Ansichten eines Informatikers

Zum gesprengten Blogger

Hadmut
3.4.2023 16:59

Ach…

Heute vormittag bin ich auf Twitter noch beschimpft worden, weil ich da einen russischen Zusammenhang – ja, eigentlich noch nicht mal erwähnt, sondern nur – gedacht hatte, sofort warfen mir die üblichen Pro-Russland-Mediasozialisten vor, dass ich verbohrt sei, russophob, weiß der Kuckuck was alles, also ob das von vornherein klar wäre, dass nur die Ukraine Leute umbringe, aber doch niemals die Russen selbst.

Inzwischen tischt RT eine Story auf, dass die Ukraine zwar irgendwie Drahtzieher sei (ohne Beweise), aber dass die Frau, die ihm die Statue mit der Sprengstofffüllung übergeben habe, Darja Trepowa, zum Umfeld von Alexei Nawalny gehöre.

Nach Information, die RT vorliegt, hat Trepowas Vater Schulden für Wohnnebenkosten in Höhe von knapp 190 Tausend Rubel (gut 2.200 Euro nach aktuellem Kurs Stand Redaktionszeitpunkt), hält jedoch gleichzeitig vier PKW. Gleichzeitig scheint Geld – falls Darja Trepowa eine geldwerte Entlohnung für ihre Tat versprochen oder geleistet wurde – nicht das Einzige zu sein, was den ukrainischen Geheimdiensten das Anwerben der Verdächtigten erleichtert haben könnte: Nachrichten, die sie über die Jahre auf VKontakte und teils Twitter (Twitter-Account mittlerweile gelöscht) veröffentlichte, stellen sie als depressive Person dar. So sprach sie mehrfach vom Tod und Selbstmord; als ihr Ehemann das Land verließ, deutete sie an, sie werde nicht mehr am Leben sein:

Also haben sie bisher einfach (noch…) gar nichts, was auf die Ukraine hinweist, aber zumindest mal eine Frau, deren Mann nicht bestreitet, dass sie die Statue übergeben hat, nur dass sie von der Sprengladung darin wusste, die in Moskau wohnt und dem Dunstkreis Nawalny zuzuordnen sei, also eher eine innerrussische Angelegenheit.

Alles, was mit der Ukraine zu tun hat, steht im Konjunktiv. Könnte, würde und so.

Und immer, wenn ich das Wort Russland auch nur erwähne, wird eine Schar von Leuten mit Beschimpfungen bei mir vorstellig. Gerade etwa der:

Man hat Ihnen doch schon mehrfach empfohlen, bei Themen, bei denen Sie nichts wissen, lieber zu schweigen. So z.B. Russland betreffend. Sie machen sich nur lächerlich. Tatarski war nie kremlkritisch und gerade deshalb ist er einem Attentat des ukrainischen Geheimdienstes SBU zum Opfer geworden.

„Empfehlungen“ ist das, was einer Sprengung vorausgeht.

Erinnert mich an BND und CIA in meinem Promotionsverfahren, die auch keine rechtliche Grundlage hatten, einen wie in den USA stummzuschalten, und dann mit anderen Methoden arbeiteten. Anscheinend bekommt man von den Russen auch ein paar „Empfehlungen“, das Maul zu halten, und irgendwann ist man dann weg.

Wobei ich noch nicht verstanden habe, was die Russlandfreunde eigentlich daran stört, wenn ich mich lächerlich mache. Sollte ihnen doch eigentlich zupass kommen, wenn ich lächerlich aussehe.

Die Logik ist natürlich überragend: Tatarski sei nie kremlkritisch gewesen und deshalb muss es einfach die Ukraine gewesen sein. Jeder andere Grund ist ausgeschlossen, auch wenn die, die ihm die Bombe gereicht hat, eine Russin aus Moskau war.

Außerdem würde ich bezweifeln, dass Tatarski nicht kremlkritisch war, wobei ich von kremlkritisch nie etwas gesagt habe. Ich habe von Regierungskritik geredet. Es wurde schon oft berichtet, und zwar auch aus russischen Quellen und über meine persönlichen Informationskanäle mit russischen Sprachkenntnissen, dass selbst die kremlfreundlichen Militärblogger dort inzwischen sehr kritisch über die Militäraktion schreiben. Nicht, weil sie gegen die Aktion an sich wären, sondern weil sie sie für diletantisch halten und niemand damit gerechnet hat, dass es es so viele tote Russen geben würde. Es ist kein Geheimnis, dass selbst die kremlfreundlichen Militärblogger dort einige sehr kritische Kommentare über die tatsächliche Kriegführung und die mangelhafte Versorgung mit Munition, Treibstoff, Lebensmitteln geäußert haben. Und damit macht man sich auch bei den Russen Gegner, die sind nämlich keineswegs alles so kremlorientiert, wie man das gerne darstellen würde. Man kann sich im Russland des Jahres 2023 auch als kremlfreundlicher Blogger (und gerade deswegen) Feinde machen.

Bleibt übrig, dass weder RT, noch der rüpelhafte Leser, der mir da schreibt, den Mord der Ukraine zwar unterstellen, aber bisher einfach gar nichts in der Hand haben außer dem Umstand, dass die es gewesen sein müssen, weil Russen selbst ja kein Wässerchen trüben könnten.

Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass der Kreml inzwischen sogar die treuen Militärblogger loswerden will, weil selbst das, was die berichten, die Regierung schlecht aussehen lässt.

Erstaunlich aber finde ich, mit welcher Intensität man mir unterstellte, für Ukraine und gegen Russland zu schreiben, obwohl ich in der ersten Meldung nur geschrieben hatte, dass ein regierungskritischer Blogger in St. Petersburg in die Luft gesprengt wurde, aber nicht von wem und welcher Nationalität der war.

Ich finde das erstaunlich, mit welcher Intensität mich die Russlandfreunde für etwas angreifen, was ich nicht geschrieben hatte. Anscheinend ist der Wunsch da längst Grundlage der Sichtweise.

Das ginge ja noch, wenn die Leute irgendwas erklären oder begründen könnten. Aber es ist immer nur so substanzloses Geschwätz.