Ansichten eines Informatikers

„Die Schweiz erkennt den Strom­mangel in Folge der Erneuerbaren“

Hadmut
25.7.2022 12:25

Ein Leser meint, unsere südlichen Nachbarn schauen uns da von oben auf dem Berg zu, wie Deutschland gegen die Wand fährt.

Diese Webseite da beschreibt, wie die Schweiz mit der Strommangellage und dem Prozess der Erkenntnis, dass es so eine gibt, umgehe.

Ob die Seite seriös ist? Weiß ich nicht. Kenne ich nicht. Habe gerade nicht die Zeit, das zu eruieren. Zumal ich mir das sowieso abgewöhnt habe, noch groß zwischen Satire und Realität, zwischen seriös und unseriös zu unterscheiden, denn zeitgeistig voranschreitend kommt es eh nur noch auf den Unterhaltungswert an. Wenn ich dann allerdings so etwas lese

In der Schweiz gibt es hingegen mit der ETH Zürich eine der zehn besten Universitäten der Welt.

habe ich schon ziemliche Zweifel an der Seriosität, denn bekanntlich und beschrieben habe ich die ETH Zürich ja nur als kriminellen, verlogenen, korrupten, unwissenschaftlichen, inkompetenten Sauhaufen erlebt. Was sie, das muss ich aber auch zugestehen, beim heutigen Zustand der Universitäten womöglich trotzdem nicht hindert, innerhalb dieses Umfeldes noch zu den besten gehören, die anderen müssen ja nur noch schlechter sein. Ich will allerdings anmerken, dass ich viele Zuschriften von Schweizern und von Ehemaligen der ETH bekommen habe, die meine Einschätzung der ETH durchaus teilen.

An sich ist es dann wohl auch nur eine Zusammenfassung eines Artikels der NZZ: Die Energiestrategie des Bundes sei Wunschdenken, sagt ein ETH-Forscher. 2050 könnten in einem schweren Winter zwei Drittel des Stroms fehlen Und die wiederum schreiben aus dem 38-seitigen Paper des Forschers ab.

Schauen wir da rein:

Der Risikoforscher Didier Sornette kritisiert, dass der Übergang vom heutigen Energiesystem zu einem, das zu einem guten Teil auf Solarstrom beruht, von den Behörden zu optimistisch dargestellt werde. Dies schaffe eine gefährliche Illusion von Sicherheit und Kontrolle, heisst es in einem neuen Arbeitspapier von Sornette und seinem Forscherkollegen Euan Mearns.

Was bringt die beiden zu ihrem Urteil? Mearns und Sornette haben in einem ersten Schritt die Schweizer Stromproduktion und -nachfrage im Januar und Juli 2017 aus diversen Quellen rekonstruiert, Stunde für Stunde. Sie nahmen das Jahr 2017, weil es das jüngste ist, zu dem detaillierte Zahlen vorliegen. Als Nächstes haben die Forscher die wesentlichen Pfeiler der Energiestrategie 2050 in ihr Modell eingebaut.

Dazu gehört zum einen, dass die Stromnachfrage bis 2050 um 37 Prozent wächst, weil die Menschen auf E-Autos umsteigen und fossile Heizungen durch Wärmepumpen ersetzen. […]

In ihren Berechnungen kommen die Forscher nun zum Schluss, dass der Schweiz im Januar 2050 ein enormes Stromdefizit droht. Nicht weniger als 69 Prozent der Elektrizität müssten in jenem Monat aus dem Rest Europas importiert werden. Das wären 6 Terawattstunden. Zum Vergleich: In den letzten Jahren hat die Schweiz im Schnitt über das Winterhalbjahr 4 Terawattstunden eingeführt. 2050 wäre es also allein im Januar das Anderthalbfache.

Bis 2050 hätte man zwar enorme Mengen an Solarmodulen installiert, trotzdem würden diese im Januar lediglich 4 Prozent der gesamten Nachfrage decken, wenn man den Wetterverlauf von 2017 unterstellt. Nun mag man einwenden, dass der Januar 2017 ein ausgesprochen schlechter Monat für Solarstrom war. Ist Sornette somit nicht viel zu pessimistisch? Der 65-Jährige entgegnet, dass man eben nie in einem «Durchschnittsmonat» lebe, sondern dass sonnenarme Monate wie Anfang 2017 auch künftig vorkämen. Genau für solche Monate müsse eine Stromversorgung gerüstet sein, nicht für den Durchschnitt.

Da die Nachbarländer, mit Ausnahme wohl von Frankreich, ganz ähnliche Strategien verfolgen dürften, wird die Schweiz ihre Stromlücke dannzumal nicht mit Importen decken können. Wenn vom Ausland nichts zu holen ist, richtet sich der Blick nach innen.

Heißt: Der Schweiz geht es energietechnisch dreckig, aber den Nachbarn noch schlechter.

Der ETH-Forscher zieht ein ernüchterndes Fazit: Die Energiekrise werde sich langsam zuspitzen, jedes Mal, wenn wieder eines der noch vier Kernkraftwerke aus dem Betrieb genommen werde. Störungen seien auch zu befürchten, wenn Nachbarländer Kraftwerke stilllegten, die Bandenergie produzierten. Die Unsicherheit und Unstetigkeit der Energiewende werde die Zinsen für kapitalintensive Projekte in die Höhe treiben, was möglicherweise den Staat auf den Plan rufe.

Und zum Thema „follow the science“:

Er hat den Eindruck, dass Wissenschafter zuweilen den Wunsch, politische und soziale Empfindlichkeiten nicht zu verletzen, höher stellten als das Streben nach einer praktikablen Energiepolitik. Sornette ist mit seiner jüngsten Publikation angetreten, die Messe etwas zu stören.

Bei uns geht sowas nicht mehr.

Bei uns heißt „Wissenschaft“, der Öffentlichkeit genau das, und nichts anderes zu erzählen, als das, was die Politik hören will, und wofür sie dann Geld an die Universitäten ausschüttet. Bei uns ist die „Wissenschaft“ nur noch der akademische Straßenstrich, auf dem jeder das bläst, was der zahlende Freier haben will.

Ich glaube aber nicht, dass dieses Land hier 2050 überhaupt noch besteht. Und selbst wenn, dass es bis dahin noch eine Rolle spielt, wieviel Strom uns zur Verfügung stände. Ich glaube nicht, dass wir hier bis dahin noch ein funktionierendes Stromnetz haben.

Wer es schafft, bis dahin seine Solarzellen gegen plündernde Banden zu verteidigen, wird mit dem auskommen müssen, was die liefern.