Ansichten eines Informatikers

Auswanderungsland Deutschland

Hadmut
20.2.2023 14:45

Von wegen Einwanderungsland. Ein Auswanderungsland sind wir.

Gerade neulich erst habe ich am Flughafen wieder mitbekommen, dass zwei Deutsche im besten Alter und der Blüte der Leistungsfähigkeit dabei waren, sich für immer aus Deutschland zu verziehen.

Die WELT schreibt gerade: Auswanderung aus Deutschland – „Im erwerbsfähigen Alter und überdurchschnittlich gebildet“

Offiziell ziehen jährlich Zehntausende deutsche Staatsbürger mehr ins Ausland, als zurückkehren. Auswanderungsforscherin Margit Fauser sieht große Lücken bei der Erfassung – und erklärt, wen es wegzieht und aus welchen Gründen. Sie kommt zu einem überraschenden Schluss.

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Margit Fauser: Klar ist jedenfalls, dass die meisten im erwerbsfähigen Alter und überdurchschnittlich gebildet sind. Sie gehen den Schritt in ein anderes Land mehrheitlich aus beruflichen Gründen, was auch die Studien des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung zeigen.

Viele junge Leute studieren vollständig oder einige Semester im Ausland, aber auch Auszubildende zieht es zunehmend in die Ferne. Sie gehen aber meist nur im Rahmen ihrer Ausbildung für einige Zeit an ausländische Standorte. Das können Banken, aber auch Industrieunternehmen sein. Der Großteil der Auswanderung hängt mit der Globalisierung von Arbeitsmärkten zusammen, auch Deutsche nutzen zunehmend die Chancen der transnationalen Erwerbsmobilität. Und viele kehren nach einigen Jahren zurück.

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Fauser: Die Forschung zeigt ziemlich klar, dass die meisten wieder zurückkehren, nur eben nicht im selben Jahr. Man geht ja nicht im Januar und kommt im Dezember wieder zurück. Und dann haben wir das generelle Problem von Wanderungsstatistiken, dass sie das tatsächliche Wanderungsgeschehen nur zum Teil erfassen, weil sich viele Menschen auch gar nicht abmelden.

In meinen Forschungen war etwa jeder zweite befragte Auswanderer noch in Deutschland gemeldet, das ist aber nicht repräsentativ. Nur wer sich abmeldet und für
längere Zeit weggeht, wird gezählt. Deswegen weiß auch niemand, wie viele deutsche Staatsangehörige auswandern.

[…]

WELT: Sie haben sich zuletzt besonders mit Deutschen in der Türkei beschäftigt.

Fauser: Das waren vor allem Personen im Rentenalter, die entweder permanent in Alanya leben oder ein halbes Jahr dort und ein halbes Jahr hier wohnen. Diese Auswanderergruppe gibt oft als Grund das persönliche Wohlbefinden an, eine subjektiv höhere Lebensqualität.

Die viel geringeren Lebenshaltungskosten bedeuten, auch mit einer kleinen Rente mehr Freizeitmöglichkeiten zu haben. Auch klimatische Gründe geben viele an, das warme Wetter tut insbesondere gesundheitlich Angeschlagenen gut.

WELT: Sind darunter viele Türkeistämmige, die nach Deutschland zuwanderten, eingebürgert wurden und dann wieder zurückkehrten?

Fauser: In der Gruppe, in der ich Befragungen durchgeführt habe, gab es keine Personen mit vorgängiger Migrationserfahrung. Ich vermute auch, dass die meisten Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit in der Türkei keine familiären Bindungen in das Land hatten.

Zwar leben laut türkischem Zensus mehr als 300.000 Menschen dort, die in Deutschland geboren wurden; das scheinen aber vor allem türkische Staatsbürger zu sein, denn nur etwa 10.000 deutsche Staatsbürger haben eine türkische Aufenthaltserlaubnis. Allerdings sind diese Zahlen nur ein ungefährer Anhaltspunkt, denn Schätzungen gehen von etwa 100.000 deutschen Staatsbürgern in der Türkei aus.

Das deutet für mich darauf hin, dass man sich gerade etwas vormacht. Man sieht zwar, dass viele „Deutsche“ auswandern, meint aber

  • das sind Studenten, die wieder kommen
  • das sind Rentner, die wegen des Klimas oder kleiner Rente ins Ausland gehen, die wir sowieso nicht (mehr) brauchen und die dann hier eine Wohnung frei machen,
  • das sind formal „Deutsche“, aber in Wirklichkeit Deutschtürken, die eben hier gemeldet sind und dann als Ausgewanderter erfasst werden, wenn sie wieder mal in der Türkei sind.

Das könnte sich aber als Trugschluss erweisen. Das hört sich alles wie Beruhigungsmusik an. So schreiben mir ziemlich viele etwa aus dem Medizinsektor, dass es vielen Ärzten in Deutschland längst zu blöd wird, weil die Gehälter zu niedrig, die Steuern zu hoch, die Arbeitszeiten unzumutbar und die bürokratische Gängelung unerträglich.

Und immer öfter schreiben mir Leser aus dem Ausland, dass sie keine Absichten haben, nach Deutschland zurückzukommen. Und verblüffend oft, dass die Lektüre meines Blogs sie in ihrer Überzeugung bestärkt, dass sie nicht mehr nach Deutschland wollen.

Das könnte noch ein böses Erwachen geben, wenn da alle die, die im Ausland besser verdienen und angenehmere Verhältnisse vorfinden, auswandern. Bei Rentnern mag man das noch vorteilhaft finden, wenn die weg sind und hier keine Wohnungen und Pflegeplätze belegen, aber bei den „Fachkräften“ könnte das irgendwann reinschlagen wie Ärztemangel.

Und was mir schließlich auch immer mehr Leute sagen oder schreiben: Das ist nicht mehr mein Land. Mich verbindet nichts mehr mit Deutschland.