Ansichten eines Informatikers

Der Zusammenhang zwischen Kommunikation und Hierarche

Hadmut
21.6.2023 16:49

Ein Lehrer schreibt mir.

Zum Artikel von vorhin „Schämt Ihr Euch nicht?“

Ich bin Lehrer an einer Berufsschule. Wir haben neben den normalen Berufsausbildungsgängen viele verschiedene Schulformen parallel laufen, unter anderem auch Migrantenklassen. Dort sind Jugendliche mit arabisch-islamischen Hintergrund häufige Gäste, aber auch viele Kosovoalbaner. Kurz gesagt: Ich stimme Ihrer implizierten Hypothese zu, die Sie am Ende des Artikels in Form der offenen Frage formulieren.

Mein persönlicher Senf dazu: Mein Erfahrung ist, dass deren Kommunikation und persönliche Interaktionen in der Regel auf Aggression und Dominanz beruhen. Für diese Jugendlichen stellt sich das einfach als die natürliche Art und Weise des Umgangs dar. Diese Aggression kann verschieden ausgedrückt werden, sei es durch direkte Einschüchterung, aber auch durch stichelnde Witze, Körpersprache und / oder physische Handlungen. Damit wird immer auch die lokale Hierarchie verhandelt. Wer auf Aggression verzichtet oder auf offene Aggression nicht ebenfalls mit offener Aggression antwortet, wird nicht ernst genommen und rutscht in der Hierarchie nach unten.

Ein Lehrer, der in der (Aggressions- und Dominanz-)Hierarchie unter den Schülern steht, wird nicht respektiert und von ihm wird nichts angenommen. Das wäre eine Selbsterniedrigung. Will man also mit denen arbeiten, muss man derjenige sein, der Aggression ausübt und somit dominant ist. Mich erinnert das häufig an das Verhalten von Rudeln von Straßenhunden: Wer ist der Top Dog und wer ist untergeordnet? Nachdem die Hierarchie hergestellt ist, wird von Jedem erwartet, sich entsprechend seiner Stellung zu verhalten. Wir als Gesellschaft haben uns diese evolutionären Verhaltensweisen möglichst abtrainiert, möchten grundsätzlich gewaltfrei kommunizieren, flache demokratische Hierarchien haben, “Ich-Botschaften” senden und auf Individualismus und Freiwilligkeit statt auf Zwang setzen. Wir blicken auf solch “archaische” Verhaltensweisen eher herab und glauben sie überwunden. Das verstehen diese Jungs aber häufig einfach nicht. Für die stellt sich das so dar, dass wir uns generell einfach unterordnen, weil wir uns dieser Aggression entziehen und lieber deeskalieren und die Straßenseite wechseln, als “das Revier” zu behaupten. Das sind zwei Rudelmechaniken, die miteinander inkompatibel sind.

Das ist meiner Meinung nach das Problem dieses jungen Mannes und da bin ich voll bei Ihnen: Es geht um die Dominanzhierarchie, deren Aushandlung wir uns verweigern und uns damit in seinen Augen allesamt unterordnen und ehrlos zeigen. Dafür, dass wir so einfach das Feld räumen und uns so leicht selbst erniedrigen und betrügen lassen, dafür sollen wir uns schämen.

Zitat: “Dann sind wir jetzt in der Übergangsphase von „das wird sicher lustig“ zu „das ist aber lustig“ angekommen.”
Ich erlebe die Reibung zwischen den zwei inkompatiblen Wertevorstellungen jeden Tag. Die Konfliktlinie läuft direkt durch meinen Berufsalltag und ich bin genauso pessimistisch wie Sie, was unsere Zukunft angeht.

Ja.

Exakt das, worüber ich seit Jahren schreibe. Kann man in der freien Natur vielfach beobachten.

Die Rudelmechanik im Hirn. Es gibt irgendeinen Bericht, in dem ein Mann, der ein Wolfsrudel hält, praktisch wortgleich berichtet, wie dieses Rudel funktioniert und was er tun muss, um von denen akzeptiert und anerkannt zu werden. In dem Moment, in dem einer der Wölfe ihn in Frage stellt, ihn zu verdrängen oder zu zwicken versucht, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich mit voller Kraft auf diesen Wolf zu stürzen, ihn richtig zu beißen, bis es ihm weh tut, Schmerzen zuzufügen, bis dieser die Unterwerfungsgeste zeigt.

Eine gar nicht unähnliche Beschreibung gibt es in einem Youtube-Video, das ich irgendwann mal im Blog hatte, in dem einer erklärt, wie er ungezähmte, wilde Pferde in kurzer Zeit und gewaltfrei zähmt und dazu bringt, sich reiten zu lassen. Was er dabei ständig zeigt und immer, immer wiederholt, ist, dass er dem Pferd ständig demonstriert, dass er hier der Chef ist und die Flanke des Pferdes ihm zu weichen hat. Es geht eine ganze Weile nur darum, dass er sich in der relativ kleinen, engen, kreisrunden Koppel nach Belieben bewegt und das Pferd ihm immer zu weichen und auszuweichen hat. Mit der Flanke, den Hinterläufen. Bis das Pferd akzeptiert, dass er hier der Chef ist. Damit schikaniert er das Pferd noch ein bisschen hin und her, und stellt dann als Friedensangebot immer engeren Kontakt her, bis das Pferd ihm vertraut und sich in der Hierarchie unterwirft.

Ich habe im Blog oft erzählt, warum ich den Gender-Kram für völligen Quatsch halte, weil ich als Jugendlicher mal mitgeholfen habe, Hühner aufzuziehen, die wir nur als befruchtete, aber unbebrütete Eier bekommen und in einem Brutapparat („Kunstglucke“) ausgebrütet hatten. Die Tiere hatten niemals in ihrem Leben andere Hühner gesehen von denen sie auch nur irgendwie ein Verhalten hätten abschauen oder lernen können. Ich kann es ihnen auch nicht unbewusst selbst beigebracht haben, weil die als Küken alle gleich aussehen und ich nicht weiß, wie man die unterscheiden kann (schwierig, kann man nur mit sehr viel Übung), die dann aber in so eine Art Vogelpubertät kommen und innerhalb kürzester Zeit völlig unterschiedliche Gefieder und vor allem völlig unterschiedliche Verhaltensweisen und auch deutlich unterschiedliche Körperformen ausbilden. Woher wissen die, wie Männchen und Weibchen auszusehen und sich zu verhalten haben, wenn man völlig ausschließen kann, dass sie das irgendwo erlernt oder abgeguckt haben könnten? Warum sitzen die Hähne im Morgengrauen auf dem Misthaufen (Kompost), und krähen aus Leibeskräften, obwohl ihnen das nie einer gezeigt hat, und warum tun die Weibchen das nicht, obwohl die Männchen es ihnen jeden Tag vormachen? Das ganze Gender-Ding ist völliger Schwachsinn und Menetekel der Dummheit und Unwissenschaftlichkeit der Soziologie durch die Marxismus-Einflüsse.

Was ich nur selten erwähne, ist, wie die Hühnerzucht endete.

Mein Vater wurde irgendwann übermütig. Wir hatten über Jahre immer schöne, gesellige Hühner und mehr als ausreichend prächtige Eier. Kleiner als die aus dem Supermarkt, weil es ja Zwerghühner waren, aber dafür mehr. Die waren fleißig. Und besser. Gartenkräuter, niedrig hängende Kirschen, glückliche Hühner. Zwerglachshühner. Kleine, lustige, friedliche, umgängliche, liebe Hühner, untersetzt, behäbig, gemächlich, können nicht gut fliegen, mit Mühe und Anlauf kommen sie über den Gartenzaun, scharren gerne und treiben sich gerne im Unkraut herum, liegen gern in der Sonne und legen fleißig Eier. Sehr unkompliziert und einfach lieb. Zuchttechnisch ein Zierhuhn, praktisch ein Nutzhuhn. Schmecken tun sie auch.

Meinem Vater wurde es zu langweilig und er kam auf die Idee, eine eigene Rasse zu züchten. Ziel und Namen hatten wir nicht, irgendein Danisch-Huhn halt, das sonst keiner hat.

Eines Tages also kam er mit einigen Hühnern einer anderen Rasse an, Russische Orloffs. Ich fand die von vornherein hässlich, weil nicht die typische Hühnerform hatten, sondern sehr schlaksig, unförmig, aufrecht unterwegs waren, und eigentlich aussahen wie Fremdenlegionäre mit Barett statt Kamm auf dem Kopf. Mit den Viechern ging es nicht gut. Die waren von vornherein, von der ersten Sekunde an hochaggressiv, auch gegenüber dem Menschen, ließen sich überhaupt nicht anfassen, streicheln, aufnehmen, nicht einmal füttern, und haben da sofort ihren Territorialkrieg gegen die braven Zwerglachshühner angefangen. Da war nur noch Terror im Stall und im Garten. Obwohl die Orloffs sogar leichter waren und weniger dran, waren sie viel dynamischer, schneller, konnten schneller rennen und vor allem viel schneller zuhacken. Das war Krieg im Stall, blutige Wunden, bald ein totes Huhn, Eier gab es gar nicht mehr, weil die Orloffs keine und die Zwerglachs keine mehr legten. Schmerzensschreie aus dem Stall, wir mussten die abends mit Gewalt trennen und in durch Maschendrahtzaun getrennte Bereiche packen. Die Zwerglachs waren nicht mehr wiederzuerkennen, nur noch Panik, Stress, Flucht.

Ich hatte damals meinen Vater gebeten, das Experiment abzubrechen, weil die Hühner das nicht verdient haben, nicht mal mehr in Frieden schlafen können, und die Orloffs zurückzugeben, denn ohne Eier könnte das auch mit der Zucht nichts werden. Er wollte es lange nicht einsehen. Als es dann aber auch mal abends im Stall unübersehbar war, dass selbst unsere alten Hühner irreparabel kaputt und völlig verängstigt und nicht mehr zu gebrauchen waren, und wohl nie wieder Eier legen würden, sich auch nicht mehr fortpflanzen könnten, hat er das Beil geholt, sie alle notgeschlachtet, und damit war die Hühnerzucht beendet. Alles tot. Es war übrigens das einzige Mal, dass er die Orloffs überhaupt zu fassen bekam und von sich aus berührte (und nicht von denen gehackt wurde): Beim Schlachten. Man durfte ihn auch nie wieder auf das Thema ansprechen.

Es funktioniert einfach nicht, zwei Rudel mit unterschiedlichem, inkompatiblen Sozialverhalten per Diversität zusammenzupacken. Dieses Rudel- und Hierarchieverhalten ist fest drin, und wenn sich Soziologen und Marxisten dreimal auf den Kopf stellen. Das lässt sich nicht wegfaseln. Diversität kann nicht funktionieren. Nicht, solange wir Hirne haben, die die Evolution entwickelt hat. Und wenn wir andere haben, dann sind wir im Roman „Brave New World“, in dem vor der Geburt der Beruf durch Gaben von Stoffen bestimmt wird.

Was dieser Lehrer mir erzählt, lässt sich exakt so auch im Tierreich beobachten. Wir sind nicht etwas anderes, wir gehören zu den Säugetieren und benehmen uns auch wie sie.

Ihr müsst einfach nur Tieren zuschauen, vor allem denen, die sich gut beobachten lassen, weil sie kürzere Lebenszyklen als Menschen haben. Da lernt Ihr mehr als an allen Soziologiefakultäten Deutschlands zusammen.

Soziologen könnten vielleicht erst einmal damit anfangen, Pflanzen zu beobachten. Das dürfte anfangs schon empirische Herausforderung genug sein.