Ansichten eines Informatikers

Was kostet ein Twitter-Account?

Hadmut
2.7.2023 22:41

Leser fragen – Danisch schätzt Pi mal Daumen.

Ein Leser fragt an:

Hallo Herr Danisch,

Dienste wie Google oder auch Twitter sind ja nicht für jeden kostenlos, die Werbekunden zahlen ja durchaus nennenswerte Beträge. Ich fände es daher eine interessante Frage – wenn Twitter, Google, Facebook etc. werbefrei wären und sich allein durch Nutzerbeiträge finanzieren würden, wie teuer müssten sie dann sein? Intuitiv würde ich die Kosten pro Nutzer beispielsweise für einen Microblogging-Dienst sehr niedrig (centbereich) schätzen. Aber das ist halt rein intuitiv – eventuell können Sie ja fundierteres dazu sagen.

Für E-Mail Dienste (hotmail/gmail) kann ich als Vergleich angeben daß mein Provider für eine .de Domain nebst E-Mail Betrieb (25 Konten) 49 cent im Monat nimmt (wenn man die 25 ausnutzt also nicht mal 2cent pro E-Mail Empfänger). Und es wird noch günstigere Anbieter geben – besonders wenn man keine eigene Domain braucht.

Viele Grüße

Das ist gar keine einfache Frage.

Zumal man sich nicht einfach am nächstbesten Fald-Wald-und-Wiesen-E-Mail-Provider orientieren kann, weil man nicht weiß, wieviel Aufwand der treibt, ob der Backup, Rechenzentrum, Redundanz und so weiter treibt.

Twitter ist durchaus kein einfaches Ding, weil man es nicht wie Mail leicht parallelisieren kann. Habe ich eine Million Mail-Kunden, kann ich ohne weiteres 1000 Server mit je 1000 Benutzern hinstellen, die unabhängig voneinander funktionieren. Twitter ist aber jeder-mit-jedem. Das ist von der Daten- und Suchstruktur weitaus komplexer.

Ein Mailsystem muss auch nicht sehr reaktiv sein. Mail an sich ist sowieso asynchron, das merkt man normalerweise nicht, wenn eine Mail einige Sekunden später eintrudelt (wenn nicht gerade einer am Telefon sagt, ich schicke Dir eine Email … ist sie schon da?), außerdem greifen viele über einen IMAP-Client zu, der Mails zwischendcached oder im Hintergrund in Ruhe runterholt.

Twitter muss im Prinzip für die ganze Kundschaft Kapazitäten bereit halten, egal ob gerade eingeloggt oder nicht, auch wenn rund um die Welt ein Teil der Kunden immer schläft (Zeitzonen). Wenn irgendetwas passiert (Anschlag 9/11, irgendwo Terror, Krieg in der Ukraine,…) stürzen sich urplötzlich alle auf Twitter und wollen die Videos sehen. Das heißt, dass die Infrastruktur immer in der Lage sein muss, auch mit sehr vielen Nutzern und sehr vielen Meldungen gleichzeitig klarzukommen.

Und dann hätte man es gerne mit hoher Schwuppdizität. Wenn man irgendwas sucht oder scrollt, möchte man es gerne schnell und sehr flüssig haben, das darf nicht ruckeln. Dazu müssen Videos transkodiert werden und Webseitenbilder geholt werden. Dazu noch die Tests auf Kinderporno und die ganze Sperradministration und so weiter und so fort.

Unterschätzt das nicht.

Ich habe jetzt keinen Schimmer, wieviel das kostet, weil ich deren Hardwarekosten nicht kenne, nicht die Energie-, die Gebäude- und die Personalkosten. Weiß ich alles nicht. Ich weiß auch nicht, was die an Zinsen, Steuern, sonstigen Abgaben zahlen. Billig ist das aber sicher nicht, was die da machen.

Es ist durchaus personalintensiv, sie haben sehr hohe Verfügbarkeitsanforderungen. Ein Mailserver kann problemlos für Wartungsarbeiten mal ein, zwei Stunden runterfahren. Twitter mal 10 Minuten weg, oder auch nur eine, das wäre eine Katastrophe. Zwei Stunden gar?

Und dann müssen die ja auch noch ihre Soft- und sogar Hardware selbst entwickeln.

Plus die ganzen Quoten- und Gerechtigkeitsballastmitarbeiter.

Es würde mich keineswegs wundern, wenn das in einer Größenordnung von 2 bis 5 Euro oder Dollar pro Benutzer und Monat liegt, und sowas würde ich auch schätzen, und auch höhere Beträge würde ich bei überschaubaren Benutzerzahlen für möglich halten, auch 10 Dollar.

Twitter hat 362,4 Millionen.

Solche Rechenzentren kosten einige Millionen im Monat. Allein schon der Hardware-Verbrauch. Ich weiß nicht, wieviele Rechenzentren die betreiben, aber auch da würden mich Kosten von 100 Millionen pro Monat und darüber, auch von einer Milliarde pro Jahr, nicht so wirklich überraschen.

Und wenn ich jetzt mal google, dann liege ich mit meiner Schätzungen wohl gar nicht so falsch, denn nicht nur kosten die neuen Accounts je nach Leistung 5, 8 oder 11 Dollar pro Monat, Musk hat ja auch die Anordnung herausgegeben, die jährlichen Infrastruktur-Betriebskosten um eine Milliarde zu senken. Demnach müssen sie bei mehreren Milliarden liegen. Und das wäre, auch wenn ich es kaum abschätzen kann, keineswegs überraschend für mich. Und wenn ich bei 362,4 Millionen Benutzern 2 Dollar pro Monat schätze, komme ich in diese Größenordnung.

Eine Pfennigangelegenheit ist es jedenfalls nicht. Die Größenordnung ist Dollars pro Kopf und Monat.

Und das würden Linke nicht zahlen.