Ansichten eines Informatikers

Der wundersame Weg eines Päckchens von China nach Zypern

Hadmut
19.1.2023 14:52

Eine Fehleranalyse.

Gerade auch, weil ich weiß, dass jetzt einige Deutsche und Deutschsprachige mitlesen, die auf Zypern wohnen und mir schon dazu geschrieben hatten.

Ich hatte doch im Zusammenhang mit dem chinesischen Dauerfeiertag erwähnt, dass mir ein Päckchen aus China auf seltsame Weise fehlt. Ich habe doch gewissen Spaß daran, mir diese kleinen, billigen Festbrennweitenobjektive aus Fernost zu kaufen, die gar nicht so schlecht sind (wie sie billig sind), wenn man manuell fotografieren kann, und die erstaunlich oft eine haptische Anmutung Richtung Leica haben. Ein TTArtisan Tilt 50mm f1.4 hatte ich bestellt.

Daraufhin hatte ich viele Mails inhaltlich des Tadels bezüglich meiner Unkenntnis chinesischer Kultur und Gepflogenheiten erhalten. Ob ich denn nicht wüsste, welche tiefe Bedeutung des chinesische Neujahr habe, dass es im chinesischen Arbeitswahn die einzige Möglichkeit sei, mal die Familie zu besuchen oder überhaupt Urlaub zu machen, weil in China mit wenigen Ausnahmen Urlaub eigentlich nicht gäbe. Deshalb sei in der Zeit alles zu und vernagelt, und alle Leute entweder verreist oder beim Feiern. Man hätte was verpasst, wenn man das nicht miterlebe, und ich möge mich darauf einstellen, dass es auch länger als angekündigt dauern könne.

Nein, das wusste ich nicht. Ich war nur einmal eine Woche in Peking, und da kamen mir die Leute als eher zurückhaltend vor. Und angesichts der politischen Lage bin ich mir auch nicht sicher, ob ich nochmal nach China will.

Einige wenige schrieben mir auch aus Zypern mit guten Ratschlägen, gar nicht erst auf die zypriotische Post zu setzen (was ich nicht ganz nachvollziehen kann, bisher war sie aus meiner Sicht zwar nicht perfekt und deutlich verbesserungswürdig, aber besser als so mancher von mir schon bebloggte Paketdienst in Berlin), einer meinte gar, es sei gar nicht möglich, Pakete aus China nach Zypern zu schicken. Was ich allerdings klar falzifizieren konnte, denn ich hatte neulich schon ein Paket direkt aus China erhalten. Und da die Läden hier fast alles „Made in China“ haben, wäre die Frage, wie sonst es wohl aus China kommen könnte. Es gibt hier zwar auch Fälschungen im Handel, mir wäre nicht bekannt, dass inzwischen schon „Made in China“ von Dritten gefälscht würde.

Nun kann das immer mal passieren, dass ein Paket hops geht. Dafür gibt es viele Gründe.

Es kann gestohlen werden. Manchmal klauen Mitarbeiter, manchmal brechen Diebe Lager oder Fahrzeuge auf.

Es kann fehlgeroutet werden.

Es kann der Paketaufkleber abreißen.

Es kann vernichtet werden, weil es nicht mehr transportfähig ist. Da muss nur in einem Paket darüber eine Flasche Speiseöl oder Lackverdünnung auslaufen. Das wird dann nicht gerettet, sondern vernichtet, denn genau dafür hat man Haftungsgrenzen. Die haben nicht die Zeit, das dann zu putzen.

Es wurden auch schon ganze Containerladungen vernichtet, weil sie beim Streik in der Sonne standen und Lebensmittel in den Paketen vergammelten, dass es unzumutbar stank. Und ab und zu fallen auch mal Container von den Containerfrachtschiffen ins Meer.

Und manchmal wird einem, der eines abholt, auch das falsche Paket mitgegeben. Dann ist es auch weg.

Würde mich auch alles nicht jucken. Denn bisher habe ich chinesische Händler als äußerst kulant erlebt und zu meinem Erstaunen schon erstaunlich viel geschenkt bekommen. Zu einem billigen Bluetooth-Kopfhörer aus Plastik hatte ich einen Verbesserungsvorschlag gemacht und als Quittung ein Exemplar des zwei Stufen teuereren Luxus-Exemplars aus Metall und mit Leder geschenkt bekommen und die Frage, ob’s denn da besser wäre. Einen LED-Filmscheinwerfer hatte ich mir gekauft (nicht ganz billig) und da auch irgendein mildes Feedback abgegeben und deshalb einen zweiten dazugeschenkt bekommen. Einmal wurde was zerdrückt geliefert, da reichte ein Handy-Foto des Schadens für eine Neusendung. Bei einem defekten Akkupack war ich dafür mal kulant und habe die aus China zugesandte Ersatzplatine selbst ausgewechselt. Insofern hätte ich da überhaupt keine Bedenken, Ersatz zu bekommen, und selbst im Krisenfall hätte ich noch die Möglichkeit, die Paypal-Zahlung zu stornieren. Und schlimmstenfalls wäre der Preis auch kein Beinbruch.

Mich störte daran aber etwas anderes.

Nämlich dass der chinesische Paketversand (WANB Express) auf seiner Trackingseite ein sehr detailliertes Tracking bis zum Postamt hier in Paphos anzeigte, wo das Paket am 4.1. angekommen sei. Während die Post hier aber behauptete, sie habe gar kein solches Paket. Auch sonst nichts mehr auf meinen Namen. Und die Paketnummer könnten sie gar nicht verarbeiten, die habe einen anderen Aufbau als die üblichen Nummern, die könnten sie nicht einmal zur Abfrage eingeben.

Wie zur Hölle kann aber dann dieses präzise, plausible, anscheinend korrekte Tracking auf der chinesischen Webseite zustande, wenn doch das hier über die zypriotische Post laufen müsste, die aber sagt, sie könnte diese Tracking-Nummer gar nicht verarbeiten. Wie kann es dann zu einem Tracking kommen, das präzise die Schritte in der zypriotischen Post darstellt, was ja als Information nur von eben dieser kommen konnte?

Ich hatte einen Verdacht, nämlich dass sich die Tracking-Nummer unterwegs geändert hat, und die Chinesen das im Tracking nicht mitteilen. Und dass das Paket völlig normal hier angekommen ist, und nur die Kommunikation nicht funktioniert. Warum aber sagen sie dann, dass sie nichts für mich haben?

Ich war schon bei der Postzentrale vorstellig geworden, aber die sagten auch, dass ihnen zu der Trackingnummer gar nichts einfalle.

Gestern am späten Abend meldete sich das Handy. SMS. Es gäbe auf dem Postamt was für mich abzuholen.

Ich also vorhin hin, an den Paketschalter. Nein, sagten sie, da sei ich falsch. Das sei kein Paket, das sei ein Einschreibebrief, da müsste ich an den normalen Postschalter.

Ein Einschreiben? Nach Zypern? Wieder mal eine Abmahnung?

Tatsächlich. Sie haben etwas für mich. Wäre zwar nicht die erste Abmahnung, aber die erste im Würfelformat. Vielleicht ein Do-it-yourself-Pflasterstein der Antifa? Zum Selber-an-den-Kopf-werfen? Oder eine Paketbombe?

Gleich dort aufgemacht.

*Staun*

Das Objektiv. Geliefert wie bestellt.

Fehleranalyse

Was war jetzt eigentlich schief gelaufen?

Beim Versand: Nichts. Das Ding war völlig normal nach Paphos geliefert worden und hier am 4.1. angekommen, wie im chinesischen Tracking angezeigt. Stimmte genau.

Aber:

  • Das Ding war über die Niederlande geleitet worden. In Den Haag hatte das Ding aber nicht nur eine neue Paketnummer bekommen, die der europäischen Syntax entspricht und über die dann auch das weitere Tracking gelaufen war, sondern man hatte auch beschieden, dass das Ding für ein Paket viel zu klein war und einen Einschreibebrief draus gemacht.

    Die Webseite der Chinesen zeigt zwar das Tracking genau an, aber nicht den Wechsel der Trackingnummer. Deshalb kannte ich die Nummer nicht.

  • Bei der Ankunft in Paphos hat man doppelt verpennt, mir eine SMS zu schicken und einen Abholzettel ins Postfach zu legen. Deshalb hatte ich die Abholdaten nicht.
  • Und weil das Ding kein Paket mehr war, sondern ein Einschreibebrief, lag es nicht bei den Paketen, sondern bei den Briefen am anderen Schalter, und deshalb konnte man es nicht finden, als ich nach einem Paket oder Päckchen fragte.
  • Und weil ich es nicht abgeholt hatte (zwar versucht, aber nicht erfolgreich), kam nun nach 14 Tagen (4.1. + 14 Tage = 18.1. = gestern) eine Erinnerungs-SMS.

Das heißt, dass der Versand an sich einwandfrei war, das Tracking auch funktionierte, aber die ganze Kommunikation mir gegenüber eben nicht, und sich verschiedene Umstände dann so ergänzten, dass das Ding für einige Zeit nicht mehr zu finden war. Nur der Umstand, dass eine automatische Erinnerung erfolgt, wenn man es zwei Wochen lang nicht abgeholt hat, führte dazu, dass ich das Ding am Ende doch noch bekommen habe und es nicht retourniert wurde.