacht gesehen, dass es sich bei der Klimagruppe um eine kriminelle Vereinigung handeln könnte. Diese Entscheidung aus Brandenburg sei aber nur bedingt auf die Situation in Berlin anwendbar, hieß es nun von der Justizverwaltung in Berlin. Eine andere Bewertung sei nicht ausgeschlossen.

Auch im Süden Deutschlands geht man von dem Vorliegen einer kriminellen Vereinigung aus. Auf Grundlage des Anfangsverdachts hatte das Amtsgericht München vor etwa zwei Monaten bundesweite Razzien angeordnet, bei denen auch die Webseite der Aktivistengruppe beschlagnahmt wurde. In einem vorverurteilenden Warnhinweis, der kurze Zeit später wieder entfernt wurde, machte die Generalstaatsanwaltschaft München deutlich, dass die Letzte Generation ihrer Ansicht nach eine kriminelle Vereinigung darstelle.

[…]

Thomas Fischer vertritt in seiner LTO-Kolumne eine differenzierte Auffassung. Der Gesamtzusammenschluss der Aktivistengruppe stelle demnach wohl keine kriminelle Vereinigung dar, für Teile der Klimagruppe könne aber etwas anderes gelten, so der ehemalige BGH-Richter. In einem Streitgespräch mit Fischer positionierte sich Prof. Matthias Jahn, Universitätsprofessor in Frankfurt am Main und Herausgeber der Zeitschrift “Strafverteidiger” gegen die Einordnung der Letzte Generation als kriminelle Vereinigung.

Schwer zu bewerten, denn man bekommt ja keine Begründung. Dieser „Journalismus“ kommt ja immer nur mit „Der X meint das, und der Y meint anders“.

Man darf gespannt sein, wie das weiter eskaliert.