Ansichten eines Informatikers

Die Narzisstin, der Suizid, die Realität und die Social Media

Hadmut
7.7.2022 21:38

Das Frauenmodell dieser Generation kommt auch ins Wanken.

Ich habe einige Male die Töchterchen der Wohnungsumgebung hier gesehen, wie sie sich draußen auf der Wiese mit Muttis Handy gegenseitig filmen und Influencerin üben. Und ich bin immer wieder baff, wie gut die das machen, wie die schon alle diese Posen und das Gehabe drauf haben.

Influencerin wollen sie werden, das steht fest.

Und Mutti sagte mir, dass nicht nur das Töchterchen Influencerin werden will, sondern einfach alle Mädchen der Klasse. Fest gebucht.

Neulich las ich irgendwo, dass nur etwa 1% der Blogger und Influencer es schaffen, davon leben zu können. Für manche ist es einfach ein Hobby, das nichts einbringen muss außer Spaß und etwas Bekanntheit, und manche legen da richtig drauf, stecken da mehr Arbeit und Geld rein, als sie rausbekommen. In der Überzeugung, dass es irgendwann schon klappen wird, sie irgendwann groß rauskommen. So ähnlich wie das Warten auf den Märchenprinzen, der nicht nur nie kommt, sondern dessen Erscheinen mit fortschreitendem eigenem Alter immer unwahrscheinlicher wird.

Und dann gibt es die Psychos.

Leute, die sich in die Social Media drängen, weil sie dort finden, was sie in der Realität des Zusammenlebens nicht haben: Bestätigung. Beliebtheit. In messbarer, zählbarer Form. In Form der Anzeige von Followern.

Die Zahl der Follower ist wichtig, denn sie bestimmt das Ranking. Sie ist das Maß, die Vergleichsgröße gegenüber anderen, gegenüber Konkurrenten, und sie erfordert keine Diskussion, kein Aufplustern: Die blanke Zahl zählt. Und besonders Frauen scheinen dafür anfällig zu sein, weil besonders für Frauen die soziale Stellung, die Rangordnung wichtig ist. Die Selbstdarstellung. Sich zu sehen, gesehen zu werden.

Viele Frauen sind in den Social Media sehr erfolgreich. Ohne Inhalt liefern zu müssen. Einfach durch ihr Aussehen, weil sie Frauen sind. Es funktioniert, weil Gender Humbug ist. Wir sind von Natur aus darauf programmiert, Menschen anzuschauen, durch unsere Mustererkennung laufen zu lassen, sie danach zu bewerten. Sie für attraktiv zu halten oder nicht. Und bei Männern wird beurteilt, ob einer stark, überlebensfähig, der Stärkste in der Gruppe ist, bei Frauen, ob sie gesund, gebärfähig, überlebensfähig sind. Beim Menschen sind es die Frauen, die wir uns bevorzugt ansehen, und die sich bevorzugt darstellen. Deshalb stehen Frauen vor und Männer hinter der Kamera. Männer sind Voyeure, Frauen sind Exhibitionisten. Ein Synergieeffekt. Antrieb der Mode- und Kosmetikindustrie.

Deshalb sind Social Media seit Einführung der Digitalfotografie und der billigen Videokameras und der Verbreitung der Bilder über das Internet eine Domäne der Frauen: Sie können Programm ohne Inhalt machen, indem sie sich selbst darstellen. Mit Seiten wie OnlyFans und all den CamGirl-Seiten hat man es zur regelrechten Exhibitionismusindustrie vervollkommnet, leben unglaublich viele Frauen – mehr oder weniger gut – davon, nichts anderes zu tun, als sich zu zeigen. Es heißt, man könne diese Job nur ein paar Jahre machen, danach habe man einen Dachschaden. Die Besseren unter ihnen sind bis dahin Millionär und müssen nicht mehr arbeiten.

Das mit den Influencern hat gewisse Zeit funktioniert, aber auch das nutzt sich ab. Man sieht sich nicht nur satt, sondern es gibt inzwischen immer zehn andere, die jünger, hübscher, blonder sind, und mehr zeigen.

Niece Waidhofer war so eine. Als Model und Influencerin unglaublich erfolgreich. Bildhübsch, zeigefreudig, brustbetont. Mehr braucht man da eigentlich auch nicht. Aber psychisch wohl schwer kaputt. Depressionen, Angststörungen und so weiter.

Suizid mit 31.

Da stellt sich natürlich die Frage nach einer Kausalität: Macht das Influencertum depressiv? Oder neigen Depressive zum Influencertum, weil sie sich da Aufmerksamkeit, Wichtigtum, Prominenz abholen und das über Zweifel erhaben an der Follower-Zahl ablesen können? Oder ist es nur eine zufällige Koinzidenz und hat miteinander gar nichts zu tun?

Schaukelt es sich vielleicht hoch? Müssen die Leute immer mehr von sich zeigen, sich immer weiter ausziehen, weil nur eine immer weiter steigende Follower-Zahl das Ego stützt?

Lest mal das und den Screenshot. Da hat ihr – Datum steht nicht dran, aber angeblich kurz vor ihrem Tod – einer ordentlich eingeschenkt:

Was mich irgendwie an den Fall eines australischen Topmodels erinnert, die ihren Job hingeschmissen hat, weil sie da selbst drauf gekommen ist. Die veröffentlichten Fotos von ihr waren verdammt gut, aber sie ertrage den Job nicht mehr, in dem man 200 Fotos machen müsse, bis ein einziges gutes von ihr dabei herauskommt.

Ich halte das für symptomatisch.

Wir leben in einem Zeitalter, in dem Frauen künstlich hochgejubelt werden. Und ich halte Frauenquote, -förderung und equal pay für einen ähnlichen Effekt wie die Follower-Zahl auf Instagram für Tittenzeigen. Irgendwann kommt dann mal die Realität vorbei, und dann helfen die ganzen künstlichen Tricks und Mittelchen nicht mehr.

Das wäre alles nicht so schlimm, wenn es um 10 oder 20 Influencerinnen ginge. Den Verlust kann man verkraften. Ich habe den Namen Niece Waidhofer zu ihren Lebenzeiten noch nie gehört.

Aber wir haben hier gerade eine ganze Generation von Frauen gebaut, deren Ansehen und Stellung nur Fake ist, und demnächst zusammenfällt.

Und irgendwann merken die, dass sie nichts sind, nichts können, keiner sie will, man sie nur genommen hat, weil man sie nehmen musste, und sie keinen Mann, keine Kinder, nicht mal einen Goldfisch haben.