Ansichten eines Informatikers

Von der Schwierigkeit, schöne Weihnachten zu wünschen

Hadmut
24.12.2022 19:31

Da steh’ ich nun, ich armer Tor, und bin mir sicher, ich hab’ was vor. Das Übliche zur Weihnachtsnacht, nur weiß ich nicht mehr, wie man’s macht.

Jo.

Ganz viele Leser schicken mir jede Menge Weihnachtswünsche – allerherzlichsten Dank an alle die schönen Wünsche! – und da geziemt es sich natürlich, auch den Lesern meine Weihnachtswünsche zu entbieten und für sie Besserung in aller Hinsicht zu erbitten.

Das Problem ist, dass mir nichts mehr einfällt, was noch glaubwürdig und nicht abgedroschen wäre.

Wir hatten das dritte Jahr Corona, und sind an dem Punkt angekommen, an dem die Panne, die mal zur Ansprache Merkels passierte, nämlich versehentlich die vom vergangenen Jahr zu senden, gar nicht auffiele, und auch noch passen würde, gäbe es nicht optische Unterschiede zwischen Merkel und Scholz, und von Scholz noch keine Ansprache vom letzten Jahr. Scholz und der Krieg sind das einzige, was uns von einer Wiederholung der letzten Weihnachtsansprache trennt. Man wünscht sich fast schon eine Katastrophe, damit die auch mal was anderes sagen. Es läuft irgendwie auf die Richtung „Same procedure as every year“ hinaus, und das kann man in guten Jahren machen, aber wenn es alles so aus dem Ruder läuft, dann ist das nicht gut, sich zu wiederholen.

Ich bin außerdem weihnachtsgeschädigt, weil ich das als Kind erlebt habe, dass der 24.12. bis 1.1. jedes Jahr rigoros mit allen Ritualen gnadenlos durchgezogen wurden, einschließlich der jedes Jahr neu aufgelegten immer selben Streitigkeiten. Das ging so weit, dass irgendwann, als mal die Zeit fehlte, einen Baum aufzustellen und zu schmücken, ein potthässlicher fertig geschmückter Plastikbaum her musste, den man aus der Packung nahm und aufspannte wie einen Regenschirm. Grottenschlecht, aber als Ritual gnadenlos durchgezogen. Einmal im Jahr so tun, als sei man religiös. Heute habe ich irgendwo gelesen, dass die ganze Story sowieso nicht stimmt, dass Jesus Brüder und Schwestern hatte und in seiner Familie, wie wohl eh schon einen schlechten Ruf hatte, als der Spinner galt, und die Kirche krampfhaft versucht, das unter der Decke zu halten. Es kommt meinem Weltbild aber schon deutlich näher, dass das damals einfach Leute waren, wie sie heute auch rumlaufen. Die Parallelen der Klimasekte habe ich ja schon angesprochen. Die Bibel als das damalige Analogon zum Rundfunk.

Mir kommt das mit den Wünschen gerade so ein bisschen vor, wie auf einem sinkenden Schiff, bei dem man die seltsame Prozedur durchzieht, dass man die Passagiere zu Wasser lässt, dann auffordert, wieder an Bord zu kommen, um es noch einmal zu tun, und beim dritten Durchgang dann sagt „sorry, jetzt sind uns die Rettungsboote ausgegangen“.

Außerdem besteht die Gefahr, dass man sich irgendwann anhört wie Frank Walter Steinmeier, völlig unglaubwürdig im Positiv- und Lobgeseier. Der Übergang zwischen Weihnachtswünschen und der Lüge ist fließend, und der Unterschied zu Fake News liegt hauptsächlich in der Verwendung von Konjunktiv und Futur.

Wie also würde man als Blogger, der das ganze Jahr über über den Zusammenbruch schreibt und sich gerade aus dem Staub macht, schöne Weihnachten und ein gutes Jahr wünschen? Das wäre so ähnlich wie der alte blöde Witz vom Flugzeug, in dem der Kapitän sagt, dass die Triebwerke brennen und der Sprit nicht reicht und unten das Meer ist, „und der kleine rote Punkt da unten, das ist das Rettungsboot, von dem aus ich gerade zu Ihnen spreche“.

Wie also macht man das, als katastrophenchronistischer Blogger, mittendrin dann daherzukommen und zu sagen, das wird alles ganz schön und tolle und freut Euch und so, weil das im Kalender steht und jedes Jahr so ist, auch wenn es die letzten Jahre nicht funktioniert hat?

Man kann ja in diesen Zeiten nicht mal mehr was davon schreiben, dass es mollig warm in der Stube ist, was so üblicher Weihnachtsschmonzes wäre, wenn es gleichzeitig heißt, wir sollten nicht so heizen und Gas sparen, nur ein Zimmer, drei Pullover.

Beim ZDF kommt der Mensch aus der Steckdose. Die werden nicht kommen, weil sie ihre 100 Watt für sich brauchen. Wenn man nämlich zu sechst beisammen sitzt, heißt das, dass die Wohnungen der anderen fünf ganz auskühlen. Mit schlauen Ratschlägen zu Weihnachten setzt man sich der Gefahr aus, zu solchen Schlaubergern mit dazugezählt zu werden.

Plötzlich soll man nur noch das dürfen und bekommen, worauf man ein Grundrecht hat. Was tendenziell schwierig wird, weil Grundrechte Abwehr- und keine Anspruchsrechte sind, während bei feministischen und migrantiven Interessen selbstverständlich alles „Grundrecht“ ist und jeder, der etwas dagegen sagt, sofort ein Verfassungsfeind.

Was wünscht man jemandem, der auf das zusammengestutzt werden soll, was seine Grundrechte sind, wenn Grundrechte für die, die politisch nicht geliebt werden, sowieso völlig wert- und nutzlos geworden sind, unsere Grundrechte nur noch Munition für Einbahnstraßenrhetorik sind?

Welchen Wert haben dann überhaupt noch Weihnachtswünsche? Wenn Wünsche schon generell nichts mehr zählen? Soll man jemandem nun eine warme Stube, eine schöne Reise oder doch nur einfach noch genug zu essen wünschen?

In einer Zeit, in der es schon heikel und fettnapfträchtig ist, den Leuten guten Appetit zum Weihnachtsschmaus zu wünschen ohne zu wissen, wer bei den Preisen noch einen vollen Kühlschrank oder wenigstens ausreichend Klopapier hat?

In einer Zeit, in der jeder, wirklich jeder Wunsch schief gehen und böse ausgelegt werden kann? Oder zumindest alles, was mir jemand anderem zu wünschen in den Sinn käme, irgendwie politisch unkorrekt wäre? In der man am besten wünscht, dass es wieder 2019 wäre? Oder 1999, als es unser größtes Problem war, dass die Computer am Jahr 2000 nicht scheitern?

Mir kommt es so vor, als wären Weihnachtswünsche nur noch so etwas wie der übliche Kitsch an Weihnachtskarten und Christbaumkugeln für an den Weihnachtsbaum. Hier gibt es welche zu kaufen, die man einschalten kann und die dann blinken.

Also denselben Senf wie immer? So wie „ich habe noch Weihnachtskarten von 2015 übrig, die kann ich noch verschicken, da steht keine Jahreszahl drauf“? Tatsächlich habe ich früher mal witzige Weihnachtskarten in der Druckerei drucken lassen, und an alle möglichen Leute verschickt, weil sie drucken zu lassen viel billiger war als sie einzeln im Laden zu kaufen. Wenn man die aber gleich im Stapel bekommt, verliert man den Überblick, wem man welche schon geschickt hat, und wenn sie witzig sind, erinnern sich die Leute auch gleich dran, sie schon mal bekommen zu haben. Also sollen Weihnachtswünsche möglichst phantasielos, monoton, einfallslos sein, damit es nicht so auffällt, dass es jedes Jahr dieselben sind und man sie nach einem Jahr schon vergessen hat und nicht wiedererkennt?

Oder eben doch mal was Neues? Genug zu essen. Geheizte Wohnung. Durchgehend Strom. Internet. Keine zu übergriffige Staatsgewalt. Inflation unter 13%. Werdet nicht ausgeraubt und bestohlen. Mögen die Zinsen unter 100% bleiben. Sowas? Dann vielleicht doch besser eine Packung Nudeln statt Wünsche?

Mir fällt nichts ein, was a) funktioniert, b) nicht lächerlich ist und c) nicht geheuchelt wirkt. Und d) nicht aussieht wie Made in China. Und sich e) nach Danisch und nicht nach Kataloggeschwafel vom Redenschreiber anhört.

Sorry, es tut mir sehr leid, dass ich kein guter Weihnachtswünscher bin. Das liegt mir einfach nicht. Das ist zu weit weg von meiner Realitätswahrnehmung, und eigentlich geht mir Weihnachten sowieso auf die Nerven. Für Kinder ist das schön, aber ich mache mir da überhaupt nichts mehr draus. Und ich will auch nicht wirken wie die Tagesschau. Oder Steinmeier.

Doch, ich glaube, mir fällt was ein.

In einer Zeit, in der es stetig bergab geht, könntet Ihr die letzte Woche des Jahres 2022 genießen. Denn 2023 wird sicher lustig.

Nee, das ist auch nicht gut, das hört sich eher nach Drohung an .

Ich wünsche was anderes.

Wir leben seit Jahren in einem Dauerfeuer aus Schikane, Umerziehung, Vorwürfen, Beschuldigungen, Enteignungen, Reduktionen, Freiheitsverlusten, Zersetzungen. Das macht krank, das macht kaputt.

Ich wünsche den Lesern einfach mal nur ein paar Tage Ruhe. Dass sie einfach mal nur für ein paar Tage davon verschont bleiben, Bürger dieses Staates, Adressat unserer Medien, vom Arbeitsplatz weg zu sein.

Ich wünsche nicht mehr und nicht weniger, als nur für ein paar Tage die Möglichkeit zu haben, ein Mensch zu sein, der in Ruhe gelassen wird, der diesem Dauergeprassel, diesem Dauerfeuer, diesem Politlärm mal für ein paar Tage entkommen kann und seine Ruhe hat.

Ich wünsche nicht mehr und nicht weniger als einfach Ruhe.

Ein paar Tage Ruhe. Die Seele baumeln zu lassen, sich ein wenig zu erholen. Eigentlich kann man sowas nicht wünschen, denn Bescheidenheit ist nur bei Wünschen für sich selbst angebracht, nicht bei den Wünschen für andere, da ist das eher sowas wie Wunschgeiz. Ich tue es aber trotzdem.

Ich wünsche allen Lesern, dass sie sich in ein paar Tagen einfach etwas besser fühlen als jetzt, und mal ein paar Tage aus dem Alarm-, Kriegs-, Bedrohungs- und Feinkontaktmodus rauskommen, einfach mal wieder normale Menschen sein können. Ich wünsche den Lesern für Weihnachten, dass sie wenigstens diese drei, vier oder sieben Tage nochmal das erleben, was wir früher das ganze Jahr hatten. Ein Mensch zu sein und nicht das Vieh, das in der Herde getrieben wird.