Ansichten eines Informatikers

Amygdala und die Killeraffen von Majalgaon

Hadmut
22.12.2021 18:54

Eigentlich ist so ein Titel für einen Blogartikel viel zu schade. So müsste ein Kinoblockbuster (oder B-Movie) heißen.

Wir sind ja gerade mal wieder in einer Phase der Keulenkriege. Gerade so Impfbefürworter gegen Impfgegner, Öffentlich-Rechtliche gegen bürgerliche Höhlenbewohner, eben wie mit Holzkeulen:

Der QR-Code zeigt hierhin.

Impfen hin oder her, die Tagesschau führt sich auch auf wie ein Rudel zwei Evolutionsstufen vor homo erectus.

Für mich zeichnet sich das immer stärker ab, dass unsere Gesellschaft analog zu einer Balkanisierung in verschiedene Rudel zerfällt und die Rudelmechanik im Hirn übernimmt, die sich gegenseitig unter Affengekreische mit Steinen bewerfen und mit Keulen schlagen. Das wird richtig blutig, wenn die dann irgendwann Speere und Äxte erfinden.

Immer mehr Vorgänge des zeitgeistigen Lebens und aktueller Entwicklungen erscheinen mir, als hätten da archaische Rudelverhaltensweisen die Kontrolle übernommen. Habe ich ja häufig beschrieben.

Nun läuft mir da so ein Artikel in der WELT über den Weg: Indien – Die „Killeraffen“, die nur kuscheln wollen

Irgendwo in Indien haben wohl Affen irgendwelche Hunde gestohlen, und es verbreitete sich die Mär von mordlustigen Killeraffen, die grausam Rache an Vierbeinern übten.

Die Geschichte von den „Killeraffen“ in einem indischen Dorf, die angeblich Rache üben und die Hunde ausrotten wollten, verbreitete sich rasend schnell in den sozialen Netzwerken. Sind wir Menschen vielleicht evolutiv zu Pogromen veranlagt? Die Antwort ist erstaunlich.

In einem indischen Dorf haben sich angeblich Affen zusammengetan, um die Hunde auszurotten. Dorfbewohnern zufolge wurde der Krieg zwischen den Arten dadurch ausgelöst, dass streunende Hunde im Dorf Majalgaon ein Affenbaby töteten. Daraufhin hätten sich die enragierten Affen gerächt, indem sie Hunde angriffen, auf Bäume oder hohe Gebäude schleppten und in die Tiefe warfen. Manche Berichte sprechen von 250, andere von 80 getöteten Hunden. Auch Menschen würden von den Languren angegriffen, wenn sie den Hunden zu Hilfe kämen.

Berichte und Videos über die „Killeraffen von Majalgaon“ verbreiteten sich in den sozialen Netzwerken viral.

Affen sollen einen Plan schmieden, um systematisch Hunde auszurotten?

Von einigen Menschenaffenarten ist bekannt, dass sie untereinander Krieg führen. Berühmt-berüchtigt ist etwa der von Jane Goodall beobachtete Schimpansenkrieg von Gombé, der über vier Jahre dauerte und mit der Tötung oder Kastration aller Männchen einer der beteiligten Gruppen endete. Allerdings geht es bei solchen Auseinandersetzungen immer um die Kontrolle über Ressourcen: Territorium, Nahrungsmittel oder – Vorsicht, politisch inkorrekt – Weibchen.

Klar. Kenne ich aus dem Schulunterricht. Raub der Sabinerinnen. Frauen sind halt Kriegsbeute.

Kriege zwischen verschiedenen Tierarten – oder, wie in diesen Fall, ein Vernichtungskrieg einer Art gegen eine andere – sind aber so gut wie unbekannt; zumal da es den Languren angeblich nicht um Ressourcen ging, sondern um Rache. Das wirkt geradezu unheimlich. Will sagen: menschlich.

Da riecht man schon, worauf es hinausläuft: Man unterstellt den Viechern eine böse Absicht wie bösen Geistern oder dem Teufel. Oder die Tagesschau allen anderen.

Das ist irgendwo ganz tief drinnen, jemandem, der sich anders als erwartet und rudel-/mainstreamkonform verhält, böse Absichten zu unterstellen. Kenne ich von Linken wie von Informatikprofessoren: „Das sagt der nur, weil…“ anstatt mal drüber nachzudenken oder einfach zu fragen, warum der das jetzt so macht.

Da die Affen von Majalgaon ihr Verhalten kaum den Menschen abgeguckt haben können, obwohl im Bundesstaat Maharashtra, wo das Dorf liegt, Pogrome von Hindus gegen Muslime nicht unbekannt sind, müsste man annehmen, dass unsere gemeinsamen Vorfahren uns nicht nur die Anlage zur mörderischen Rivalität um Ressourcen, sondern auch zu Rassenhass und Kulturkampf vererbt haben.

Ein Pogrom der Affen gegen die Hunde?

Die Forstbehörde hat das untersucht und herausgefunden, dass es

  • nicht eine Horde Affen waren, sondern nur ein einzelnes Paar,
  • es nicht Hass und Mord, sondern Liebe und Unfall war.

Nach deren Darstellung hatten sich die Affen auch Haus- und Kuscheltiere gewünscht, und sich das diesbezweckliche Halten von Hunden bei Menschen abgeguckt, sich also einfach Hunde geschnappt. Was zu erhöhtem Bedarf führte, weil die Hunde nicht lange hielten. Entweder sind sie bei den Affen verhungert oder aus ihrem neuen Zuhause oben in den Bäumen schlicht abgestürzt.

Nach dieser Aufklärung muss man allerdings lange suchen. Killeraffen sind einfach geiler. Was wiederum einiges über uns Menschen sagt.

Und ausgerechnet an der Stelle, an der es interessant wird, ist der Artikel zu Ende.

Die Frage, ob die Affen humanoid genug sind, um beim Menschen den Rudelmechanismus auszulösen und als feindliches Rudel betrachtet zu werden, wäre die eigentlicht Frage.

Was zu der weiteren Frage führt, ob Geister, Gespenster, Wichtelmänner, Klabautermänner vielleicht deshalb so aussehen, wie man sie sich eben so vorstellt, weil sie einfach der Negativabdruck, das minimal passende Muster für die Musterkennung im Hirn sind, also sowas wie das billigste Modell, das zum Rudelsystem im Hirn kompatibel ist. Dass das Gespenst gerade genug Figur und Substanz hat, um gerade so als vom feindlichen Rudel erkannt werden zu können. Wer hätte schließlich schon Angst vor einem spukenden Kopfkissen? Und Affen halt da eben auch reinpassen können.

Ich hatte mal erzählt, dass ich mal so ein Erlebnis in Australien hatte. Ich hatte eine vermeintlich schlafende, aber hochgefährlich Giftschlange fotografiert und die dicke Linse drauf, als die mich urplötzlich und blitzschnell mit aufgerissenem Maul und ausgeklappten Giftzähnen angriff. Genauer gesagt: Das Objektiv. Die Frontlinse. War eine Glasscheibe dazwischen, weil im Zoo. Keine Gefahr für mich, Kopfschmerzen für die Schlange. Ich hatte den Eindruck, und jemand vom Personal, mit dem ich sprach, hielt das für richtig und plausibel, dass die Schlange das Objektiv für das Auge eines Fressfeindes gehalten und mich dahinter vermutlich gar nicht gesehen hat. Da gibt es eine Mustererkennung, und die habe ich damit ausgelöst. Das hat die Natur so gebaut, dass wir zum Überleben auf eine Reihe von Mustern reagieren – schnell und damit unwillkürlich und am rationalen Denken vorbei.

Möglicherweise sind Gespenster also gerade so das abstrahierte Minimum dessen, was wir da nach Mustererkennung als Feind auffassen können. Das minimale auslösende Muster.

Oder eben Killeraffen.