Ansichten eines Informatikers

Wuppertal, 23. Oktober

Hadmut
22.9.2023 12:05

Vom Brennpunkt der Digitalisierung in Deutschland.

In Wuppertal liegen 14.000 nagelneue Laptops und Tablets seit neun Monaten ungenutzt rum, weil die Schulen es nicht auf die Reihe bekommen, diese einzurichten.

Wenn diese nicht bis zum 23. Oktober an Schülerinnen und Schüler ausgegeben sind, müssen 9 Millionen € Fördergeld an die EU zurückgezahlt werden.
[…]

Stimmt das? Wohl schon, irgendsowas in der Art zumindest muss da sein.

Die Frage, die sich mir da stellt: Wenn es sonst keiner hinbekommt, warum lässt man es dann nicht die Schüler machen?

Möglicherweise ist das aber die falsche Frage, eine aus den letzten Jahrzehnten. Man weiß ja heute auch nicht mehr so genau, ob die Schüler noch lesen können.

Würde mich aber schon näher interessieren, woran es da hängt. Die einen sagen, die Lehrer bekämen das nicht hin, auch weil sie für sowas keine Zeit haben, es wäre sicher aber auch nicht deren Aufgabe. Die andere Frage wäre, was die darunter verstehen, „einzurichten“. Bei Notebooks und bei Tablets. Von wegen Betriebssystem, Anwendung und so weiter. Was das eigentlich werden soll.

Für Tablets fällt mir da jetzt auch nicht viel ein, ist auch unklar, was für welche die da haben.

Aber für PC gibt es Systeme und Methoden, mit denen man – per PXE – eine große Zahl von Rechnern automatisiert mit Software bestücken kann, je nach Betriebssystem, versteht sich. Warum setzt man die nicht ein? Damit immerhin schon mal etwas drauf ist und die Rechner verteilt werden können? Wir machen das in der Industrie doch ständig, dass wir massenweise Rechner installieren und mit Software befüllen, automatisiert. Wieso sitzen die nun da und müssen jeden Rechner einzeln von Hand betüddeln?

Warum überhaupt gibt es „Schulsoftware“, mit der sich vermutlich irgendwer eine goldene Nase verdient hat, wenn sich keiner Gedanken gemacht hat, wie man die auf einen großen Haufen von Rechnern drauf bekommt?

Ich hatte das neulich schon mal erwähnt. Ein richtig toller Ansatz wäre es gewesen, mit der Technik, die man heute für viele Betriebssysteme zum robusten, fehlerresistent, atomaren Update per Image verwendet (z. B. ChromeOS, Ubuntu Core, Fedora CoreOS), eine Schulversion baut, vielleicht gestaffelt nach Grundschule, Unter-, Mittel-, Oberstufe (oder zum Umschalten), und das dann im Stil wie Google mit seinem ChromeOS aufzieht, dazu so eine Art kleiner Appstore für den Schulkram und digitale Schulbücher, Unterrichtsmaterial auf Video und so weiter.

Da hätte man richtig was aufbauen und hinstellen können. Das könnte man so richtig affengeil machen. Ideen jede Menge.

Im Prinzip hätte man sich sogar mit anderen Ländern zusammentun können, denn – wie in den Linux-Derivate und etwa bei ChromeOS leicht zu sehen – kann eine einzelne Software für verschiedene Länder leicht angepasst werden, ohne separate Software zu brauchen. Das Grundproblem ist ja dasselbe für alle. Und dann macht man halt verschiedene Stores für die verschiedenen Unterrichtsmaterialien und Jahrgangsstufen.

Damit könnte man dann auch Zusatzangebote liefern, beispielsweise Sprachlernprogramme wie Deutsch für Araber, in denen die Erklärsprache arabisch – oder was auch immer – ist, oder Erklärvideos, was wir hier anders machen und so weiter. Oder ukrainischen Unterricht für ukrainische Kinder. (Was ist da eigentlich der Status? Werden ukrainische Kinder, wie das zu Kriegsbeginn mal angefangen wurde, von ukrainischen Lehrerinnen auf ukrainisch unterrichtet, um nach dem Krieg wieder in die Ukraine zu gehen, also ihre Schule nur mal kurz zu uns auszulagern, oder bleiben die jetzt hier und lernen Deutsch?) Das wäre so richtig toll, da mal eine Schulplattform als Betriebssystem anzubieten, und das – wie bei ChromeOS – gleich für Notebooks und Tablets.

Aber erstens würde es dauern, das hätte man vor Jahren angehen müssen. Ich würde das jetzt als 3-bis-5-Jahres-Projekt einstufen, falls man genug Geld und taugliches Personal hat, um überhaupt eine allererste Version zu bekommen, und das auch eher, wenn man auf bestehende Methoden aufsetzt.

Und zweitens ist das mit unseren Politikern und Hochschulen nicht mehr zu machen. Wir sind als Land viel zu blöd dafür. Da hatten wir dann eine „Digitalstaatssekretärin“, die von Flugtaxis faselt. Jede Menge Laien und „Quereinsteiger“. Wetten, dass die Politik nicht versteht, wovon ich hier gerade rede?

Drittens würde jeder Versuch, so ein Projekt aufzusetzen, sofort dadurch zerstört, dass man irgendwelche Parteibonzen und Quotenfrauen ins Fell gesetzt bekommt. Es würde genauso wenig funktionieren, wie Universitäten heute noch funktionieren. Viele OpenSource-Projekte wurden ja per „code of conduct“ und so weiter zerstört. Die linke Schneise der Zerstörung.

Also sollen sie halte die 9 Millionen zurückzahlen, die Rechner verschrotten und die Digitalisierung aufgeben. Und sich eher die Frage stellen, wieviele der Schüler noch lesen können.