Ansichten eines Informatikers

Zwei Arten von Fotografen

Hadmut
19.9.2022 10:08

Mal ein Gedankensprung.

Das ist ja auch so eine Diskussion, die es hier immer wieder gibt: Braucht man als Fotograf (mir dreht es immer noch den Magen um, das mit f statt ph zu schreiben, liest sich wie Bilderbaron, seine Durchlaucht, der Graf von Lichtbild) gut Ausrüstung oder nicht?

Ich bin der Meinung: Ja. Viele Leser sind der Meinung: Nein.

Da gibt es den unendlich oft zitierten Spruch, wonach angeblich Helmut Newton einem Koch, der gesagt habe, dass er tolle Bilder mache, er müsse eine gute Kamera haben, geantwortet habe, sein Essen schmecke gut, er müsse gute Töpfe haben. Mal abgesehen davon, dass

  • ich das erstens stark anzweifle und mir die Helmut Newton Stiftung auf Anfrage keine Antwort dazu gegeben hat, ich bisher also keine belastbare Quelle für diese Behauptung habe,
  • zweitens Newton, wenn er das gesagt hätte, damit nur nicht auf die Kamera reduziert werden wollte, aber nicht sagte, dass sie unwichtig sei,
  • drittens Newton noch analog und fotografisch sehr einfach fotografierte, und es damals wirklich nicht auf die Kamera, sondern auf Film und Objektive ankam, die Kamera nur beides zusammenhielt,
  • viertens, sowas wie gute Belichtungsmessung, Autofokus, Farbtreue, Geschwindigkeit, usw. bei Newton keine Rolle spielte und die meisten seiner Bilder auch nicht gerade so knackscharf sind,
  • fünftens Newton in der Position war, nur die Bilder herauszugeben, die was geworden sind, und ohne weiteres 99% Schrott produzieren konnte, ohne dass es außer seiner Frau und seinen Models irgendwer gemerkt hätte, und man nicht weiß, was größer war, sein Talent oder sein Mülleimer,
  • sechstens Newton tatsächlich teure Kameras benutzt hat, und es nicht darauf ankommt, was er gesagt, sondern was er verwendet hat, und es einfach durch und durch blödsinnig ist, auf einen kolportierten Spruch abzuheben statt darauf, welche Kameras er tatsächlich verwendet hat, nämlich Rolleiflex 2,8F, Hasselblad 500, Plaubel Makina 67, also schon mal viel Mittelformat und keinen Kleinbildkram, und dann noch zur Einstellungsprüfung – wie in der analogen Zeit üblich – eine Mamiya Universal Press mit Polaroid back, Newton also entgegen des üblichen Geschwätzes sehr wohl auf gute Kameras achtete,
  • siebtens man beispielsweise bei Karl Lagerfeld sehr gut sehen kann, dass der zwar auch gut fotografieren konnte, aber ganz gewaltig von den Qualitäten und Fähigkeiten der Hasselblad lebte,
  • achtens jeder Koch, wie eigentlich jeder Handwerker, bestätigen wird, dass es auf ordentliche Töpfe (gutes Werkzeug) ankommt, und das Essen (Werk) nichts wird, wenn da Murkstöpfe rumstehen,
  • und so weiter

und es für manche geradezu zur Religion geworden ist, die Rolle der Kamera am Foto wegzudiskutieren wie ein Grüner gegen Autos, ist da gerade ein Artikel zu dem Streit erschienen.

Coming to you from Daniel Norton Photographer, this excellent video essay discusses why photographers should and often do care about equipment. This issue often gets overly simplified and compartmentalized into two extremes: those who chase every new piece of gear and those who think that a good photographer should be able to make compelling images on any equipment. There is some valuable wisdom in the latter sentiment, namely that spending money should not be a way to avoid developing solid technique and a creative voice, but it should not be taken so literally that we never invest in worthwhile equipment that is well suited to our respective specialties. A professional invests carefully in the gear that will help them produce the best results in as efficient a manner as possible; after all, it really is true that time is money, particularly when you run your own business.

Warum ist das aber so, dass da zwei Lager entstehen, die sich streiten?

Könnte es etwas damit zu tun haben, dass, wie man herausgefunden haben will, beispielsweise die Tendenz zu linker oder rechter politischer Position genetisch bedingt ist? Ist das vielleicht eine Ausprägung evolutionär angeeigneter Strategien entweder zur Sesshaftigkeit mit Lager, Ausstattung, Wintervorbereitung, oder zum Nomadentum ohne oder mit „leichtem Gepäck“?

Mir geht schon lange die Frage durch den Kopf, ob diese genetisch bedingte Ausrichtung nach links oder ins Konservative auf evolutionär erworbene Verhaltensweisen zurückgeht, die entweder sesshaft sind und sich auf den Winter und Krisenjahre vorbereiten („Prepper“), indem sie Grund bestellen, Haus bauen, Vorräte anlegen, planvoll handeln, einen Eigentumsgedanken entwickeln, nämlich den Zusammenhang zwischen investierter Arbeit und Ertragsanspruch, und auf der anderen Seite Nomaden, die funktionsgemäß nicht viel Besitz haben können, keine eigenen Felder bestellen oder Häuser bauen, sondern herumziehen und opportunistisch abgreifen (auch stehlen oder rauben), was sie gerade kriegen können, und von anderer Leute Arbeit leben. Mir fällt genau dazu der Kulturclash mit einer gewissen Bevölkerungsgruppe ein, die man nicht mehr nennen darf, auf die das genau passen würde.

Kann es also sein, dass solche Grundhaltungen symptomatisch an solchen Diskussionen, die auf den ersten Blick in keinem Zusammenhang damit stehen und unverfänglich erscheinen, wie die Frage, ob man nun eine gute Ausrüstung haben sollte, oder ob es vielmehr andersherum ist, es auf den Fotografen ankäme, der aus jeder Ausrüstung Wunderfotos zu zaubern hätte, als ob ein unscharfes Objektiv in Meisterhänden plötzlich scharf werden würde (übersetzt: Bei uns kommen die scharfen Bilder aus der Steckdose, deshalb braucht man keinen Besitz) durchscheinen?