Ansichten eines Informatikers

1:2

Hadmut
11.4.2022 13:32

Mein Satz erhitzt die Gemüter weiterhin.

Mein Satz

Ist das alles so widerlich.

findet weiterhin die Missbilligung mancher Leser.

Schon zwei rügen, dass das „so“ in einem Satz wie diesem inakzeptabel fehlplatziert sei. Man könne sagen „Das ist so widerlich.“ oder „Ist das widerlich.“, aber nicht beides zusammen, nicht den Stirnsatz als bereits betonte Steigerung mit einem „so“ erneut steigern.

Was mich an frühere Diskussionen mit Lesern erinnert, die – teils aufs Schärfste – rügten, wenn ich irgendwo eine doppelte, inhaltsgleiche Attributierung verwendete, und ich dem entgegenhielt, dass der Pleonasmus ein Stilmittel ist, das dem Schriftsteller durchaus auch im Rahmen des Zulässigen und Erlaubten zur Verfügung stehe. Es steht mir als freischaffendem Autor durchaus frei, mich auch in finsterer dunkler Nacht auf den Weg zu machen. Und Sprache erlaubt die Freiheit der Ausdrucksmöglichkeit, man ist dabei nicht auf ein orthogonales System mit kanonischen Ausdrucksmöglichkeiten beschränkt.

Hallo Herr Danisch

Ist das alles so widerlich.

Ohne das “so” würde der Satz in Ordnung sein…mit dem “so” hört er sich missglückt an und ist vermutlich auch grammatikalisch nicht in Ordnung (allerdings ist das nur gefühltes Wissen bei mir …eben typisch Frau :-). Wäre es eine Frage. wäre der Satz ok.

Es gibt mindestes drei verschiedene „so“ in der deutschen Sprache, nämlich als Partikel, Adverb und Konjunktion. Hier wird es als Partikel verwendet. Man konnte auf die Idee kommen, dass ein Stirnsatz nicht gut mit Konjunktionen zusammengeht, aber eine Regel, wonach ein Stirnsatz keine Partikel enthalten dürfte, wäre mir nicht bekannt. Das wäre auch unlogisch, denn Partikel sind ja unflektierbare Wörter, die man keiner anderen Kategorie zuordnen kann. Gäbe es aber so eine Regel, dann wäre es ja eine Kategorisierung.

(Komischerweise scheinen dieselben Leute aber wenig oder gar keine Probleme mit dem völligen syntaktischen und semantischen Shreddern unser Sprache von Genders wegen zu haben, und hätte ich einen Zeitgeistschrott wie „Wie widerlich ist das denn?“ abgelassen, wäre ich wohl auch ohne Tadel davongekommen. Aber das wäre ja ein whataboutism.)

Tröstlich dagegen, dass mir ein anderer Leser Freiheiten aufzeigt, an die ich noch gar nicht gedacht hatte:

Sehr geehrter Herr Danisch,

zu Ihrem Blog-Eintrag https://www.danisch.de/blog/2022/04/10/der-stirnsatz/:

Ich würde Ihren Satz „Ist das alles so widerlich“ grammatisch anders auffassen, als elliptische Form eines Ausrufs:

(Ach, wie) ist das alles so widerlich!

In einem engagierten und emotionalen Sprachduktus ist das ein zulässiger Satz.

Mit freundlichen Grüßen

Auf die „elliptische Form eines Ausrufs“ wäre ich jetzt gar nicht gekommen, aber ich bin so froh, dass da auch einer zu mir hält. So steht es wenigstens 1:2.