Ansichten eines Informatikers

„Außer Betrieb“

Hadmut
25.2.2022 18:30

Wie ich mir gerade so richtig verarscht vorkam.

Ich war gerade unterwegs. In der Stadt was erledigen, aber auch die Beine mal vertreten, man muss ja schon auch mal ein paar Schritte tun. Ich roste hier ja vom Home-Office völlig ein. Also bewusst eine etwas größere Schleife gegangen, als ich eigentlich gebraucht hätte, mit Abstecher ans Brandenburger Tor, um mal zu sehen, wieviel Remmi-Demmi dort gegen die Russen ist, weil das ja immer im Fernsehen kommt, wie groß da die Proteste sind.

Am Brandenburger Tor war da vorhin gar nichts, aber es war auch noch hell, es gab nichts anzustrahlen.

Vor der Russischen Botschaft der Gehweg abgesperrt, aber mehr Polizei als Demonstranten. Ein verlorenes Häufchen mit Ukraine-Flaggen am Mantel und zwei Schildern steht da rum und stört keinen.

Wie ich so auf dem Heimweg war, hatte unterwegs noch was gegessen, plagte mich, wie soll ich sagen, ein menschliches Bedürfnis. Die Natur rief, und die Blase fühlte sich berufen, dem Ruf zu folgen. Nun, dachte ich mir, eine Krise will ich das nicht nennen, denn bis nach Hause schaffe ich es ohne weiteres. Aber Wohlgefühl ist halt auch anders.

Als ich auf einmal auf einem Weg, der mir schon bekannt war, den ich aber von Coronas wegen schon einige Zeit nicht mehr gegangen war, etwas auffiel, was dort vorher nicht stand: Klohäuschen. An einem Park. Vor der Bundesdruckerei, wo Eure Personalausweise und Reisepässe gemacht werden. Nagelneu, modern, sauber, offenbar hingestellt, um der Wildpinklerei in Berlin irgendwie Herr zu werden. Und auch so gemacht, dass man keinerlei Tür öffnen oder Türklinke anfassen müsste. Eher so zum einfach Reingehen, wie die alten Pinkelanlagen auf den Straßen von um 1900. Nur halt nicht mehr so barock und gußeisern verziert, sondern nüchtern rechteckig Klinkerbau mit Edelstahlarmaturen. Zwar kein Sichtschutz, dafür aber von vornherein zu sehen, dass da weder Dreck noch Junkie drin lauern. Wie überaus angenehm und erfreulich in einer Lage wie er meinen.

Es brauchte also nicht viel der Überredung, um meinen Beschluss zu fassen, selbiges Etablissement aus gegebenem Anlass und Bedürfnis einen Testbesuch abzustatten, verbunden mit dem Vorsatz, ihm dankend und lobend in meinem Blog Erwähnung zukommen zu lassen.

Aber, ach.

Die, wie soll ich sagen, also die Verrichtung, das Prozessuale, der Hauptzweck meines Besuchs ging wunderbar vonstatten, zu meiner vollen Zufriedenheit und Erleichterung. Nichts zu meckern. Als ich dann aber in der Wand die rechteckige Vertiefung samt Ausstattung zum Waschen der Hände entdeckte, wurde ich entgegen meines Vorsatzes, dort nichts zu berühren, übermütig, denn zwei hinterleuchtete Edelstahltasten leuchteten mich schon sehr einladend an. Also ließ ich mich so breitschlagen wie auf das Unterfangen ein, auch die Hände zu waschen. Nicht etwa, weil ich es nötig hätte, sondern um zu testen. Und dann war es dahin mit der guten Laune.

Denn eigentlich hatte ich in erster Näherung erwartet, dass da bei solcherlei hygienischem Gesamtkonzept so ein Sensor ist, der das Wasser automatisch startet. Kam aber auch bei energischem Wedeln nichts auslösen.

Weil also auf der linken Taste ein Tropfen war, und sonst nichts kam, dachte ich, probierste mal den. Prompt kam ein großer Spritzer, da geizen sie nicht, an Flüssigseife. Genau auf die Hand. Wohin auch sonst. Kein Wasser. Mmmmh, dachte ich, die Hand voller Seife, da gibt’s jetzt kein zurück. Probieren wir also die andere Taste, die mit dem Wellenmuster. Könnte für Wasser stehen.

Das Heißluftgebläse, der Trocker ging an, um mir die Hand zu trocken, die vorher nicht benässt war, was dazu führte, dass die Seife dann auch gleich etwas antrocknete und die Hand so richtig klebrig wurde. So entfernt ähnlich wie Honig.

Erst mal umgeguckt. Versteckte Kamera? Herzlich Willkommen bei „Verstehen Sie Spaß“ ? Kommt jetzt ein Showstar rein, um mir die Hand zu schütteln?

Dann genauer angeguckt. Runtergebeugt. Da scheint schon ein Sensor zu sein, der das Wasser einschaltet. Strom hat es zweifellos auch. Aber wohl einfach kein Wasser mehr oder überhaupt noch nicht.

Am zweiten Urinal nebendran, derselbe Effekt.

Erst als ich um das ganze Häuschen außenrum ging und auf der anderen Seiten ankam, merkte ich, dass ich eigentlich von der Rückseite gekommen bin und vorne eine große Stahltür für ein behindertengerechtes Unisex-Klo eingebaut war, nebendran mit einer großen, roten Anzeige: „Außer Betrieb“.

Toll.

Ich bin begeistert.

Als ich also einerseits erleichtert, andererseits mit klebriger Hand den Heimweg antrat, und noch überlegt habe, ob ich mit der anderen Hand die Wasserflasche aus dem Rucksack fischen sollte, um das Malheur mit Mineralwasser zu beheben, ging mir so durch den Kopf, dass ich den alten blöden Informatiker-Witz hätte beherzigen sollen:

Treffen sich drei Informatiker auf dem Konferenz-Herren-Klo.

Der erste kommt ans Waschbecken, macht eine Riesensauerei, lässt Warm- und Kaltwasser laufen, verbraucht 17 Spritzer Seife und den halben Vorrat an Papierhandtüchern, produziert eine Unmenge verbrauchten Papiers und macht den halben Mülleimer damit voll. Als die anderen zwei gucken, was zur Hölle er da treibt, sagt er „Ich bin Windows-Entwickler. Wir sind sehr gründlich und effektiv, und wir machen alles, um das Ziel voll und ganz zu erfüllen.“ Mmmh.

Der zweite kommt ans Waschbecken, vollführt ganz erstaunlich kunstvolle Handbewegungen, verbraucht nur sehr wenig Wasser dafür, nur ein kleines Spritzerchen Seife, um ausgeklügelt die Hände zu benetzen und mit einem Minimum zu spülen. Nimmt sodann nur ein einziges Blatt aus dem Spender, tupft sich nach exakt choreographiertem Begungsablauf optimal die Hände damit ab, um das Papier völlig auszunutzen, legt es wieder perfekt und raumsparend zusammen und dann so in den Mülleimer, dass es ohne Volumen zu verschwenden so in der Ecke liegt, dass es nicht nur ordentlich aussieht, sondern die optimale Nutzung verspricht. Als die anderen zwei gucken, sagt er „Ich bin MacOS-Entwickler. Wir sind sehr sorgfältig und effizient und ereichen unser Ziel planvoll, optimiert und sehr umwelt- und resourcenschonend.“ Aha.

Der dritte geht am Waschbecken einfach vorbei und benutzt es gar nicht. Als die anderen zwei vorwurfsvoll gucken, sagt er „Ich bin Linux-Entwickler. Wir pinkeln uns erst gar nicht auf die Finger.“