Ansichten eines Informatikers

„Dysfunktionale Informatiker“

Hadmut
27.7.2022 1:14

Ein Informatiker unter den Lesern mahnt bei mir mehr Fairness an.

Hallo Hadmut,

in vielem, ja sehr vielem, hast du Recht was Geisteswissenschaftler betrifft. Mit deinen letzten Beiträgen über Germanisten bist du aber (meiner Meinung nach) über das Ziel hinausgeschossen.

Du schreibst, dass man Studiengänge nicht an den dortigen Besten messen sollte, sondern am Schlechtesten was dort durchkommt. Dass ein großer Teil, derjenigen, die Germanistik studieren und erfolgreich abschließen dann aus der Unigehen und gar nichts können, glaube ich dir sofort. Gleichzeitig glaube ich aber auch, dass ein nicht unerheblicher Teil der Germanistikabsolventen Deutschlehrer wird und durchaus arbeitsmarktfähig ist. Da gibt es weitaus absurdere Studiengänge.

Außerdem sieht es beim von dir als Positivbeispiel dagegengehaltenen Informatikstudium heute auch nicht so viel besser aus. Ich habe Informatik studiert und mein Studium erst vor kurzem abgeschlossen. Meine Universität galt übrigens offiziell als „Eliteuniversität”. In den Master-Praxismodulen, die ich kurz vor meinem Abschluss besucht habe, konnten 20-30% der Leute wirklich gar nicht oder kaum programmieren. Von Kenntnissen aus der theoretischen Informatik, Kryptografie, höherer Mathematik, etc brauchen wir da gar nicht erst anfangen.

Kurz vor meinem Abschluss hatte ich ein Praxismodul zu Maschinellem Lernen. Wir waren in einer Vierergruppe. Einer meinte mit vollem Ernst, man könnte doch auch einfach eine Nutzerstudie durchführen, statt zu programmieren. Er hat sich bis zum Ende des Semesters geweigert zu programmieren und hatte dort offensichtlich bestenfalls einfachste Grundkenntnisse, von Machine Learning verstand er absolut nichts und dachte eine Support Vector Machine ist ein Neuronales Netz. Ein Anderer konnte trotz gutem Willen schlicht gar nichts programmieren und scheiterte 6 Wochen lang am Einrichten der Entwicklungsumgebung. Das war ein Masterstudent in Medieninformatik, der nicht wusste, was eine for-Schleife ist und dann tatsächlich 13 Mal hintereinander if geschrieben hat. Wenigstens hat er dann die Abschlusspräsentation erstellt.

Fairerweise muss man sagen, dass der Studiengang Medieninformatik nicht an jeder Uni existiert und bei uns quasi das Sammelbecken für alle war, die gerne das Wort Informatik in ihrem Studiengang haben wollten, aber sich möglichst billig durchmogeln wollten. In Praxisprojekten haben die sich dann von normalen Informatikern mitschleifen lassen. In diesem Studiengang war es quasi der Standard, nichts zu können, aber auch unter normalen Informatikern gab es erschreckend viele, die sich bis zum Master durchgemogelt haben und am Ende effektiv gar nichts konnten. Der Anteil der nicht arbeitsmarktfähigen Germanistiker ist sicher höher, aber es gibt auch viele Informatiker und Naturwissenschaftler, die bis zum Abschluss durchkommen und dann trotzdem absolut nichts können.

[was anonymisiert]

Hadmut, du hast mit vielem Recht, aber ich bitte dich manchmal auch Fair zu sein.

Über eine kleine Reaktion/Antwort würde ich mich freuen.

Viele Grüße,

Äh … wie, bitte!?

„beim von dir als Positivbeispiel dagegengehaltenen Informatikstudium“?

Schreibe ich hier nicht seit 20 Jahren darüber, dass die Hochschulinformatik den Bach runter geht, von unfähigen Absolventen, von der Verblödung des Fachs, korrupten Fakultäten, bekannten Möchtegernstudienfächern, von allerdümmsten und inhaltslosen Pseudodissertationen und Quotentussis von unfassbarer Dämlichkeit, Lügnern, Betrügern, Hochstaplern und Geheimdienstschergen, von Informatikprofessoren, doof wie Kopfsteinpflaster?

Es gibt Leute, die halten mich für den schärfsten Kritiker der deutschen Hochschulinformatik.

Und jetzt kommt einer und meint, ich wäre unfair den Germanisten gegenüber, weil ich mal drei Artikel über Germanisten schriebe und das Informatikstudium als „Positivbeispiel“ dagegen hielte?