Ansichten eines Informatikers

DDR-Putsch? Schachzug Schabowski

Hadmut
6.7.2023 16:54

Ein Leser pflichtet mir bei.

Hallo Herr Danisch,

wie schon Adolf Tegtmeier sagte: Was man nicht weiss, das muss man sich erklären.

Im nachhinein betrachtet glaube auch ich, dass es mit der Wiedervereinigung angefangen hat. Damals habe ich mich gewundert, dass plötzlich überall DDR-Politiker wie Pilze aus dem Boden schossen. Ich hatte mir das damit erklärt, dass man den Eindruck vermeiden wollte, die DDR wäre von der Bundesrepublik “übernommen” worden und deshalb die DDR-Politiker “rangelassen” hat. Heute vermute ich etwas anderes. Ich glaube, dass die “versehentliche” Grenzöffnung durch Schabowski in Wahrheit volle Absicht und ein genialer Schachzug war.

Die Stasi hat gesehen, dass die DDR pleite und am Ende war. Mit den alten Herrschaften war kein Staat mehr zu machen. Deshalb hat sie die Flucht nach vorne angetreten. Die Bundesrepublik hat immer verlangt, man solle die DDR-Bürger ausreisen lassen. Die haben sich gesagt: wenn wir schlagartig die Mauer öffnen können die nicht sagen: Moment mal, so war das aber nicht gemeint!

Gleichzeitig haben sie ein Heer von Maulwürfen losgeschickt. Und einer hat es sogar zur Bundeskanzlerin geschafft.

Jetzt haben wir wieder eine Einheitspartei, Blockflöten und eine Gesinnungsdiktatur. Wir haben immer mehr Planwirtschaft und das Politbüro redet von Enteignungen. Die aktuelle Kamera heisst jetzt Tagesschau. Jetzt lebt die DDR 2.0 von der Substanz der Bundesrepublik, wird am Ende aber genauso wie die DDR 1.0 pleite gehen.

Wie Imad Karim in seinem Film (https://www.youtube.com/watch?v=onkgPTPnNPc) sagt:

Denn dann sind wir endlich alle gleich
gleich arm, gleich hungrig und alle gleichermaßen verzweifelt

viele Grüße,

Ja.

So sehe ich das auch.

Wobei es natürlich ein Brüller wäre, wenn der wichtigste Satz zum Untergang der DDR (ich denke, Schabowski „ab soforŧ“ ist wichtiger als Genscher „ihre Ausreise“) ein Fake, eine Massenverarsche wäre.

Guckt mal, wie der am Ende bei der Frage nach der Mauer grinst. Man könnte fast glauben, dass der sich freut, dass das funktioniert hat und alle nur staunen und keiner fragt. Man könnte fast glauben, dass die Frage des Journalisten, ab wann das gelte, abgesprochen oder zumindest von ihm so provoziert war, bis endlich einer fragt.

Wenn das absichtlich inszeniert war, um die Stampede auf den Westen loszutreten, bevor der Westen und die eigenen Grenztruppen sich wehren konnten, wäre das ein beachtliches Manöver gewesen.

Und ich kann mich noch erinnern, dass im Fernsehen kam, wie DDR-Grenzer damals mit ihren Umhänge-Schreibflächen versuchten, diese Visa auszustellen und nach kurzer Zeit aufgaben, weil der Ansturm überhaupt nicht zu bewältigen war, und einfach die Tür aufgemacht haben. Da wurde ja berichtet, dass an irgendeinem Übergang der Diensthabende dort „eigenmächtig“ geöffnet habe, und damit eine Katastrophe vermied, aber man kann sich schon fragen, ob ihm da nicht gesagt wurde, hör mal, Genosse, wir können in dieser schwierigen Lage keine Eskalation und keine schlimmen Bilder im Westfernsehen gebrauchen. Wenn hier viele kommen, dann geht Ihr aus dem Weg. Und das ist geheim, das sagst Du keinem.

Wobei ich dann vermuten würde, dass Honecker und Mielke davon nichts wussten, und da im Prinzip die zweite Reihe gegen die erste geputscht hat. Es war ja durchaus kein Geheimnis, dass das Duo Honecker/Mielke selbst in der SED als senile Betonschädel aufgefasst wurden. Nuschel-Erich. Direkt absetzen konnte man die nicht, und die haben bestimmt nicht eingesehen, dass es mit der DDR nicht mehr weitergeht. Die zweite Reihe, und Schabowski und Genossen waren ja nicht doof, wird das ziemlich gut verstanden haben, dass die DDR wirtschaftlich am Ende ist. Ich war von 2003 bis 2007 in Dresden, und fand da noch die Infrastruktur an vielen Stellen sehr gruselig. Kurz nach der Wende war ich privat mal in der Gegend um Erfurt, und um 2000 beruflich mal in Leipzig und mal auf dem Land. So blind kann man eigentlich gar nicht gewesen sein, dass man nicht gesehen hätte, dass die DDR am Ende war und aus eigener Kraft nicht mehr weiterkam. Und mit den Sowjets sah es ja auch nicht besser aus.

Es wäre absolut logisch und folgerichtig, dass da eine zweite Reihe, die realistischer als Erich&Erich waren, sich überlegt hat, wie es weitergehen soll, und die Gelegenheit vielleicht nicht unbedingt inszeniert, aber die Gelegenheit am Schopfe ergriffen hat. Und es gab ja damals auch Berichte, dass Volkspolizei und NVA und was sie sonst noch alles hatten, einsatzbereit war, aber in den Kasernen blieb, der Befehl so lautete.

Es würde mich nicht wundern, wenn die meisten Leute der Stasi davon auch nichts wussten, und nur ein ganz kleiner Teil eingeweiht war, und der Sturm auf die Mauer, vielleicht sogar der von Westen mit den Mauerspechten, von Stasi-Agitateuren angezettelt wurde – dass die sich damit selbst angegriffen haben.

Im Prinzip ein Putsch.

Aber einer, der damals als solcher nicht erkennbar war.

Es wäre interessant zu wissen, ob es da in der SED in der zweiten Linie hinter Honecker und Mielke eine Reihe gab, die sowohl mit den beiden, als auch mit den Zuständen und der Mauer nicht einverstanden war.

Viele der Bonzen werden darüber sauer gewesen sein, aber man hat ihnen einen Plan vorgelegt, und sich dann systematisch in den Westen reingefressen, um ihn von innen zu übernehmen.

Denn dann könnte es sein, dass die strammen Sozialisten und Kommunisten, all die SED-Profiteure, die das nicht wollten und überrumpelt wurden, dann anfingen, sich erst einmal am Westen gesundzustoßen, sich zu renovieren, und dann einen 10-, 20- und 30-Jahresplan in Angriff nahmen.

Ähnlich dürfte das mit Gorbatschow gelaufen sein, nur dass der in der ersten Reihe saß. Von Honecker hielt der wohl auch nicht viel.

Putin dagegen dürfte eher zu den Überrumpelten gehört haben, die nun versuchen, die Sowjetmacht wieder zu errichten.