Ansichten eines Informatikers

Der Artikel im Karlsruher Insider

Hadmut
27.9.2022 10:50

Zwei Anmerkungen, weil ich gerade so viele Zuschriften bekomme. [Update]

Gerade rappelt’s in der Mailbox und auf Social Media, weil der Artikel aus dem Karlsruher Insider sprachlich und technisch voller Fehler sei.

Zu Ad Blue

Freilich ist das kein Gas, und freilich „braucht“ man das nicht für einen Dieselmotor, weil es ja auch schon vorher Dieselmotoren gab. Das dient nur zur Abgasreinigung.

Was die vielen Schlauermeier und Klugscheißer aber nicht bedenken:

Auch wenn ein Dieselmotor rein technisch kein Ad Blue braucht (als ich Grundwehrdienst bei der Bundeswehr hatte, standen im Schuppen als Reserve noch die ganz alten LKW mit der langen Motorhaube, ohne jede Elektronik, teils nicht mal Elektrik, der Unterdruck auf der Pressluftanlage wurde noch mechanisch angezeigt, manche mit Vielstoffdüse, die mit allem fahren, was brennt), ändert das überhaupt nichts daran, dass ein modernes Dieselfahrzeug, das für Ad Blue gebaut ist, trotzdem nicht mehr fährt, wenn der Ad Blue-Tank leer ist. Weil die Elektronik so programmiert ist, dass sie das nicht zulässt, und moderne Motoren ohne Elektronik nicht mehr funktionieren. (Der LKW, auf dem ich damals meinen Führerschein gemacht habe, konnte das noch. Da konnte man bei laufendem Motor die Zündung abstellen, die ganze Elektrik abschalten, und der Motor lief weiter, bis man ihn mechanisch abdrosselte. Sowas geht heute aber nicht mehr.)

Dazu ADAC:

Wird entgegen der Warnhinweise nicht rechtzeitig nachgefüllt, erlaubt die Motorsteuerung bei vollständig erschöpftem AdBlue-Vorrat keinen Neustart des Motors. Diese Maßnahme ist wegen der gesetzlichen Vorschriften zum Umweltschutz notwendig.

Da könnt Ihr rumspringen wie Rumpelstilzchen und tausendmal brüllen, dass ein Dieselmotor kein Ad Blue brauche, es ändert nichts daran, dass der Motor ohne Ad Blue nicht anspringt, weil die per Gesetz so gebaut sind. Und das kann man auch nicht kurzfristig beheben. Tut mir leid, wenn ich das all den Haarspaltern, Besserwissern und Klugscheißern jetzt mal aufs Brot schmieren muss, aber: So offenkundig fehlerhaft der Artikel auch sein mag, er beschreibt die Lage immer noch zutreffender als Ihr, und vor allem: Er erfasst das Problem. Ihr dagegen habt das Problem völlig verfehlt und würdet im Krisenfall blöd dastehen.

Wer ist besser: Jemand, der das Problem erfasst und erkennt, es aber auch technischer Unkenntnis falsch beschreibt. Oder der, der die Technikgrundlagen kennt, das genau beschreiben kann und verstanden hat, trotzdem aber das Problem überhaupt nicht erkennt und in all seinem Wissen die Problemsituation nicht erfasst, weil er lieber im Kleinen klugscheißt?

Etwa:

“Das AdBlue könnte bald schon knapp werden. Dieses Gas ist wichtig, um Dieselmotoren anzutreiben.

Durch den Mangel an diesem Stoff könnte ein großer Produktionsstopp und eine Unterbrechung der Lieferkette ausgelöst werden. ”

Hi.
Zu deiner Zuschrift: adblue ist selbst kein Gas sondern Harnstoff-Wasser-Gemisch. Durch Gasmangel gibt es Wasserstoffmangel und damit Ammoniakmangel und dadurch auch Mangel an aus Ammoniak hergestellten Chemikalien wie Kunstdünger, Harnstoff etc.
Bei der Dampfreformierung zur Wasserstoffgewinnung fällt auch hochreines co2 als Abfall an, das man in der Sprudelindustrie verwenden kann und jetzt eben auch fehlt.
Wie du siehst hängt das alles zusammen.
Der Mangel an Kunstdünger wird dann bei der Ernte nächstes Jahr verheerende Folgen zeigen…

Nur: Adblue braucht man nicht. Man braucht es nur, um überzogene Umweltvorschriften einzuhalten. Man braucht Adblue nur um die Stickoxidemissionen eines Lkw soweit runterzudrücken dass im Abgas weniger davon drin ist als in der angesaugten Luft…

Auf Adblue kann locker verzichtet werden und in einer Krise sollte man nunmal auf Bullshitvorschriften verzichten um nicht in einen deadlock zu geraten.
Elektronik um die Fahrzeugelektronik auszutricksen um ohne Adblue auszukommen kann man in Rumänien bestellen.

Sollten also wegen fehlenden Adblue die LKWs stillstehen ist das ein Problem unserer Überregulierung und kein technisches Problem.

Das ist dann analog zu den Bundeswehrfahrzeugen die in Afghanistan nicht fahren durften weil die asu abgelaufen war und die asu nur in D gemacht werden konnte und die Fahrzeuge einige Monate lang nicht per Flugzeug nach d transportiert werden konnten um die asu zu machen….

Schön erklärt. Ändert aber überhaupt nichts daran, dass die Diesel ohne Ad Blue stehen bleiben. Was nutzt mir jemand, der mir bis ins chemische Detail und mit jedem einzelnen Paragraphen erklären kann, warum die LKW jetzt Ad Blue brauchen und wofür, und trotzdem nicht merkt, dass das Problem einfach darin besteht, dass wir nicht genug Ad Blue mehr produzieren und deshalb die LKW bald stehen bleiben? Jemand, der genau erklären kann, warum eine Folge eintritt, aber nicht mitbekommt, dass sie aus genau diesem Grund auch tatsächlich eintreten wird.

Sprachliches

Moin Hadmut,

hast du den Artikel mal gelesen? Der ist voller Fehler, da hatte jemand noch Buchstaben über. AdBlue z.B. ist kein „Treibstoff“, „wegen einem weitreichenden Produktionsstopp„ ist falsches Deutsch.

„Das AdBlue könnte bald schon knapp werden. Dieses Gas ist wichtig, um Dieselmotoren anzutreiben.“ Das ist kein Gas.

usw.

Als Quelle nicht tauglich.

Herzliche Grüße

Derselbe Fehler. Wenn ich einmal verstanden habe, dass LKW ohne Ad Blue stehen bleiben, brauche ich keine sprachlich korrekte und zitierfähige Quelle, um das Problem anzuerkennen.

Manchmal habe ich den Eindruck, es gibt Leute, die im brennenden Haus sitzen bleiben, weil der, der ihnen zurief, dass das Haus brennt, dies nicht in fehlerfreiem Deutsch getan hat. Es gibt Leute, die verlassen das brennende Haus erst mit zitierfähiger Quellenangabe dafür, dass es brennt.

Akademische Parallelwelt?

Nachtrag:

Einer schreibt:

Hallo Hadmut,

ein Diesel benötigt kein AdBlue um zu laufen. Man kann den Sensor am Tank suchen und überbrücken, dann ist der Tank immer voll. Es gibt auch jede Menge Dienstleister, die die Abschaltung übernehmen. Der Diesel läuft auch so. Andere Möglichkeit: Den LKW vor Regierungsgebäuden oder Gemeindeverwaltungen parken. Vielleicht wacht dann jemand auf.

Viele Grüße

Ich hätte Zweifel, dass das bei neueren Fahrzeugen auch tatsächlich funktioniert, weil die nämlich nicht nur den Stand im Tank messen, sondern meines Wissens auch die Menge aktiv über Messung steuern und das mitbekommen, wenn da der Tank voll meldet, aber die Wirkung ausbleibt.

Davon abgesehen: Wie lange werden diese „Dienstleister“ wohl brauchen, bis die alle Diesel-Fahrzeuge so manipuliert haben, dass die wieder laufen? Meint Ihr, die machen das dann über Nacht?

Selbst wenn die Fahrzeughersteller selbst ihre eigenen Werkstätten anweisen, die Ad Blue-Systeme zu deaktivieren, wie lange werden die dafür brauchen?

Und glaubt Ihr, dass das überhaupt alle wollen? Dass nicht die eine oder andere Spedition sich einfach weigert, solche Tricks anzuwenden und sich sagt, die Politik solle die Probleme, die sie gemacht hat, selbst lösen?