Ansichten eines Informatikers

Einer der genialsten Namen der gesamten Marketinggeschichte

Hadmut
26.6.2023 15:40

Wisst Ihr, was mich äußerst beeindruckt?

Die Wahl des Namens „Titanic“.

Je mehr ich darüber nachdenke, der Name ist einfach genial.

Eigentlich war das Ding ja Mist, ein lausiges Produkt, wäre nach 100 Jahren keiner Erwähnung mehr wert, und die Meere sind voll von Schiffswracks. Trotzdem ist das Ding in aller Munde, ein Mythos ohnegleichen, ständig in den Medien, der Film darüber auf Platz 4 der erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Die Nachrichten berichten, wenn es neue Fotos gibt, die Wissenschaft befasst sich damit. Es gibt Vereine, ganze Ausstellungen mit altem Porzellan und geborgenen Klobrillen. Leute riskieren ihr Leben und zahlen Vermögen, um einen Haufen Schrott zu sehen. Man kommt von den Ding einfach nicht los.

Ja, natürlich, ein zentrales Element ist die Hybris, das totale Versagen. Wäre das Ding erst auf der zehnten Fahrt gesunken, hätte kein Hahn danach gekräht. Aber sie als unsinkbar auszugeben, und dann auf der Jungfernfahrt so jämmerlich abzusaufen, das ist was.

Und dann der Luxus und der Reichtum.

Eines der ersten Schiffe der Neuzeit des 20. Jahrhunderts. So an der Schwelle zum modernen Schiff, kein Schaufeldampfer mehr. Mit Stil, Männer mit Bärten in adretten Uniformen, Frauen mit Hüten und in eleganten Kleidern, und noch drei Klassen, auch die Armen. Das Drama, die Tragödie, das Gute zu wollen, sich zu freuen, im Luxus zu schwelgen, und in die Katastrophe, den kalten Tod gerissen zu werden.

Dass das Ding auch nicht etwa nur in 100 Metern tiefe oder wie die Costa Concordia knietief liegt, sondern an einem geheimnisvollen, finsteren, stillen Ort, an den nur wenige gelangen, und wo man das Schiff nicht in seiner Gesamtheit, in der Totalen sieht.

Kein Drehbuchautor hätte es besser schreiben können.

Wobei ich mich noch erinnern kann, dass das Ding in meiner Kindheit zwar bekannt war, aber nur am Rande ewähnt wurde, weil man ja nichts darüber wusste. Wurde ja erst 1985 gefunden.

Eigentlich hatte es auch gar keinen interessiert. Dass man das Ding gesucht und gefunden hat, war ja eigentlich ein Fake, nur Tarnung, denn eigentlich suchte man nach zwei verlorenen Atom-U-Booten, wozu die Suche nach der Titanic als Tarnung und Deckmantel herhalten musste. Hätte man die zwei U-Boote nicht verloren, hätte wohl auch keiner mehr nach der Titanic gesucht. Und dass jetzt noch auf so tragisch-dramatisch-unterhaltsame Weise noch ein U-Boot namens Titan dort absäuft, als hätte die Titanic ein Ei gelegt – großartig, dramaturgisch vom Besten, als würden die Profis sich darum kümmern, das Ding in der Öffentlichkeit zu halten.

Das Genialste daran ist und bleibt aber der Name.

Titanic.

Stellt Euch mal vor, das Ding hätte „Gisela“ geheißen. „Eusebia“. „Kunigunde“. „Sonnenaufgang“. Oder sowas wie „Costa Concordia“. Oder „AIDA“. Keine Sau würde sich dafür interessieren.

Queen Mary oder Britannia, es gab auch eine Britannic, wären etwas besser, aber nicht von dieser Wirkung. Oder auch ihr nahezu baugleiches Schwesterschiff, die Olympic. Besser, aber das hätte nicht so funktioniert. Obwohl die Schiffe praktisch baugleich waren, könnt Ihr Euch den Film „Titanic“ als „Olympic“ vorstellen? Oder „Gisela“?

Freilich gibt es eine Wechselwirkung. Unter Mary, Britannia oder Britannic, auch Olympic, denkt man immer noch an irgendetwas anderes, die Königin, Britannien, die olympischen Spiele, den Olymp. Die Begriffe kann man nicht ohne weiteres umbelegen.

Aber Titanic ist einzigartig, weil man nicht mal an das Metall Titan denkt, sondern an Titanen.

Und dann noch dieser Klang. Titanic.

Das Wort an sich ist schon eine Sensation. Was wäre der olle Kahn ohne seinen Namen?

Ich bin tief beeindruckt davon, was für eine sagenhafte Wirkung dieser Name hat. Mir fallen wenig, eigentlich keine Namen in der Geschichte der Marken- und Produktnamen und der Werbetechnik ein, vielleicht gerade noch Coca-Cola oder McDonalds, aber das auch nur entfernt, die eine solche Wirkung entfaltet haben, für ein Produkt, dass es kaum gab und das offensichtlich nichts taugte, und trotzdem noch über 100 Jahre später eine derartige Faszination ausstrahlt.