Ansichten eines Informatikers

RT News untersagt

Hadmut
2.2.2022 22:59

Kam gerade im Fernsehen.

Die Behörden hätten die Ausstrahlung von RT News auf deutsch untersagt (RT ist der russische Sender, hieß früher Russia Today). Die erforderliche medienrechtliche Zulassung liege weder vor, noch sei sie überhaupt beantragt worden. Zum Beispiel beim Deutschlandfunk findet man dazu:

Die Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten erklärte, die erforderliche medienrechtliche Zulassung liege für den deutschen Ableger des russischen Senders nicht vor. Diese sei weder beantragt noch erteilt worden. Daher sei die Verbreitung über Livestream im Internet, über die App „RT News“ und über Satellit einzustellen.

Als Konsequenz kündigte das Außenministerium in Moskau Vergeltungsmaßnahmen gegen in Russland akkreditierte deutsche Medien an.

Dem russischen Sender RT DE wird immer wieder vorgeworfen, Desinformation und Propaganda zu verbreiten.

Leser meines Blogs wissen, dass ich mich einiges mit Presse- und Rundfunkrecht beschäftigt habe. Ich halte das für willkürlich und verfassungswidrig.

Grundsätzlich kann man darüber streiten, unter was das überhaupt fällt, ich hatte ja schon berichtet und erklärt, dass sich die Juristen da nicht einig sind, und das, was gängige Praxis ist, nicht logisch ist. So wurde bisher definiert, dass Presse eine körperliche Verbreitung ist (Zeitung, Zeitschrift, aber auch CDROM), was aber vom Stand der Technik im 20. Jahrhundert stecken geblieben ist. Ich hatte ja mal beschrieben, dass es einen besseren Ansatz gibt, der sich aber (noch) nicht durchgesetzt hat, nämlich Presse als etwas anzusehen, bei dem es dem Empfänger überlassen wird, welche Stellen er in welcher Geschwindigkeit wahrnimmt (Text, Bild), und in der Sinneswahrnehmung beschränkt ist. Rundfunkrecht dagegen für Medien, bei denen der Sender die Geschwindigkeit der Wahrnehmung vorgibt und deshalb, vor allem auch multimedial, die Möglichkeit zum Nachdenken einschränkt und eine verstärkte Wirkung ausübt (Audio, Video). Hat sich noch nicht durchgesetzt. Was man derzeit hat, weiß man aber auch nicht so genau, oder will es, besser gesagt, auch gar nicht so genau festlegen.

Einerseits will man Leuten wie mir weder Presse-, noch Rundfunkfreiheit zugestehen, und hat deshalb normalgesetzlich eine dritte Kategorie, das Telemedium, geschaffen, um uns zwar zu kontrollieren wie Rundfunk, aber keine Rechte zu geben.

Seit der Neugestaltung des Rundfunkstaatsvertrages und dessen Umbenennung in Medienstaatsvertrag gehen die Bundesländer aber eine perfide Gangrichtung:

  • Was nicht groß und mainstream ist, kann weder Presse noch Rundfunk sein, deshalb auch weder Presse-, noch Rundfunkfreiheit haben.
  • Gleichzeitig und trotzdem werden Telemedien zu Rundfunk erklärt, ohne Rundfunk zu sein. Klingt beknackt, ist es auch, nämlich weil sie gleichzeitig sagen, dass man eine Rundfunklizenz dafür braucht, weil man Rundfunk ist, sie aber nicht bekommt, weil man kein Rundfunk ist. Und damit die Sendung mangels Lizenz untersagen kann.

Ich bekomme ja auch keinen Presseausweis, obwohl ich alle Bedingungen erfülle. Eine Begründung für die Verweigerung bekomme ich aber auch nicht.

Wir schlittern gerade mit hohem Tempo in ein Staat, der Presse- und Medienfreiheit abschafft und das alles auf eine Staatspresse und einen Staatsrundfunk reduziert – wie praktisch, dass ein großer Teil der Presse gleich dem Pressekonzern SPD gehört. Die kann dann auch gleich die Gesetze in eigener Sache machen.

Ich halte es im Allgemeinen für verfassungs- und demokratiewidrig, dass man für Rundfunk überhaupt eine staatliche Lizenz braucht.

Ich sage „im Allgemeinen“, weil ich eine Ausnahme dabei für vertretbar und richtig halte: Sendefrequenzen, zumindest die analogen früherer Zeiten, waren ein knappes Gut. Es bestand daher ein öffentliches Interesse daran, dass die wenigen Frequenzen, die zur Verfügung standen, und die staatlich betriebene Sendeinfrastruktur so ausgenutzt werden, dass auch tatsächlich der Rundfunkauftrag erfüllt und ein ständiges Programm gewährleistet wird. Dafür – und nur dafür – halte ich eine Zulassungspflicht für vertretbar und richtig. Weil man ja auch sonst die Rundfunkfreiheit verletzen könnte, indem man Frequenzen belegt und dann nichts oder nur Unsinn sendet, sonderm also andere blockiert.

Im Internet gilt das aber nicht. Da kann man keine Übertragungskapazitäten belegen, ohne auch empfangen zu werden. Da kann man beliebig viele Sender anbieten.

Und es gilt eigentlich auch nicht mehr im Digitalfernsehen, wo wir bei DVB-T2, DVB-C2, DVB-S2 nicht nur mehr als genug Sendekapazität (notfalls mit reduzierter Qualität) haben, sondern auch (zumindest bei DVB-T2) Pseudosender anbieten, die nur ein Standbild und eine Internet-Adresse übermitteln und den Fernseher dazu bringen, automatisch zu streamen, womit man sehr, sehr viele Sender übertragen kann. Ich kann jetzt gar nicht sagen, wieviele Sender mein Fernseher hier in Berlin mit einer DVB-T2-Antenne reinbekommt, weil die Kanalnummer nicht lückenlos aufeinanderfolgen und ich sie einzeln durchzählen müsste, außerdem schon so viele aus der Liste gelöscht habe, aber zusammen mit den Pseudosendern dürften das mindestens 200 Sender sein. Darunter gruseliger Mist.

Wobei mir nicht ganz klar ist, ob nur die Sender mit den zweistelligen Kanalnummern tatsächlich über DVB-T2 übertragen werden (und sei es nur als Pseudosender mit Streaming), oder auch die unzähligen anderen Sender mit Programmnummern ab 4000 per DVB-T annonciert werden oder die der Fernseher selbst aus dem Internet holt. Eigentlich auch egal.

Und ich würde durchaus bezweifeln, dass die sich alle eine solche Rundfunklizenz leisten können, die ist nämlich teuer. Und da ist extremer Nischenmist mit drunter.

Ich halte es also über die reine Verfassungswidrigkeit der Forderung einer Lizenz auch ohne Nutzung knapper Sendefrequenzen hinaus auch für willkürlich, wenn ich hier schon im Fernseher Hunderte Nischen- und Nonsenssender reinbekomme.

Ich verstehe auch nicht, was da das geschützte Rechtsgut sein soll.

Ihnen wird Fake News unterstellt. Wird das auch bewiesen? Und wer tut das überhaupt?

Hat man nach der Relotius-Affäre SpiegelTV verboten?

Und was ist eigentlich mit meinen Rechten als Konsument?

Artikel 5 Grundgesetz

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.

Verstößt RT denn gegen „allgemeine Gesetze“?

Schwerlich. Selbst wenn man ihnen Fake News unterstellt, es gibt in Deutschland kein Gesetz, das Lügen im Allgemeinen verböte. Ich kann hier behaupten, dass der Mond aus Schokolade ist, einmal im Jahr in Afrika geputzt und neu dragiert werden muss, weil die Kosmosratten so viel davon fressen, und dass die Woche 9 Tage hat. Beides ist gelogen, aber es verstößt gegen kein Gesetz. Selbst wenn RT löge, es verstieße im Allgemeinen gegen kein Gesetz.

Ich halte das für äußerst kritisch und demokratiewidrig, was hier gerade abläuft. Hier werden gerade systematisch alle Medien zertrümmert, die von der Regierungsliste abweichen.

Vor allem stört mich diese abgrundtiefe Regierungsverlogenheit, die gleichzeitig hier einen Regierungsfunk und eine Regierungspresse etabliert und den Russen vorwirft, genau das zu tun.

Ich kann nur hoffen, dass die Russen sich dagegen wehren.