Ansichten eines Informatikers

Meinungsfreiheit und ihre Grenzen

Hadmut
3.6.2023 12:53

Um mal einen meiner alten Sprüche rauszukramen: Es sind nicht die Maßstäbe, die mich so besonders ankotzen. Es sind die doppelten.

Die Kreiszeitung: Rotenburg: AfD-Kreistagsmitglied Marie-Thérèse Kaiser der Volksverhetzung schuldig gesprochen

Die Sottrumer AfD-Kreistagsabgeordnete und -Kreisvorsitzende Marie-Thérèse Kaiser hat sich der Volksverhetzung schuldig gemacht. Nach der Überzeugung des Rotenburger Amtsgerichts hat die 26-Jährige während ihres Wahlkampfes zur Bundestagswahl 2021 Afghanen pauschal als Gruppenvergewaltiger bezeichnet. Das ist laut dem Vorsitzenden Richter Cordes nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt und stört den öffentlichen Frieden.

Darüber könnte man jetzt diskutieren, ob der Volksverhetzungsparagraph überhaupt verfassungsgemäß sein kann, weil man ja überhaupt nicht mehr weiß, an welche Regeln man sich zu halten hat, weil der so nebulös gefasst ist, dass man nicht vorhersagen kann, was irgendein Staatsanwalt und irgendein Richter darunter verstehen. Da geht es ja nur noch um eine politische Strafverfolgung, um Migrationskritik abzuwürgen.

Was mich daran aber besonders stört:

Mir wäre nicht bekannt, dass jemals ein Migrant oder ein Grüner, einer von der SPD danach verurteilt worden wäre. Immer wieder wird irgendwo behauptet, die Weißen wären alle Rassisten, ausnahmslos, und Kolonialisten, Sexisten, Vergewaltiger. Kartoffeln. Mir wäre nicht bekannt, dass jemals irgendwer dafür verurteilt worden wäre.

Oder wüsstet Ihr von einem einzigen Urteil, in dem jemand wegen einer Aussage über die Deutschen in arabischer oder türkischer Sprache verurteilt worden wäre?

Wir nähern uns dem Punkt, an dem über eine Vergewaltigung zu berichten härter bestraft wird, als die Vergewaltigung selbst. Einen ähnlichen Punkt hat Schweden erreicht, wo man inzwischen für die Anzeige einer Vergewaltigung mehr Ärger bekommt als für die Vergewaltigung selbst.

Es ist im Sinne einer demokratischen Meinungsbildung unbedingt erforderlich, sich diese Einseitigkeit, diese Integration der Exekutive (Staatsanwaltschaften) und Judikative in die Propaganda und den Staatsputsch zu erfassen und zu erkennen, und gegenüber der Rechtsprechung massives Misstrauen zu entwickeln. Unsere Gerichte bewegen sich von den Gerichten im Verfassungssinne weg und zu Propagandagerichten der Parteien hin. Und das hat mit unserer Verfassung dann auch nichts mehr zu tun.

Der Effekt ist nicht neu. Den kennen wir in Deutschland zu Genüge. Aber es ging nie gut aus.

Ich bin allerdings der Meinung, dass dieser Staat nicht mehr zu retten und dem Untergang geweiht ist, es also auf Wahlen und Entscheidungen zumindest im Groben nicht mehr ankommt, höchstens noch für die B-Note bei der Aufführung des sterbenden Schwans. Deshalb kann man mit Wahlen und Meinungsäußerungen nichts Grundlegendes mehr bewirken, es geht eigentlich nur noch um den Unterhaltungswert.

Insofern komme ich zu dem paradoxen und demokratisch entsetzlichen Befund, dass wir über den Point of no return hinaus sind, den Punkt, bis zu dem Meinungsäußerung noch etwas bewirken kann. Zwar ist die Meinungsfreiheit immer noch ein Grundrecht, aber Grundrechte an sich sind schon längst nichts mehr wert und nur noch Rabulistikmunition. Der Verlust der Meinungsfreiheit ist deshalb teilweise verschmerzbar, weil sie ohnehin ihrer Wirkung beraubt ist, etwa so wie bei Meinungsäußerungen zum Kurswechsel der Titanic nach dem Eisberg. Freilich hätte man sagen können, was besser gewesen wäre, aber es änderte nichts mehr.

Für wichtiger als Meinungsfreiheit halte ich inzwischen einen guten Platz auf der Tribüne und genug Chips und Popcorn für die finale Show.

Irgendwann ist nämlich der Punkt erreicht, an dem man an den Gladiatorenkämpfen besser zuschaut als teilnimmt.

Unsere Justiz gehört längst zu den Funktionsbestandteilen einer sterbenden Republik, die ich schon als nekrotisch abgeschrieben habe. Das ist fast nur noch ein Hohn, in dem Gesetze eigentlich nur noch der Stichwortgeber der Rabulistik sind.

Und so sollte man sich immer die Frage stellen, an welcher Position im Gerichtssaal der größte Gegner von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sitzt.