Ansichten eines Informatikers

Radfahrer und Straßenverkehrsrecht

Hadmut
9.1.2023 13:11

Aktuelle Diskussion [Update]

Keine Ahnung, wo das ist, aber dem Aussehen der Gegend nach könnte es nach Berlin passen und das Auto hat ein Berliner Kennzeichen.

Drunter gibt es eine Diskussion, wer da gerade Schuld hat. § 9 StVO. Die einen meinen, der Autofahrer muss erst den geradeausfahrenden Radverkehr durchlassen wenn er rechts abbiegt (was er im Prinzip ja aber auch tut, denn er hält ja an), die anderen sagen, dass im Allgemeinen immer der, der auffährt, schuld ist.

Dann gibt es noch die Diskussion, ob der womöglich ein nicht für den Verkehr zugelassenes Fahrrad ohne Freilauf und ohne Bremse hat, weil er nicht aufhören kann, Pedale zu kurbeln. Das gibt das Video an Schärfe nicht her. Schutzbleche scheint er aber nicht zu haben.

Abgesehen davon, dass er zu spät geblinkt hat, sehe ich da jetzt nicht, was der Autofahrer falsch gemacht hat, denn das Video ist aus einem LKW aufgenommen, anscheinend ein Abschleppwagen oder sowas, man sieht ja den Fahrer später in Schutzkleidung. Offenbar ist der Radfahrer rechts neben dem LKW vorbeigeschossen, und war für den Autofahrer vorher wahrscheinlich nicht zu sehen.

Das ist ein Verhalten, das ich in Berlin häufig sehe, dass Radfahrer meinen, alle müssten für sie Platz machen und sie könnten durchheizen, wie sie sollten, bräuchten nie anzuhalten.

Meines Erachtens hätte der Radfahrer sich da nie in dieser Weise bewegen dürfen, mal rechts am LKW vorbei und dann gleich vor dem LKW nach links zu schwenken um den PKW links zu überholen. Einige schimpfen darauf, dass der PKW zu spät geblinkt habe, komischerweise stört sich aber niemand daran, dass der Radfahrer mitten im Verkehr vor dem LKW nach links schert, ohne die Fahrrichtung anzuzeigen. Eigentlich nämlich müssen Radfahrer auch „blinken“, indem sie die Hand raushalten, ich kann mich nur gerade beim besten Willen nicht erinnern, in Berlin schon mal einen Radfahrer gesehen zu haben, der die Fahrtrichtung anzeigt. Die meinen fast alle, sie könnten tun und lassen, was sie wollen, die Straße gehörte ihnen. Und sie müssten für nichts und niemanden anhalten, weil Bremsen und Anfahren ja anstrengt.

Ich kenne so eine Ecke, wo es fast unmöglich ist, sicher rechts abzubiegen: Wenn man in richtung Osten unter der Jannowitzbrücke durchfährt und dann nach rechts abbiegt. Da kommen die Radfahrer auch ohne zu gucken oder bremsen von hinten angeschossen, weil es auch noch abschüssig ist, man kann sie aber im Spiegel oder durch Rumdrehen nicht sehen, weil die Straße gebogen ist. Man hat eigentlich gar keine Chance mehr, gefahrlos rechts abzubiegen, und Radfahrer ignorieren die Gefahr immer. Bremsen, langsam machen, und dann vielleicht noch strampeln müssen, weil man den schön Schwung vergeben hat, kommt da gar nicht in Frage. Die brettern voll drauf los und alle anderen müssen ihnen ausweichen.

Ich denke, um die Lage zu beurteilen, müsste man sich zunächst überlegen, ob der Radfahrer rechts vorbei am Auto geradeaus fahren wollte und vom abbiegenden PKW überrascht wurde (und ob es überhaupt eine Rolle spielte, dass der zu spät blinkte, weil der Radfahrer das eh nicht hätte sehen können), oder ob der Radfahrer sah, dass der abbiegen wollte, aber nicht wartete und anhielt, oder rechts vorbei fuhr, sondern (Berliner Radfahrstil) links am Auto vorbei wollte und davon überrascht wurde, dass der PKW beim Abbiegen anhielt.

Und es kommt auf den Zustand des Rades an, ob das überhaupt verkehrstauglich war, oder ob der vielleicht gar nicht bremsen konnte.

Ich müsste da jetzt auch erst genau nachlesen, aber so aus meinem bisherigen Wissen würde ich zumindest die Hauptschuld beim Radfahrer sehen, weil der in eine unübersichtliche Situation, die er von hinter dem LKW auch nicht einsehen konnte, so reinbrettert, dass er die Kontrolle verliert, zumal das Überholen an unübersichtlichen Stellen ohnehin verboten ist und er auch nicht vor dem LKW nach links hätte scheren dürfen.

Man kann sich drüber streiten, ob der Radfahrer hätten anhalten müssen. Aber er hätte zumindest anhalten können müssen.

Wir haben das im Verkehrsunterricht in der Grundschule noch gelernt, dass man da anhält und eben nicht so fährt, sich da rechts am Autoverkehr vorbeizudrücken.

Ich halte das aber auch generell für sehr gefährlich und unvertretbar, dass die Radfahrer da ständig durch den Verkehr schießen und keine Ritze auslassen, um sich irgendwo durchzuzwängen und vorzudrängeln. Mich stört diese Fahrweise sehr, zumal ich Stellen in Berlin kenne, wo sie auch auf diese Weise mitten durch die Fußgänger rasen, wenn die bei Fußgänger-Grün über den Fußgängerampelübergänge gehen.

Der Schaden dürfte einige tausend Euro betragen. Heckscheibe, Heckklappe, vielleicht Stoßfänger.

Und es sieht fast so aus, als wollte der erst noch zur Unfallflucht ansetzen und einfach weiterfahren.

Update: Verdammt guter Punkt. Ein Leser weist auf § 5 Absatz 8 StVO hin:

Ist ausreichender Raum vorhanden, dürfen Rad Fahrende und Mofa Fahrende die Fahrzeuge, die auf dem rechten Fahrstreifen warten, mit mäßiger Geschwindigkeit und besonderer Vorsicht rechts überholen.

Und auf diesen Zeitungsartikel dazu: Rechts überholen für Radfahrer verboten

“Fahrradfahrer dürfen rechts nur an wartenden Autos vorbeifahren, und dann auch nur zwischen den Fahrzeugen und dem Bordstein”, sagte Roland Huhn vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). […]

Wer etwa vor der Ampel rechts an wartenden Autos vorbeiradelt, darf das, sollte es aber “mit mäßiger Geschwindigkeit von acht bis zwölf km/h und Vorsicht tun”, erklärt Huhn. Dabei seien Autofahrer nicht verpflichtet, eine Gasse zum Bordstein frei zu lassen. […]

Wer als Fahrradfahrer überhaupt in die Verlegenheit komme, ein Auto zu überholen, müsse es links umkurven. “Das dürfen sie allerdings nur bei einer gewissen Geschwindigkeitsdifferenz”, so der ADFC-Rechtsexperte. Diese betrage laut Rechtsprechung mindestens zehn Stundenkilometer – für Fahrrad- und Autofahrer.

Der hätte also gar nicht erst in dieser Weise rechts am LKW vorbeiflitzen dürfen. Nämlich um genau das zu verhindern.

Also genau das, was sie uns damals – vor 50 Jahren! – wie oben erwähnt im Verkehrsunterricht in der Schule schon sagten.