Ansichten eines Informatikers

Ist Informatik der neue Sozialismus? Oder schlimmer: Geisteswissenschaft?

Hadmut
14.4.2022 20:09

Ich komme mir schon ganz komisch vor.

Also, als ich damals Informatik studiert haben, waren wir noch so etwas wie eine Elite. Das Studium war knüppelhart, zumindest in den ersten Semestern, die Durchfallquoten hoch, und wir waren so eine geile Generation, die sich da selbst draufstürzte und den Aufstieg der Informatik mitmachte, weshalb viele von uns damals als Mitarbeiter einfach besser in Informatik waren als die Professoren. Weil wir auch im Gegensatz zu den meisten damaligen Professoren Informatik voll studiert hatten und nicht von irgendeinem anderen Fach rübergemacht und sich auf irgendeine Nische spezialisiert oder nur über die Beamtenstelle gefreut hatten. Wir waren so richtig gut, und wir waren die Magier, die Zauberer, die Wizards, die das mit dem Internet konnten. Die meisten Informatikprofessoren konnten nur Mac oder Fax. Und außerhalb wusste sowieso kaum jemand, was das ist. Internet.

War ne geile Zeit. Wir waren die Besten. Kein Jurist und kein Politiker hat uns reingeschwätzt, weil die davon gar nichts wussten.

Hat sich auch finanziell gezeigt. Wir haben volle Stellen bekommen, weil wir sonst in die Industrie gegangen wären. Chemiker zum Beispiel bekamen Drittelstellen, mussten voll arbeiten, und durften dann nach Ablauf der Höchstdauer auf Sozialhilfe promovieren. Und die Alibi-Geisteswissenschaftler, die wir irgendwo hocken hatten, damit man sich Universität nennen durfte, konnten sich kaum die Bleistifte leisten, während wir das Geld fünf- und sechsstellig rausgehauen haben.

Und Leute haben uns schon für lumpige Apfelmännchen bewundert. Wir konnten Dinge, die andere nicht mal verstanden.

Und wir (…ich…) waren so gefährlich, dass der Geheimdienst seine höchsten Direktoren schickte, um uns abzusägen. Größere Verschwörungen brauchte man dazu.

Und heute?

Heute stopft man alles, was man sonst nicht mehr unterbringt, in die Informatikstudiengänge. Inzwischen so eine Auffangbecken für alles, was rumläuft und keinen Job hat. Wie früher Soziologie, bevor man merkte, dass Soziologen zu nichst zu gebrauchen sind.

Ich habe das ja in den letzten 10 Jahren schon hautnah miterlebt, dass das Niveau immer weiter absank. Nur ein kleines Beispiel: Früher hatte ich in den Schulungen Leute sitzen, die sofort wussten, was eine ssh ist und was sie macht, wo ich nur ein paar Details erwähnen musste.

Dann waren es die, die ssh rudimentär kannten, wo ich dann erklären musste, wie die eigentlich funktioniert und was die macht.

Dann kamen die, die die noch nicht kannten, denen ich das noch so grob erklären konnte.

Dann kamen welche, denen ich das nicht mehr so richtig erklären konnte. Nicht innerhalb der vorgesehen Zeit.

Und dann war ich einfach weg.

Mittlerweile finde ich das sehr frappierend, wer sich alles in ein Informatikstudium stürzt – und was man heute so als Informatikstudium bezeichnet. Irgendwie stopft man gerade wirklich alles und jeden in ein Informatikstudium, egal was und wie, Hauptsache kann sich hinterher „Informatiker“ nennen, auf dass dann die Hälfte der Menschheit im Büro am Computer sitzt – oder wenigstens so tut und irgendwas mit Work-Life-Balance macht.

Denn ganz früher machte man ja gerne „Irgendwas mit Medien“.

Dann machte man „Irgendwas mit Internet“.

Heute macht man eigentlich nur noch „Irgendwas mit Work-Life-Balance“. Oder zusätzlich noch „Irgendwas mit Home-Office“.

Irgendwas mit „Quote“.

Ich bin dann „Irgendwas anderes“.

Denn eigentlich will man ja auch gar nicht mehr Informatiker sein, wenn jetzt jeder Informatiker wird, der sonst nichts wurde und nichts kann.

Oder anders gesagt: Wir haben uns damals über Informatikprofessoren lustig gemacht, weil sie selbst nicht Informatik studiert haben. Es wird nicht mehr lange dauern, und man wird sich über sie lustig machen, weil sie Informatik studiert haben.

Falls dann noch jemand da ist, der noch in der Lage und befugt ist, sich über welche lustig zu machen, die … na, ja.