Ansichten eines Informatikers

Die Türkei, das Erdbeben und der Pfusch am Bau

Hadmut
9.2.2023 12:56

Ich hatte gefragt – hier ein paar Antworten.

Ich hatte doch die Frage gestellt, warum beim Erdbeben in der Türkei so viele Häuser eingestürzt sind.

  • War das Beben so stark, dass selbst „erdbebensichere“ Häuser überlastet waren?
  • Waren es gute, aber eben normale, nicht speziell erdbebensichere Häuser?
  • Oder war es, wie eine Türkin oder Türkischstämmige irgendwo im Fernsehen beklagt hatte, massiver Pfusch am Bau?

Zu meiner Verblüffung wurde das Thema schon gestern abend in den Nachrichten aufgegriffen – und vor allem Erdogan angelastet. Wobei man dann nun die Frage stellen kann, ob das Fernsehen da überhaupt sachlich ist, oder wieder nur eine Gelegenheit gefunden hat, Erdogan politisch ans Bein zu treten. Spätestens seit der Ziegenficker-Affäre ist das Verhältnis des deutschen ÖRR zu Erdogan ja ein sehr seltsames, was ich schon in der Causa Deniz Yücel gerade auf den Konferenzen im NDR sehr, sehr merkwürdig, auffällig, dubios, fragwürdig fand.

Es hieß nun, dass es in der Türkei nicht nur unzureichende Bauvorschriften gebe, sondern sehr viele Schwarzbauten ohne Baugenehmigung, die sich nicht einmal an diese zu schwachen Bauvorschriften hielten. Da wird einfach irgendwas hingemurkst, und die Behörden schauen nicht nur weg und lassen das passieren, sondern erteilten vor Wahlen auch noch nachträgliche Baugenehmigungen, damit die Leute dann Erdogan wählten. Erdogan habe die Politik verfolgt (blöde Redewendung, eigentlich falsch, Zeitgeist, Amerikanismus, also nochmal) habe die politische Taktik verfolgt, viel, schnell, billig zu bauen und auf Vorschriften zu pfeifen, und das habe sich nun eben gerächt.

Beachtlich finde ich aber vor allem die Zuschriften, die mich da erreichten, die da haarsträubende Details enthalten:

Ich war zur Zeit des Bebens 1999 mit Hilfsmaßnahmen für speziell Kinder in der Türkei unterwegs. Gebiet [anonymisiert]. Die Hilfsmaßnahmen tun im Moment Nichts zur Sache.

Worum es geht, sind die Bauvorhaben bzw. “Bauqualität”. Die entziehen sich jedem Zugang, wenn man westliche Standards gewohnt ist und auch entsprechend arbeitet. Ich komme ursprünglich aus dem Bausektor. Bei Informationsrundfahrten und vor Ort Inspektionen wurde uns der unvorstellbare Pfusch gegenwärtig, der jeden Rahmen sprengte und bis heute üblich ist.

Da wurden als Beispiel 25 Stock Gebäude auf Fundamenten/Grundmauern hochgezogen, wo im Beton MÜLL, Holz, Schrott, Altglas, Plastik und zu wenig Zement verarbeitet war! … Da gab es groteske Situationen zu sehen, wobei z.B. bei Wohngebäuden Paterre und die darüber liegenden 2, 3 Etagen einfach weg waren, pulverisiert. Und das Restgebäude stand da, scheinbar unversehrt, auf dem Schutt. Heruntergefahren wie eine Fahrstuhlkabine, senkrecht manchmal etwas geneigt. – Einsturzgefährdet. Eine Ruine.

Unser Dolmetscher erzählte uns, dieser Baupfusch wäre normal in der Türkei um den Profit zu maximieren. Die meisten Bauprojekte würden nicht nach Gewerke und den entsprechenden Vorschriften und Regeln realisiert und abgerechnet, sondern als Gesamtpaket, bar jeder Kontrolle und werden dann z.B. als Eigentumswohnungen oder Gesamtes veräußert. Evtl. Kontrolleure werden geschmiert, dass nicht so genau hingeguckt wird. Gerne auch mit einer Eigentumswohnung in den Schrottimobilien. Die werden oft vermietet, und die armen Schweine fahren dann irgendwann zur Hölle. – Egal, Hauptsache es hat sich rentiert.

Nach dem Beben gab es damals eine Riesenprozesswelle, der unvorstellbare Skandal sollte schonungslos aufgearbeitet werden. Etliche Bauunternehmen, Bauträger gingen in den Knast, wurden enteignet. … Wie man sieht mit großem Erfolg. – Nichts hat sich geändert, absolut Nichts! Korruption und endloser Pfusch ohne Ende.

Was wird jetzt wohl geschehen? … Alles so wie damals bis zum nächsten Ereignis. Das wird in Istanbul stattfinden und wird jede Vorstellung und jedes Ausmaß sprengen.

Es ist überfällig, längst. … Bald!

Oder

Aus meiner Erinnerung:

Zum Pfusch am Bau:

Bei einem Erdbeben i.d. Türkei vor vielen Jahren wurde berichtet, daß dort eine beliebte Methode, Geld zu sparen am Bau, darin bestand, leere Kanister mit einzubetonieren. Die so geschwächten Fundamente zerbröselten dann. Vielleicht hat man damals nichts gelernt, vielleicht war das jetzt woanders und die früher dort so erstellten Häuser wurden
eben jetzt “geerntet”.

Zum erdbebensicheren Bauen:

Ich kenne Leute, die vor 30 Jahren nach Tessaloniki gezogen sind, dort ein Haus gebaut haben. Das größte Thema in der Vorbereitung war, daß da nur ja genug Stahl verbaut wurde, weil es dann erdbebensicher sei. Geht schon. Man muß nur wollen, und kostet.

und

Hallo Hadmut

Das Problem ist der salzhaltige Sand, den die Türken direkt an Meeresufern abbauen und dann in Beton verbauen (zuschlagen). Der zugeschlagene, salzhaltige Sand im Zement korrodiert dann die Stähle im Stahlbeton und die rosten vor sich hin. Über Jahrzehnte hinweg.
Einmal schütteln: kaputt.

Habe das in meiner ersten Ausbildung gelernt (Bau-Ing.) und hier noch einen Artikel bei der NZZ darüber gefunden:
https://www.nzz.ch/international/die-tuerkei-hat-aus-dem-erdbeben-von-1999-gelernt-ld.1724774?reduced=true

Wenn man sich die Bilder jetzt anschaut, scheinen sie wo wahnsinnig viel nicht aus dem 1999-Beben gelernt zu haben. Wobei es eine interessante Frage wäre, ob die jetzt eingestürzten Gebäude vor oder nach 1999 genehmigt wurden. Da es ja auch hieß, das gehe auf Erdogans Konto. Der ist aber erst seit 2002/2003 Ministerpräsident/Präsident. Es dürfte also eine zentrale Frage sein, wann diese Gebäude errichtet und wann sie genehmigt wurden. Und ob sie vor oder nach dem Bau genehmigt wurden.

Wenn es tatsächlich so ist, dass die dort beim Fundament pfuschen, indem sie da Müll oder leere Kanister einbetonieren und am Zement sparen, wäre das natürlich ein Hammer. Dann ist es klar, dass so ein Gebäude einstürzt, wenn es mal wackelt. Oder salzigen Sand verwenden.

Dazu kommt, dass das Erdbeben wohl alles andere als überraschend kam. In irgendeiner Sendung hatten sie einen türkischen (deutsch sprechenden) Geologen, ich glaube, ein Professor irgendeiner Uni, der sagte, dass eigentlich alle seriösen Geologen genau davor gewarnt und die Wahrscheinlichkeit als sehr hoch eingestuft hätten. Da war man sich wohl ziemlich einig.

Was ich als Laie da so gar nicht beurteilen kann, mich aber sehr interessieren würde, weil ich das Erdbeben auf Zypern ja neulich noch selbst miterlebt habe: Hätten nicht bereits mit den Beben in Zypern – es gab wohl im Sommer 2022 schon eines, da war ich nur gerade nicht dort, aber die Vorbesitzer der Wohnung erzählten mir, dass es da neulich schon gewackelt habe – und denen zwischen Griechenland und der Türkei die Alarmglocken schrillen müssen, dass die Platten gerade mal wieder durchruckeln?

Ich habe einige Hinweise gelesen, dass das alles bisher nur der Kleinkram war, dass das große Beben erst noch kommt, aber das sehr bald: Anzeichen für heftiges Erdbeben in Istanbul verdichten sich – Top-Geologe warnt: „Es ist ziemlich nah“

Ein Beben dieser Stärke und dieses Ausmaßes droht auch Istanbul. Da sind sich Experten sicher. Die Frage ist nicht ob, sondern wann. Es könnte sich in den nächsten Tagen ereignen oder erst in 20 Jahren. Die Wissenschaftler warnen seit Jahrzehnten. Nach dem jetzigen Erdbeben in der Türkei und Syrien wachsen nun auch in der Millionenmetropole am Bosporus die Sorgen.

Das hat auch mit einem Unglück zu tun, das sich am 23. November 2022 ereignete. Damals bebte im 200 Kilometer östlich von Istanbul gelegenen Düzce die Erde. Dieses Beben sei „eine furchtbar schlechte Nachricht“, sagte damals der renommierte türkische Geologe Celal Sengör. Der 67-Jährige, der auch international großes Ansehen genießt, lehrte bis zu seiner Emeritierung als Professor an der Technischen Universität Istanbul.

Sengör sieht das Düzce-Beben (Stärke 5,9) als Vorboten eines bevorstehenden schweren Erdbebens am Bosporus. Im Anschluss hatte Sengör dem Sender Habertürk gesagt, dies sei „vielleicht die letzte Chance einer Warnung“. Dem Interviewer empfahl er gar: „Ziehen Sie weg aus dem Zentrum Istanbuls!“ Neben Italien und Griechenland ist die Türkei in Europa besonders erdbebengefährdet.

Drastische Worte, von einem, der es wissen muss, und die er jetzt – nach dem Erdbeben in der Südost-Türkei – bei Habertürk wiederholte. „In Istanbul wird es ein Erdbeben geben, das ähnlich heftig wird, wie das jetzige. Unsere anfängliche Schätzung war 7,8 Magnitude“, sagte Sengör. „Es ist ziemlich nah“.

Ziehen Sie weg aus Istanbul.

Nun kenne ich Istanbul nicht persönlich, nur den Flughafen (der ist aber toll), aber klein ist es nicht.

Istanbul hat angeblich rund 16 Millionen Einwohner, also mehr als viermal so viel wie Berlin.

Gut, das kann man jetzt nicht vergleichen, weil in anderen Ländern anders gezählt wird und da oft die Großräume und nicht nur die Städte an sich gezählt werden, und die Warnung des Geologen war ja auch nur, aus dem Zentrum Istanbuls wegzuziehen, aber da braucht man schon ein paar Umzugs-LKW, um Millionen von Menschen umzuziehen. Und wenn Istanbul zusammenfällt, gibt es halt ein paar Tote mehr, dann müssen ARD und ZDF ihre Sondersendungen 10 Minuten länger machen.

Was nun wieder die Frage aufwirft, ob der beschriebene Pfusch am Bau nur in der Provinz oder auch in Istanbul selbst Praxis ist. Ob das da auch alles so einstürzen würde.

Wenn es schlecht läuft, bekommt Erdogan dann doch noch das, was er sich so wünscht, einen Platz in der Geschichte. Allerdings in der Liste der Diktatoren und Despoten, die nach der Zahl der Toten in Millionen sortiert ist, die sie verursacht haben. Um mit Mao oder Stalin mitzuhalten, reicht Istanbul nicht, aber auf die Liste käme man damit schon.

Interessante Frage, wann das große Erdbeben in Istanbul stattfindet.

Vermutlich, sobald alle Ukraine-Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind. Gleich im Anschluss. Weil dann jeder irgendwelche Verwandte oder Bekannte in Deutschland hat, zu denen er dann will oder muss. Oder weil es da schon eine türkische Community und Bauvorschriften gibt.