Ansichten eines Informatikers

GPS

Hadmut
1.4.2022 22:25

Da hatte ich auch schon Diskussionen, ob mit oder ohne.

Ich wollte ja mal einen (Hubschrauber-)Pilotenschein machen, aber hatte nicht das Geld dazu und auch das Einsehen, dass ich nicht die Zeit hatte, dann auch so oft zu fliegen, um dann ein guter Pilot zu sein. Aber das Interesse natürlich schon und auch schon ein bisschen was aus Lehrbüchern gelernt. Und mir irgendwann auch mal mit einem Flugsimulator die Flugnavigation angesehen, obwohl das mit der Navigation bei den Hubschraubern einen Ticken weniger wichtig ist, weil die meist kürzere Strecken und mehr auf Sicht fliegen, dafür weniger über See, seltener über Wolken und sowas. Obwohl es ja von Franz-Josef Strauß gerüchtete, der Überminister der Bayern sei an sich kein so schlechter Pilot gewesen, aber Navigation sei nicht seins gewesen, er sei immer wieder mal (verboten) so tief geflogen, dass er die Wegweiser der Autobahn habe lesen können um zu sehen, wo es lang geht. Und das sei folgenlos geblieben, weil er halt der Ministerpräsident war.

Vor Jahren, 2010, saß ich in Neuseeland bei einer Abendveranstaltung mit Abendessen zufällig mal mit einem australischen Ehepaar am Tisch, er Verkehrspilot. Wir sind halt drauf gekommen und ich habe erzählt, dass ich so gerne wollte, aber nicht konnte. Dass ich auch mal überlegt hatte, den Pilotenschein in den USA zu machen. Er hatte mir stattdessen Südafrika empfohlen. Da sei es schöner, billiger, und die Ausbildung sei vom Besten. Allerdings gäbe es dort keine Amateurpilotenausbildung, sondern – trotzdem billiger – nur knackige Berufspilotenausbildung, wo man dann auch gleich lernen muss, Außenlast zu tragen, jemanden abzuwinschen, viel mehr Notfalltraining und dergleichen mehr. Man müsste einige Zeit dort verbringen, aber dann könnt’ man’s halt richtig, und schöner sei die Stadt allemal.

Er selbst war Pilot von Flächenflugzeugen, also normaler Verkehrspilot, und beklagte, dass es mit dem Können australischer Piloten nicht zum Besten stehe. Viele Amateure, aber auch manche Berufspiloten würden das mit der normalen Funknavigation nicht mehr hinbekommen (oder noch nie richtig), weil sowieso nur noch jeder per GPS navigiert. Wenn überhaupt. Australien ist insofern tückisch, weil viele Piloten da nur die Küste entlang von Großstadt zu Großstadt fliegen. Navigation heißt da im Wesentlichen, dass man sich nur merken muss, ob das Wasser links und das Land rechts oder umgekehrt ist (erleichtert durch den Umstand, dass Wasser und Land dort in unterschiedlichen Farben gehalten sind), und man halt fliegt, bis „große Stadt“ kommt. Ich habe da zwar auch schon ganz andere Stimmen gehört, das sehen nicht alle so. Aber es stand eben auch schon in Fliegerzeitschriften, dass es dort mitunter sehr rustikal zugehe, und die nicht alle so fliegen, wie man sich das wünschen würde. Selbstverständlich gilt auch in Australien die alte Fliegerregel „runter kommen sie alle“. Das heißt aber nicht, dass man sie auch alle findet. Etwas Schwund ist immer.

Das ist wohl der Grund, warum es in Australien angeblich überproportional viele tote Amateure gibt. Weil die mal ins Outback fliegen und das nicht überleben. Weil sie nicht gwohnt sind, anspruchsvoll zu navigieren, sondern nach Sicht fliegen. Die Gemeinheit ist nämlich, dass das Hirn und die Erfahrung von Amateurpiloten darauf ausgelegt sind, dass das Aussehen von Landschaft a) zeitinvariant b) ortsvariant ist. Dass man also eine Gegend wiedererkennt und eine andere Gegend unterscheiden kann. Das ist in Australien aber nicht so. Da gibt es viele Gegenden, die untereinander gleich aussehen und viele Muster, die sich da immer wieder wiederholen, man sich also völlig darüber irren kann, wo man ist, wenn man nach Sicht fliegt. Andererseits ändern die Landschaften über den Tag ganz erstaunlich ihr Aussehen, weil viele Formationen Oberflächen haben (Details führen jetzt hier zu weit), die abhängig von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und deren Verlauf ganz unterschiedliche Farben und Muster haben können, auf einmal gestreift sind und sowas. Also im Gegenteil a) zeitvariant und b) ortsinvariant. Viele denken, das sei im Outback recht einfach, weil man ja dann, wenn man sich verirrt, einfach nur Richtung Meer fliegen muss, bis man das Meer sieht. Ja. Wenn man denn überhaupt merkt, dass man sich verirrt hat, und dann auch noch der Sprit reicht. Außerdem ist das mit der Richtung so eine Sache. Zumindest am Boden (keine Ahnung, wie das in der Luft ist), können magnetische Kompasse dort mitunter ziemliche Fehler anzeigen, weil es dort sehr eisenhaltige Felsen gibt. Ich bin auf einem Berg rumgekraxelt, dessen Felsen so eisenhaltig waren, dass man sich dabei fühlte (und es sich auch etwas danach anhörte), als würde man auf einem Schrotthaufen rumlaufen. Dazu kommt, dass in Down Under die magnetische Missweisung sehr stark werden kann, je näher man am Pol ist. Besonders stark merkt man das in Neuseeland. Ich weiß jetzt nicht mehr, wieviel, aber ich habe so grob in Erinnerung, dass die dort mehrere zig Grad betragen kann. Und wenn man meint, auf dem kürzsten Weg zum Meer zu fliegen, und dann einige zig Grad falsch fliegt, kann es halt sein, dass der Weg länger ist. Zu lang. Es funktioniert nicht, nach Sicht zu fliegen und als Reservetaktik nach Kompass in die Richtung, in der man das Meer vermutet, oder aus der man gekommen zu sein glaubt. Inzwischen dürften zwar die meisten Flugzeuge moderne Navigationssysteme und nicht mehr nur den alten analogen Uhrenladen haben, zumal es die ja auch zum Anpappen gibt, aber wenn’s ausfällt, weiß man dann halt auch oft nicht, was tun.

Ich habe ja mal diesen Sportbootführerschein gemacht. Wo man auch so ein bisschen, ein klein wenig, Navigation lernt. Hatte mich da auch mit dem unterhalten, der den Kurs gab, weil der Ahnung von der Seefahrt hatte, und ich eben nicht. Es gibt zum Beispiel Hafeneinfahrten und Rinnen, die man nur unter einem ganz bestimmten Winkel befahren darf, weil man sonst kollidiert, auf Grund läuft, Natür stört oder sowas. Dazu gibt es verschiedene Formen von Signalen, um den richtigen Winkel zu treffen. Bei Tageslicht und guter Sicht gibt es welche, bei denen zwei Zeichen hintereinander versetzt und etwas höhenversetzt auf Land stehen, und man dann so fahren muss, dass man sie exakt übereinander sieht. Bei Dunkelheit gibt es Leuchttürme, die farbige, in Sektoren unterteilte Gläser haben, und man dann daran, in welcher Farbe man den Turm sieht, zu weit rechts, zu weit links oder richtig ist. Die Frage kam auf, ob man das nicht heute per GPS mit dem Kartenplotter macht. Antwort: Keinesfalls. GPS-Geräte seien viel zu ungenau für solche Situationen. Die Sektorengläser dieser Türme seien so präzise geschliffen und justiert, dass die Genauigkeiten von mindestens einem halben oder Zehntel Grad erreichen, dass sie nicht nur viel genauer sind als die Anfahrt mit GPS, sondern auch zuverlässiger. Da leuchtet halt eine Lampe, heutzutage mit Ersatzlampe und Überwachung, und daran, ob man die richtige Farbe sieht, kann einfach nicht viel schief gehen und ausfallen. GPS dagegen könne zu Ablese-, Funktions-, Positionsfehlern führen, Ausfälle haben und schwanke in seiner Genauigkeit selbst bei modernsten Geräten. Deshalb müsse man lernen, ganz ohne GPS zu navigieren. Leider würden das heute viele verlernen, weil es halt so bequem sei, mit dem Navigationscomputer per GPS zu navigieren. Ich habe mal drauf geachtet, weil ich ja in vielen Ländern schon mit irgendwelchen Schiffen und Ausflugsbooten gefahren bin, auch über das offene Meer. Ich könnte mich jetzt nicht erinnern, dass irgendeiner da herkömmlich navigiert hätte. Jedes halbwegs aktuelle Schiff hat nicht nur GPS, sondern am Steuer ein Display, den sogenannten Kartenplotter, der Position, Kurs und so weiter anzeigt. Manchmal sogar mit Autopilot. Gut, das waren jetzt auch häufig Strecken, die die Leute täglich fahren, das kann durchaus sein, dass die die Navigationspunkte zur Kenntnis nehmen, ohne dass ihnen das einer noch anmerkt.

Das müssen seit einiger Zeit auch die führenden Offiziere amerikanischer Kriegsschiffe. Da gab es einige Vorfälle und auch zwei seltsame Kollisionen, bei denen man davon ausgeht, dass der Bordcomputer falsch gefahren ist, weil das GPS verwirrt war und falsche Daten meldete. Es gab ja mal so eine Aktion, teils unter Geheimhaltung, wonach man schleunigst alle US-Kriegsschiffe in die Werften zurückholte, um irgendwas nachzurüsten – und die Offizieren mussten plötzlich lernen, mit dem Sextanten zu navigieren. Wie man das früher machte. Man ging davon aus, dass irgendwer – im Verdacht Chinesen und vor allem Russen – das GPS gestört und sogar gezielt Kollisionen hervorgerufen hatten, um die Muskeln spielen zu lassen und die Amerikaner aus den Gewässern zu vertreiben.

So ganz glaube ich daran nicht, weil Schiffe, jedenfalls Kriegsschiffe, aber bei großen Tankern würde ich auch drauf wetten, mehrere Systeme eingebaut haben, darunter Kreiselkompasse, die ständig gegeneinander abgeglichen werden, und das Schiff das erkennen würde, wenn das GPS keine plausiblen und zu den anderen Systemen passenden Werte liefern würde. Das ist nicht so (oder sagen wir mal, es sollte nicht so sein), dass die einfach gegen die Wand fahren, wenn falsche GPS-Daten kommen.

Ich kann mich allerdings erinnern, dass ich damals, als ich noch in Dresden gearbeitet habe und mir als Dienstwagen damals als einziger in der Firma ein Modell mit eingebautem Navigationssystem bestellt hatte, mal eine seltsame Störung hatte. Ich fuhr so in der Gegend von Chemnitz die A4 entlang, Richtung Osten, und rund 10 Minuten lang zeigte das Navi plötzlich an, dass ich durch das Ruhrgebiet fahren würde. Das könnte natürlich auch ein Softwarebug oder Störung nur des Fahrzeugsystems gewesen sein, aber komisch fand ich das schon. Danach nie wieder passiert.

Störungen des GPS hätten noch andere Auswirkungen. Zwar ist es in der Computertechnik heute üblich, die Normalzeit über das Netz per NTP-Protokoll zu holen, aber manche Leute, auch Rechenzentren, verwenden immer noch eigene Zeitempfänger. Das waren lange DCF77-Empfänger, die kommen aber aus der Mode, weil zu länderspezifisch. State of the art sind GPS-Empfänger, auch in fest im Boden verankerten und unbeweglichen Rechenzentren, weil der GPS-Empfänger nebenbei auch die präzise Uhrzeit liefert, und die inzwischen billig zu bekommen sind. Ich habe mal einen GPS-USB-Stick aus China für 7 Euro bestellt. Funktioniert wunderbar. Wenn das Ding aber eine falsche Uhrzeit liefern würde … ich weiß von einem Fall, indem ein Datenbanksystem nach Angriff alle seine Daten löschte – weil alle Daten, die älter als vier Jahre sind, als veraltet gelöscht werden, macht die Software so. Und jemand schaffte es, dem Ding eine falsche Uhrzeit in der Zukunft unterzujubeln.

Das alles heißt aber schon, dass wir schon ziemlich abhängig vom GPS geworden sind. Und mehr noch, dass nicht nur ein Ausfall von Übel wäre, sondern falsche Daten enorme Wirkungen haben können.

Golem schreibt gerade, dass die Russen gerade in verschiedenen Gegenden großflächig das GPS stören, um nicht von Raketen getroffen zu werden.

Könnte eine neue Quelle für unerwartete Heiterkeit werden.

Sowas wie einen Straßenatlas habe ich nicht mehr. Schon lange nicht mehr.