Ansichten eines Informatikers

Vom blöden Märchen, es käme nicht auf die Kamera an…

Hadmut
27.12.2021 3:24

Von einer nicht auszurottenden Legende.

Es geht ja die Rede, dass es nicht auf die Kamera, sondern auf den Fotografen ankäme.

Gern verstärkt durch anekdotische Evidenz in Form der Behauptung, dass Helmut Newton, einer der bekanntesten Fotografen, der Meinung im Allgemeinen gewesen sei, dass es nicht auf die Kamera ankäme, und im Besonderen eine Auseinandersetzung mit einem Koch gehabt habe, er zunächst sagte, Newtons Bilder seien wunderbar, er müsse eine gute Kamera haben, worauf Newton geantwortet habe, das Essen schmecke wunderbar, er müsse gute Töpfe haben.

Abgesehen davon, dass man Newton für gewöhnlich mit teuren Kameras wie Rolleiflex sah, und nicht mit billigen Knipsen, und das sicherlich seinen Grund hatte, bezweifle ich, dass der jemals sowas gesagt hat. June Newton ist leider 2021 auch gestorben, die hätte das gewusst. Ich hatte deshalb neulich bei der Stiftung angefragt, bisher aber keine Antwort bekommen. Zumindest teilweise, Rolleiflex, hat der da nämlich auf Mittelformat, 6×6, fotografiert. Das tut niemand, der die Kamera für unwichtig hält.

Davon abgesehen hat Newton mit analogen, chemischen Kameras fotografiert. Und da spielt die Kamera wirklich keine große Rolle, sondern das Objektiv und der Film. Im digitalen Zeitalter übernehemen aber der Sensor und der Prozessor die Rolle des Filmes, womit schon damit eine Wichtigkeitsverschiebung stattfindet. Newton wird auch keine billigen Supermarktfilme verwendet haben, sondern Markenware.

Was man sicherlich sagen kann, ist, dass bei vielen Leuten die bessere Kamera nichts bringen würde. Weil es auf beides, Fotograf und Kamera ankommt. Je nachdem, was das limitierende Element ist. Das ging mir 2009 so, als ich meinen alten Minolta-Kram aus der Studienzeit ausgemustert habe, weil ich nicht vorankam. Da war die Kamera das limitierende Element. Ich habe mir teuer Nikon-Zeugs gekauft, und schon war ich selbst das limitierende Element. Das gibt aber Entwicklungsmöglichkeiten nach oben.

Momentan bin ich gerade in so einer Fotoflaute. Ich hatte ja neulich geschrieben, dass ich mich fühlte, als hätte ich alles, vor allem den Blick für das Motiv, verlernt. Zu lange nichts gemacht, COVID-19, Pandemie, zuviel Arbeit, keine Zeit.

Dazu kommt, dass ich gerade nicht ganz glücklich mit der Ausrüstung bin, weil ich inzwischen das Problem habe, etwas alterssichtig geworden zu sein und eine Lesebrille zu brauchen. Mit einer herkömmlichen Spiegelreflex-Digitalkamera wie einer D800 kann ich nicht mehr gut arbeiten, weil ich nicht gerne mit Brille durch den Sucher gucke, sondern die Dioptrienkorrektur verwende, dann aber das Display für Menüs und Bildkorrektur nicht mehr scharf sehen kann. Ich müsste ständig die Brille auf und absetzen.

Nun kommen mir das die neuen spiegellosen Kameras sehr entgegen, weil ich da Menü und Foto im Sucher sehen kann, also mit der Dioptrienkorrektur statt mit Brille. Wunderbar.

Leider ist dadurch meine Ausstattung etwas veraltet. Ich habe dazu eine Nikon Z6 (die ich entgegen meines festen Beschlusses, sie wegen des fehlenden SD-Kartenslots nicht zu kaufen, wegen der Pandemie dann doch gekauft habe, um mich dann fürchterlich zu ärgern, weil drei Wochen später die Z6 II mit diesem Slot und weiteren Verbesserungen angekündigt wurde). Zwar „passen“ die alten Objektive mit Adapter fast alle an die neuen Kameras, aber so richtig Spaß macht es nicht, weil alles ein Stück länger wird (anderes Auflagemaß). Alles neu zu kaufen habe ich jetzt aber auch keine Lust, weil die das jetzt alles zwar besser, aber auch viel teurer gemacht haben. Da gingen jetzt auch nochmal bis zu 10.000 Euro raus, und das sehe ich jetzt nicht ein, zumal ich sowieso gerade nur zuhause rumhocke und ja nicht zum Fotografieren komme.

Außerdem bin ich mir unschlüssig, ob ich bei Nikon bleibe oder auf Sony umsteige. Nikon hat(te) da so ein bisschen den Anschluss verloren, holt aber etwas auf.

Deshalb war ich mit der Z50 auf der Expo, einer hübschen kleinen spiegellosen Kamera, sogar recht preisgünstig, die ich als Ersatz für meine alte D300s gekauft habe, weil eben mit dem kleineren Sensor (APS-C-Größe, heißt bei Nikon DX-Format), weil ich einige Objektive für den kleineren Sensor von der D300s habe und einige Asiaten gerade ganz wunderbare spottbillige Festbrennweiten für kleine Sensoren herstellen.

Die Z50 ist eine richtig gute Kamera, die mir ziemlich viel Spaß macht.

Aber, ach.

Man merkt dann halt doch, dass man bei der Kamera gespart und sie günstig gebaut hat. Der Sensor ist halt nicht so superempfindlich und auflösend, und eine eingebaute Bildstabilisierung gibt es nicht.

Und bei den schwierigen Lichtverhältnissen auf der Expo, bei gleichzeitigem Gedränge und viel Bewegung in allem, war die Kamera eben schlicht und einfach an ihren Limits. Die Bildergebnisse reichen überwiegend für die Webseiten, aber druckfähig wären die nicht.

Dazu kommt noch ein anderes Problem.

Ich hatte zwar gute Objektive von Nikon dabei, konnte sie aber nicht benutzen, weil auf der Expo alles riesig ist, aber aus kürzester Entfernung fotografiert werden muss – entweder, weil nicht genug Platz ist, oder weil sonst zuviel Leute im Bild sind.

Meine kürzeste Brennweite für das DX-Format fängt bei 10mm an. Reicht nicht. Ich habe zwar auch Fisheye-Objektive, die weiter gehen, aber die verzerren kugelförmig. Das stört in der freien Natur mit mittigem Horizont nicht, aber auf der Expo mit den vielen Wänden und geraden Linien geht das gar nicht. Ja, sagen manche, es gibt doch eine Objektivkorrektur. Jo. Die hilft vielleicht, um ein normales, verzerrendes Weitwinkelobjektiv zu entzerren, aber ein richtiges Fisheye auf gerade umzurechnen nutzt einem da nichts, weil dann so wenig Bild aus der Bildmitte verwendet werden kann, dass das Ergebnis kein starkes Weitwinkel mehr ist, aber massivst Auflösung verloren geht. Es reicht halt nicht, einen Button in der Software zu kennen (es sei denn, man gehört zu denen, denen die Kamera egal ist).

Ich hatte, eigentlich nur zum testen, ein Laowa 9mm Zero-D-Objektiv dabei, Zero Distortion. Verzeichnungsfrei. Eigentlich für Sony-E-Bajonett, mit einem Adapter auf Nikon-Z, der nur leidlich funktionierte und die Kamera permanent elektronisch störte. Da ist die Firmware noch nicht ausgereift. Dazu manuelles Scharfstellen, weil das Objektiv kein Autofokus-Objektiv ist.

Weil ich da nicht ständig die Schärfe nachstellen konnte (ging dann unter dem Zeitdruck und in der Dunkelheit nicht, zumal die Kamera Probleme hat, wenn sie mangels Elektronik im Objektiv nicht feststellen kann, was sie da gerade drauf hat), habe ich die Blende so weit zugedreht, dass ich in der Hyperfokaldistanz (so eingestellt, dass möglichst viel bis unendlich Horizont scharf ist) fotografieren kann und gar nichts einstellen muss, aber das schluckt dann wieder enorm Licht, und das ist übel, wenn weder Kamera noch Objektiv Bildstabilisierung haben (auch wenn man die bei 9mm kaum braucht).

Langer Rede kurzer Sinn: Die mitgeführte Kamera war zwar klein, leicht, bequem, aber mit den speziellen Anforderungen der Expo einfach überfordert. Da wäre eine Vollformat-Kamera mit gutem Sensor und Bildstabilisierung sehr nützlich gewesen.

Allerdings muss man sich dann auch die Frage stellen: Wozu?

Ob sich das lohnt, die ungleich schwerere und größere Ausrüstung mitzuschleppen und das Geld auszugeben, ist eine andere Frage.

Dazu kommt das Problem, dass ich mit Gewicht und Rucksackgröße bereits am Bordgepäck-Limit der Fluglinie war. Mehr mitzunehmen wäre einfach nicht gegangen. Oder doch, schon, aber das hätte nicht nur Aufpreis gekostet, sondern auch meine Tragefähigkeit überfordert, weil das noch eine Tasche mehr gewesen wäre.

Es ist nicht unbedingt ratsam, eine größere, schwerere Kamera mitzunehmen, wenn man sie wie dort jeden Tag 12 Stunden rumschleppen muss. Ich bin immer so kurz vor oder nach Mittag hingefahren und nach Mitternacht zurückgekommen. Und da haben sie mich schon angeguckt wie einen Bekloppten, weil ich diesen Rucksack dabei hatte, teils mit Zusatztäschchen drauf, während der Wüstensohn meist außer einem Handy und einer Kreditkarte gar nichts mit sich rumträgt und nicht auf die Idee käme, einen Rucksack in der Hitze rumzuschleppen.

Das ändert aber nichts an der grundsätzlichen Erkenntnis, dass es auf die Kamera sehr wohl ankommt, wiewohl auf die Frage, wie wichtig es einem dann ist.

Als ich dort gerade so überlegt hatte, ob es nicht schlauer sei, einfach wie alle anderen nur ein Handy mitzunehmen, sprach mich ein älterer Mann höflich an, ob er sich die Marke des Rucksacks notieren und mal reinschauen dürfe. Dem Aussehen und der Sprache nach aus Südamerika. Ein gerade in Rente gegangener Berufsfotograf, der nun sein Rentnerdasein mit Weltreisen verbringt und sich einen schlanken Fuß machen und, wie das heute so üblich ist, nur mit einem guten Handy verreisen wollte. Er sagte, er ärgere sich in Grund und Boden, weil er seine Fotoausrüstung zuhause gelassen habe. Er produziere mit seinem – teuren – Handy dort nur Ausschuss. Da schlägt dann halt die Physik zu, wenn es finster ist und die Belichtungszeiten kurz sein müssen, und die Bilder zu sehr zusammengerechnet werden müssen.

Ich hätte ja so gerne mal die vielen Bilder und Videos gesehen, die die Leute da in unendlichen Mengen mit ihren Handys gemacht haben. Die sahen oft verblüffend gut aus, aber eben auch nur auf dem Handy-Display. Weil die per Software so gerechnet werden, dass sie da gut aussehen, denn woanders werden sie ja auch kaum noch benutzt.

Insofern kommt es sehr wohl auf die Kamera an. Mit der D800 hätte ich viel bessere Bilder hinbekommen (sofern ich sie überhaupt hinbekommen und noch hätte rumschleppen können). Ich habe dort nur in der ganzen Zeit fast niemanden mit einer Spiegelreflexkamera gesehen. Sogar ein Fernsehteam von MSNBC war nur mit Handy und Mikrofon unterwegs, das per Kabel an das Handy angeschlossen war.


Hätte ich mir eigentlich mal ansehen sollen, oder selbst ein paar Vergleichsfotos oder videos mit dem Handy machen sollen (habe ich ja eigentlich, fand ich aber nicht zufriedenstellend). Allerdings war es dort an der Stelle auch noch relativ hell.

Bisschen bescheuert kam ich mir schon vor, da mit Rucksack unterwegs zu sein, während ein Profiteam von MSNBC nur Handy und Mikrofon „schleppt“, und das noch zu zweit.

Ich habe allerdings den MSNBC-Beitrag dazu bisher nicht gefunden.