Ansichten eines Informatikers

Guter Flüchtling, Schlechter Flüchtling

Hadmut
4.4.2022 11:00

Oder: Bedenke, worum Du bittest. Du könntest etwas lostreten, was Dir nicht gefällt.

Ich halte ja durchaus einiges auf Al Jazeera. Auch wenn es sicherlich viel an denen zu kritisieren gibt, habe ich von denen schon einige sehr interessante, gut gemachte Berichte gesehen und vor allem: Andere Standpunkte und Blickwinkel zu dem Einheitskäse unserer Blödmedien. Selbst wenn man einen abweichenden Standpunkt nicht teilt und nicht für richtig hält, ist es oft wertvoll und inspirierend, zumindest mal eine andere Darstellung zu bekommen. Und viele Leser schrieben mir, dass die arabischen Medien den Ukraine-Krieg und die Verwerfungen in Europa sehr viel besser, ausgewogener, nüchterner, neutraler, sachlicher, informativer und kausalverständlicher dargestellt hätten, als aller unser teuer ÖR-Käse zusammen.

Manchmal aber schüttelt’s mich dann auch wieder (etwas):

Das Fass sollten sie besser nicht aufmachen.

Denn wenn man den Umgang mit Flüchtlingen vergleicht, könnte das leicht dazu führen, dass man auch das Verhalten, die Selbstintegration, die Gesellschaftskompatibilität, das Maß an Kriminalität, den sozialen und wirtschaftlichen Wert von Flüchtlingen vergleicht. Und da könnten die Ukrainer leicht Standards setzen, den arabische und afrikanische Flüchtlinge nicht erfüllen können.

Ich hatte es schon angesprochen: Der Ukraine-Krieg dauert jetzt, weiß gar nicht mehr genau, so ungefähr einen Monat. Und inzwischen ist meine Mailbox in einem Fotografenforum voll von Zuschriften von Models, die einen Job suchen, nicht nur als Akt-/Fotomodel, auch als Akrobaten, Musiker und ähnliches. Die können fließend englisch, mit denen kann man sich völlig normal und kulturell vollkompatibel unterhalten, voll auf demselben Standard und mit gleichem Denk- und Sozialverhalten, nur halt auf englisch. Die sind sofort dahinter her, ihren Lebensunterhalt zu erarbeiten und Kontakte zu Deutschen aufzunehmen, integrieren sich da innerhalb weniger Tage. Keinerlei erkennbare Berührungsängste, auch wenn ich jetzt sagen muss, dass das sicherlich kein repräsentativer Querschnitt ist, sondern Leute, die vorher schon in dem Job gearbeitet haben und gewohnt sind, auf die Leute zuzugehen. Und wer als Aktmodel arbeitet, leidet erfahrungsgemäß auch nur selten unter Schüchternheit. Zeigt aber eben: Es geht, wenn man will.

Und Aktmodel ist zwar jetzt auch kein wirklich erlernter Beruf mit Lebensperspektive (es sind schon meist Leute, die sich entweder das Studium damit verdienen oder schlicht keine Lust auf einen Bürojob haben, oft auch Künstler, die nicht ausgelastet sind oder mit Kunst nicht genug verdienen), würde ich von einer Muslima jetzt auch nicht erwarten oder verlangen, aber: Es zeigt, dass die nicht dasitzen und lamentieren, bis ihnen jemand hilft, sondern dass die von sich aus aktiv werden und die Dinge selbst angehen. Das gefällt mir. Das gefällt mir sehr.

Nun haben mir zwar auch Leser geschrieben, dass sie ähnliches bei Syrern beobachtet haben. Handwerksbetriebe haben mir geschrieben, dass sie syrische Mitarbeiter haben und mit denen sehr zufrieden und sehr froh darüber wären, sie zu haben. Aber wenn ich bedenke, wieviele Syrer wir nun schon seit bis zu 7 Jahren hier haben, oder Leute aus Afrika, ist das einfach deutlich zu wenig Wumms, wenn ich das mit dem vergleiche, was die Ukrainer hier nach vier Wochen schon hinlegen. Ich hatte es ja gerade:

Die kommen her, fackeln nicht lange, und sind nach drei Wochen in der Lage, ihren Schulunterricht digital hier einfach fortzuführen, was wir selbst in zwei Jahren kaum hingekriegt haben.

Öh … ja.

Ich find’s beeindruckend.

Das könnte allerdings leicht darauf hinauslaufen, die verschiedenen Flüchtlingsqualitäten miteinander zu vergleichen. Vor allem mit solchen Al Jazeera-Meldungen. Und das könnte dann doch leicht nach hinten losgehen.