Ansichten eines Informatikers

Telefon-Betrug

Hadmut
25.4.2022 15:12

Dreist.

Telefonanruf auf dem Festnetz, Anrufer laut Display eine 0177- Mobilfunknummer. Ich nehme ab.

Ein Sprachcomputer spielt mir eine automatische Ansage ab. Professionelle Frauen stimmer erklärt, dass dies das „Federal Police Department“ sei und man dringend mit mir sprechen müsse, weil man ganz ungewöhnliche Aktivitäten festgestellt habe. Weil man jetzt international tätig sei, müsse der Anruf auf Englisch erfolgen. Ich möge die 1 drücken, um mit einem Police Officer verbunden zu werden.

Da war eigentlich schon völlig klar, dass das eine Betrugsmasche ist, aber ich wollte mal wissen, was für eine. Außerdem hatte ich mal einen, der anrief, sich auf Englisch mit womöglich indischem Akzent als Microsoft-Service ausgab, der ein ganz dringendes Problem an meinem Computer in Ordnung bringen müsste, einen halbe Stunde lang im Kreis herum verarscht, indem ich den alten vergesslichen Tattergreis gespielt habe, der ihn zur Weißglut trieb, indem er ständig abschweifte, vom Krieg erzählte, mit seiner imaginären Enkelin diskutierte und ständig vergaß, warum er eigentlich gerade telefonierte. Schade, dass ich es nicht aufgenommen habe, wäre auf Youtube sicher gut angekommen. Der wollte, dass ich ihm einen Remote-Zugang für meinen Computer einrichte. Dass ich nach 20 Minuten bemerkte, dass ich gar kein Windows habe, sondern mir meine Enkelin Linux installiert habe, störte ihn allerdings nicht, das könnten sie von Microsoft ja auch gleich in Ordnung bringen. Als der dann an dem Punkt war, als er entnervt aufgeben wollte, und ich dann auf einmal mit ganz normaler, flüssiger Stimme fragte, für wie dämlich er mich eigentlich hält, dass ich einem so offensichtlichen Betrüger Zugang zu meinen Rechnern geben würde, war der richtig fertig.

Es meldete sich also ein „Police Officer“ vom „Federal Police Department“. Englisch, zwar an sich gut, aber mit einem Akzent, den ich nicht einordnen kann. So auf halber Strecke zwischen osteuropäisch und indisch. Ich hätte da so einen Verdacht, weil die Tage auch was im Fernsehen darüber kam, wer in Südosteuropa ein Riesengeld mit solchen Enkeltrick- und anderen Telefonbetrugsmaschen das große Geld macht, darf man aber nicht sagen, ist politisch nicht korrekt. Dann kommt die echte Polizei.

Ich hatte jetzt erwartet, dass der mir eröffne, dass ich im Fadenkreuz übler Betrüger stünde und deshalb bitte alle meine Wertsachen vor die Tür zu stellen hätte, damit die „Polizei“ sie abholen und in Sicherheit bringen könnte, wie Betrüger das in Berlin schon gelegentlich gemacht haben. Gibt ja Leute, die das dann machen.

Der aber war nicht im Bilde, und fragte „How can I help you?“

Seltsame Betrugsmasche, irgendwie hatten die da Koordinationsprobleme. Das weiß ich nicht, sagte ich ihm, sie hätten doch mich angerufen. Er sucht irgendwas.

Von welcher Polizei genau er wäre, fragte ich.

Vom „Federal Police Department“.

Wo das denn sei. Welches. Fragte ich.

„The Federal Police Departement in Berlin“. Böhrlien oder Bearleen, wie kein Berliner es aussprechen würde. Und warum die da Leute sitzen haben sollten, die kein Deutsch können, wäre auch eine Frage.

Von dem ganzen Blödsinn und dem Englisch und dem Anruf über eine Mobilfunknummer abgesehen: Das BKA ist nicht in Berlin.

Weil da jetzt aber auch keine unterhaltsame Betrugsmasche rüberkam, sondern der sich irgendwie verzettelt hatte, weil der nicht wusste, was mir der Telefoncomputer vorher erzählt hatte, damit er da ansetzen konnte, ging ich nicht mehr von einer unterhaltsamen Betrugsmasche aus und fragte „Das soll ich Ihnen glauben?“

Da legte er auf.

Was ich aber beachtlich finde:

Die Betrüger haben inzwischen ein so hohes Maß an Automatisierung erreicht, dass die den Erstkontakt schon gar nicht mehr mit ihrem Personal betreiben, sondern automatisiert anrufen und prüfen, ob der Angerufene darauf reagiert, englisch versteht und interagiert, nämlich die 1 drückt, und erst dann mit dem Betrugspersonal durchverbunden wird.

Dass die Betrüger regelrechte, professionelle Callcenter betreiben, hatte ich schon gelesen. Jetzt habe ich es auch gehört.

Komischerweise kommt bei uns aber auch niemand auf die Idee, das mit der frei fälschbaren Caller-ID mal endlich abzuschaffen. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, diente das dem Zweck, dass jemand, der aus einer Firma von einer Nebenstelle anruft, nicht seine persönliche Durchwahl anzeigt, sondern die Nummer, auf der der Angerufene zurückrufen soll, beispielsweise die -0.

Dass man hinten die Durchwahl frei angeben kann, hätte ja noch seinen Sinn. Aber dass man da beliebige Nummern angeben kann, und die Polizei schon warnt, dass Anrufe, die als „110“ im Display angezeigt werden, ausnahmslos Betrug seien, weil die Polizei nicht nur generell im Erstkontakt nicht anruft, sondern insbesondere auch gar nicht von der 110 raustelefonierte oder das könnte, sagt eigentlich schon sehr viel über unser Telefonsystem. Eigentlich dürfte das überhaupt nicht angehen, dass jemand anruft und dabei angeben kann, dass „110“ auf dem Display als Anrufer angezeigt wird.

Wollte die Bundesregierung nicht ganz groß in den Cyberkrieg einsteigen und Cyberangriffe abwehren? Das Telefonsystem ist auch eine IT-Anlage. Und wenn man bedenkt, wieviele Leute schon in hohen Beträgen geschädigt wurden, weil irgendwer anruft und eine falsche Identität und eine falsche Telefonnummer vorgaukelt. Mir fehlt jedes Verständnis dafür, dass sowas noch geht. Dauerbetrugsmasche und keiner macht was dagegen. Aber alle sind sie Cyberkrieger.

Ach, ja: War nicht der Plan der Bundesregierung, zurückzuhacken und uns so zu verteidigen? Müsste ich die also jetzt zurückrufen und die auch irgendwie betrügen?