Ansichten eines Informatikers

Der Niedergang der Kunst durch Begriffsverschiebung

Hadmut
6.9.2022 13:01

Eine Anmerkung im Nachgang zum Artikel von vorhin.

Weil ich gerade die Anekdote erwähnt hatte, dass ich mal auf einer Vortragsfolie Kryptographie als die Kunst und Wissenschaft von der … bezeichnet hatte, Beth damals hochging und töberte, die Kryptographie sei eine Technik und keine Kunst, und meine Antwort damals (graecum) war, dass Technik aus dem Griechischen von τέχνη kommt und auf Deutsch „Kunst“ bedeutet, washalb ich dann in der Einleitung zur Diss erst mal was über die Etymologie und Bedeutung der Fachbegriffe geschrieben hatte (wovon reden wir überhaupt?), und dass Gender Studies ein Widerspruch in sich sind, weil sie ja bestreiten, dass es ein angeborenes Geschlecht gäbe und es für nur sozialisiert halten, sich aber den Begriff „gender“ aussuchen, der „Geburtsgeschlecht“ bedeutet, und ausgerechnet diese trüben Tassen uns über Sprache belehren wollen:

Ist Euch mal aufgefallen, wie sehr der Begriff der Kunst niedergegangen ist?

Warum kommt der heutige Begriff der Technik vom altgriechischen Wort für Kunst?

Weil die Kunst ursprünglich mal ein Begriff des Könnens war. Der Begriff kommt ja von Kennen und Können, etwas, was Du „kannst“. Lateinisch übrigens ars, wovon das englische Wort art kommt, was ja auch beides meint, etwa “the art of programming”.

Ursprünglich nämlich bezeichnete „Kunst“ etwas, was man beherrscht und es deshalb so machen kann, dass es gut aussieht. Kampfkunst. Handwerkskunst. Kunstfertigkeit. Kunstakademie. Das Gemälde, das gut aussieht, weil der, der es gemalt hat, die – jetzt hätte ich fast schon geschrieben „die Technik beherrschte“, aber das wäre zirkulär – handwerklichen Tätigkeiten beherrschte, die man zum Herstellen eines Bildes benötigte. Kunst war, dass man etwas produzierte, was gut aussah, weil man es drauf hatte und professionell arbeitete. Ein kunstvolles Haus war eines, an dem Leute gebaut haben, die viel können. Zimmerleute, Maler, was auch immer.

Erst in unserer neudekadenten Zeit hat sich der Begriff gewandelt und steht nun für das Nutzlose und Überflüssige, für die Beliebigkeit der Unfähigkeit.

Erst die neue Anspruchslosigkeit und die geisteswissenschaftliche Strömung des leeren Geschwätzes, diese Gleichverteilung von Lob unabhängig von der Qualität des Werkstückes haben dazu geführt, dass heute jedes willkürliche Geschmier als „Kunst“ durchgeht und unter „Kunstfreiheit“ fallen soll, also sich genau ins Gegenteil verlagert hat. Man muss nichts mehr können, weil Kunst heute alles, grenzenlos ist.

Und so paradox es klingen mag, wesentlich dazu beigetragen hat auch das Grundrecht der Kunstfreiheit, wonach jeder Kunstfreiheit genieße, der es – aufpassen, auf die Feinheiten kommt es an – die Absicht verfolge oder den Versuch unternehme, Kunst zu betreiben. Im verfassungsrechtlichen Sinne fällt – wie auch bei der Wissenschaft – schon der ernstliche Versuch unter die Kunstfreiheit. Selbst wenn man dazu nicht in der Lage ist und daran hoffnungslos scheitert, gestattet einem die Kunstfreiheit, es zu versuchen, sofern nur der Versuch hinreichend ernstlich ist. Die allgemeine Dummheit unserer Gesellschaft führte aber dazu, dass man auch den erfolglosen, aber verfassungsrechtlich bereits geschützten Versuch der Kunst für Kunst hielt, weil man die Begriffe nicht differenzierte.

Deshalb sind wir heute beim „Ist das Kunst oder kann das weg?“ angekommen.

Einen ähnlichen Effekt sehen wir bei den Sozial- und Geisteswissenschaften, den Gender Studies. Die sich für Wissenschaft halten, weil man in analoger Anwendung wie beim Kunstbegriff aus dem verfassungsrechtlich geschützten Ansinnen, Wissenschaft zu betreiben, auch wenn es nicht von Erfolg gekrönt ist, fehlfolgerte, dass auch der gescheiterte Versuch bereits unter die Wissenschaft und nicht nur die Freiheit des Weges dorthin falle.

Man übersah dabei aber, dass im Falle der Wissenschaft aufgrund der Natur des Begriffes die Anforderungen an den Versuch enger formuliert sind. Für die Wissenschaftsfreiheit genügt es nicht, den Versuch lediglich zu behaupten, sondern er muss ernstlich, planmäßig und zielgerichtet sein, also von vornherein auf Begründungen, Wissensdarstellung, Wissensweitergabe ausgelegt sein. Es reicht nicht, sich auf den Campus zu begeben und Wissenschaftsgelder abzugreifen. Die meisten Geistes- und Sozialwissenschaften, insbesondere Gender Studies, haben nicht nur nie ein Niveau erreicht, sondern beruhten nicht einmal auf der Absicht, das zu tun, mit dem sie überhaupt unter die Wissenschaftsfreiheit fielen, geschweige denn die Erfolgsaussicht hatten, jemals Wissenschaft zu werden.

Wir leben in einer Zeit der Beliebigkeit des Geschwätzes, in der es jedem frei steht, sich selbst mit allen guten Bezeichnungen zu titulieren und Gegner mit allen Schmähbegriffen zu belegen. Denn beachtlich ist, dass die Schwelle zum Doktorgrad in den Geisteswissenschaften genauso flach ist, wie von ihnen „Nazi“ genannt zu werden, nämlich praktisch bei Null.

Wir leben in einer Zeit der nahezu beliebigen Begriffswahl und Begriffsverschiebungen. Siehe Genersprache und Pronomen.