Ansichten eines Informatikers

Ruppiger Kameramarkt

Hadmut
5.2.2023 16:30

Sie vergraulen ihre letzten Kunden.

Ist Euch mal aufgefallen, dass man immer weniger Leute mit einer Spiegelreflex- oder spiegellosen Systemkamera sieht? Immer öfter sieht man Leute nur noch mit ihren Handys, ab und zu auch mal Leute, die eine ActionCam als Kameraersatz verwenden (was gar nicht mal so schlecht ist, wenn man mit dem Weitwinkel zufrieden ist, die GoPros machen gute Fotos).

Die Fotoabteilungen in den Elektronikmärkten schrumpfen, und sie rutschen ins hintere Eck. Früher noch promiment und groß, sind sie bei Saturn und Mediamarkt am Alexanderplatz nach oben/hinten gerutscht und deutlich geschrumpft. Früher ein Geldbringer, jetzt eher so eine Pflichtübung. Handys und Bluetooth-Lautsprecher haben den Eingangsbereich, und wenn man genau hinsieht, ist der Eingangsbereich sogar leergeräumt, damit man erst einmal in den Laden reinkommt. Früher gingen die Verkaufsregale bis zur Vorderkante.

Nikon hat schon vor einiger Zeit angekündigt, dass sie nur noch höherwertige (=teure) Kameras bauen wollen, und mit dem Wechsel vom F- zum Z-Bajonett ist alles gleich deutlich teurer geworden. Die klassischen 2,8er (14-24, 24-70 und 70-200) sind inzwischen grotesk teuer. Wer soll sich das noch leisten?

Einerseits laufen ihnen längst die Kunden im unteren Preissegment davon, aondererseits schlagen sie die Leute mit ihren Preisen auch gleich in die Flucht. Das ist zwar irgendwo zwangsläufige Folge des schrumpfenden Marktvolumens, aber dann auch irgendwo Herstellerselbstmord. Bei kleiner werdendem Markt, der noch dazu von Corona geplagt wurde, müssen sie ihre Gewinne mit immer weniger verkauften Stücken erwirtschaften, während ihnen gleichzeitig die Produktionskapazitäten und Zulieferer wegbrechen.

Man merkt zudem, dass die Hersteller ihre Produktpalette ausdünnen. Früher haben sie alles selbst hergestellt oder zumindest mit ihrem Logo versehen und unter ihrem Namen verkauft. Da verkaufte Nikon ein Nikon-Mikrofon, auch wenn es schlecht und nicht konkurrenzfähig war. Inzwischen sieht man immer öfter, dass Hersteller sich auf Rekorder, Stativzubehör, Mikrofone von Fremdherstellern setzen, die unter deren Namen oder im Set verkauft werden, und man sich lieber darauf verlegt, mit denen zu kooperieren, damit das gut zusammen funktioniert, als es selbst zu machen. Gerade hat Nikon Blitzgeräte abgekündigt, und es geht das Gerücht, dass es keine neuen Blitzgeräte mehr geben wird, dass sie den Produktbereich der Blitzgeräte komplett anderen Herstellern wie Nissin oder Godox überlassen, und sich nur noch auf ein Kerngeschäft beschränken, das aber richtig teuer machen.

Ich habe mir schon lange kein teures Objektiv, keine teure Kamera mehr gekauft. Kameras, wenn überhaupt, nur noch als Restposten oder Rauswerfsonderangebote, und bei Objektiven habe ich Spaß damit, mir die billigen China-Objektive von 7Artisan, TTArtisan usw. zu kaufen, die zwar meist nur mechanisch und ohne Elektronik, aber optisch im Verhältnis zum Preis oft verblüffend gut sind. Chinesen, Koreaner, Taiwanesen haben gelernt, wie man Objektive baut. Haptisch sehr wertig, fühlt sich manchmal fast wie Leica an, und eine manuelle Scharfstellung macht auch wieder mehr Spaß, wenn man eine spiegellose Kamera mit elektronischer Sucherlupe hat.

Aber, ach.

Die Kamerahersteller stehen im Verdacht, nur für solche Objektive an Dritthersteller Lizenzen zu vergeben (weil sie Patente auf ihre Bajonette und Schnittstellen haben), die ihr Objektivprogramm komplettieren, aber nicht mit ihren konkurrieren. Also nur da, wo sie selbst nichts herstellen wollen.

Das heißt, die Dritthersteller werden dann unterstützt, wenn sie die Hersteller da unterstützen, wo sie selbst nicht leisten können, weil sich Kameras ja auch nur verkaufen, wenn es viele Objektive dafür gibt. Sony hatte lange nur ein sehr dünnes Angebot für das E-Bajonett mit kleinem Sensor, und auch Nikon hat für seine APS-C-Format Kameras Z50, Z30 und Zfc (was effektiv dreimal die gleiche Kamera in leicht verändertem Gewand ist), kaum APS-C-Objektive, was bei Nikon DX heißt, im Angebot. Dafür kommt viel von den China-Herstellern, teils sogar in passendem Silber und Retro-Look.

Aber beispielsweise ein 24-70/2,8 gibt es nicht, obwohl Tamron, Sigma, China die ohne weiteres bauen könnten und das deutlich billiger. Aber man lässt sie nicht, weil man die eigenen überteuerten Objektive verkaufen will.

Gleichzeitig, und das wird im Artikel auch erwähnt, brechen die billigen Modelle weg. Noch vor ein paar Jahren bekam man ab 300 oder 400 Euro eine einfache Einsteigerkamera, aber Spiegelreflex. Zwar mit Plastiggehäuse an Kamera und Objektiv, teils sogar mit Plastiklinsen, aber immerhin. Ein Einstieg ist gemacht. Schön auch für unter den Weihnachtsbaum.

Gibt’s nicht mehr. Bei den Spiegellosen von Nikon fangen die Gehäuse so um die 1000 Euro an, Objektive auch teuer. Und es geht das Gerücht, dass sie die F-Bajonett-Palette komplett einstellen, sobald sie genug Z-Kram im Angebot haben. Canon wohl ähnlich. Sony hat das schon hinter sich.

Man sollte das mal unter kartellrechtlichen Aspekten betrachten, ähnlich wie bei den Druckerpatronen.

Ich glaube aber nicht, dass die noch viel Geschäft machen, wenn man zwischen 1.500 und 5.000 Euro für die Grundausstattung hinlegen muss. Eine Z7II kostet so um die 3.000 und ein 24-70/2.8 so um die 2.000 Euro. Und dann hat man noch keine Speicherkarte, keine Filter, keine Tasche, kein Stativ.

Keine Ahnung, wie die sich das vorstellen, aber ich glaube nicht, dass das so funktionieren kann. Wir haben eine weltweite Inflation, Wirtschaftskrise, Pandemie gehabt, jetzt Krieg, Störung der Transportwege und der Globalisierung. Die Leute haben drastisch weniger Geld, und die Aufmerksamkeit verschiebt sich von Foto zu Video und hält Handy-Videos für qualitativ ausreichend.

Auf Zypern ist das schon richtig schwer, eine Kamera zu kaufen. Die Läden haben in einer Ecke vielleicht ein paar Billigmodelle aus der DSLR-Zeit rumstehen, da läuft aber nichts mehr und wenn die alten Bajonette abgesagt sind, ist es da aus. Man sieht auch kaum jemanden noch mit einer Systemkamera herumlaufen. Explizite Fotogeschäfte gibt es nicht (mehr). Ich hatte welche auf Google Maps gefunden, in Nicosia und Larnaca, wie real aber nicht mehr existieren, man hatte nur vergessen, sie auf Google Maps zu löschen.

Und das Schlimme daran ist:

Ich wäre ja durchaus bereit, ein Stück Geld anzulegen. Ich habe 2009 einiges Geld in die 2,8er gesteckt, und diese Objektive heute noch. Hätte man nicht auf Z migriert (es gibt Adapter, aber das ist nicht toll) wären die noch immer prima drauf, das rentiert sich. Ich fotografiere leidenschaftlich gerne mit einem 70-200/2,8. Aber ich werde nicht nur nicht jünger, und inzwischen ist mir der Krempel zu schwer, sondern ich habe auch Hemmungen, Geld in Nikon zu investieren, weil ich nicht überzeugt bin, dass es die in 5 Jahren noch gibt. Der Schritt der Hersteller auf Spiegellose Systeme mit kleinerem Auflagemaß hat den Vorteil, dass es gerade ganz viele Adapter für alte Objektive gibt. Weil Nikon Z aber das geringste Auflagemaß und einen großen Durchmesser hat, wird man niemals Z-Objektive an einer anderen Kamera verwenden können. Jedes Z-Objektiv ist ein Risiko. Und dafür sind sie einfach zu teuer. Das können sich derzeit nur gewerbliche Fotografen leisten, die genau wissen, dass sie damit soviel Umsatz machen, dass sich das Objektiv innerhalb von ein, zwei Jahren reinverdient hat und kein Langzeitrisiko darstellt.

Die würgen sich gerade selbst ab.

Sony und Canon können sich sowas vielleicht leisten, weil die noch andere Geschätsbereiche haben. Nikon hat zwar auch welche, aber das ist überschaubar.

Und gerade das macht es in der Kombination sehr problematisch, da noch zu investieren.

Nikon macht zwar endlich wieder gutes Zeug. Es gibt Gerüchte, dass Nikon eine tolle neue Z8 produktionsfertig entwickelt hat, und die allein wegen Beschaffungsproblemen der Einzelteile noch nicht veröffentlicht hat, aber die wird, weil oberhalb der Z7II, wohl auch kaum unter 4000 Euro kosten.

Dazu kommt, dass immer mehr Leute sich nicht mehr trauen, in Städten wie Berlin noch mit einer teuren Kamera rumzulaufen.

Ich fürchte, das Thema hat sich mehr oder weniger erledigt.

Es sei denn, die Hersteller von billigen Objektiven raufen sich zusammen und bringen selbst eine Kamera mit offenem Standard (wie MFT) raus. Sigma hat ja schon seit einiger Zeit eigene Kameras, allerdings mit überschaubarem Erfolg.

Ich habe keine Ahnung, wo das hinlaufen könnte. Aber gut sieht es nicht aus. Macht gerade gar keinen Spaß.