Ansichten eines Informatikers

Ich weiß jetzt, wer den tollsten Expo-Pavillon hat

Hadmut
23.10.2021 23:26

Hätte ich nicht gedacht.

Hätte ich vorher nicht geglaubt.

Hätte ich denen wirklich nicht zugetraut.

Dabei habe ich noch nicht mal alle gesehen. Aber mit Leuten gesprochen und vor allem, auf die Länge der Schlange davor geachtet.

Eigentlich ist die Expo zwar schön und unterhaltsam, aber sie ist vor allem eines: Völlig belanglos. Früher stellte man noch solche Dinge wie den Eiffelturm auf, stellte den ersten Fahrstuhl vor und sowas. Hier gibt es nun eigentlich gar nichts, was noch irgendwie von Bedeutung wäre, weil wir im Zeitalter der Medien leben.

Die Staaten geben sich zwar große Mühe, schöne und unterhaltsame Pavillons zu machen, schaffen das auch, da steckt richtig Arbeit und Liebe zum Detail drin, aber abgesehen vom Unterhaltungswert ist da eigentlich nicht viel. Der Brüller daran ist, dass man draußen nicht weiß, was einen drinnen erwartet. Weiß nicht mehr genau, ich glaube im Libanon war es, wo sie mittendrin einfach einen Raum mit Schaukeln haben. So Brett, zwei Seile. Ist ein Brüller, die Leute schaukeln mit Wonne. Erwchsene alte Araber im weißen bodenlangen Kittel sitze als Gruppe auf diesen Schaukeln und sie schaukeln. Die Schweiz hat einen riesigen Bunker, wirklich groß, und wenn man reinkommt, sieht man … nichts. Sie haben einen Zickzack-weg, der noch oben führt, ringherum stilisierte Alpenpanoramen und den ganzen Raum voller Sprühnebel geblasen, so dicht, dass man kaum 2 Meter weit sehen kann. Es lässt dann etwas nach, wenn man weiter geht. Damit der Wüstensohn mal eine Vorstellung davon hat, wie es ist, auf Bergen rumzukraxeln und in Wolken zu stehen. Kalt, feucht, man sieht nichts. Die Leute sind begeistert. Es ist neu für sie.

Viele zeigen sich einfach selbst, wie ihr Land so ist, oder wie sie sich wünschten, gesehen zu werden.

Ich war heute am Stand von Baden-Württemberg. Um mal herauszufinden, warum es den überhaupt gibt, denn sonst stehen nur Staaten hier. Wieso es zusätzlich zum Germany-Pavillon noch einen Baden-Württemberg-Stand gibt, war die Frage. Innendrin stellen sie auf vier Fotos ihre Trachten und ansonsten ihre vielen Erfinder- und Industriebetriebe vor. Mit der Begründung, dass Baden-Württemberg eines der umsatzstärksten (weiß nicht mehr genau, oder sgar das Umsatzstärkste) Bundesländer/Counties der Welt ist und sie viele Kontakte zu Dubai haben. Und sie die meisten anderen Staaten von der Wirtschaftsleistung abhängen. Den Wettbewerb um diesen Platz haben sie gegen Kalifornien gewonnen.

Allzu spektakulär war es nicht. Aber so kam es, dass ich von Berlin zur Expo nach Dubai fuhr, wo die Staaten der Welt ihre Kulturen und sich selbst vorstellen und internationale Küche anbieten, um eine Portion schwäbische Spätzle zu essen.

Viele Länder bauen seltsame Räume mit Spiegeln und sowas alles, auf denen toll gemachte, schöne, aber letztlich dann doch belanglose Videos ablaufen. Die kleineren, eher ärmeren Länder haben nur die kleineren Etagen in den festen Gebäuden und machen da so kleine Ausstellungen.

Den nach Meinung der meisten Leute und gemessen an der Schlange tollsten und beliebtesten Expo-Pavillon hat (Trommelwirbel, Oscar-Kuvert aufmachen): Deutschland

Glaubt man eigentlich kaum, Ist aber wohl so. Wie gesagt, ich habe noch nicht alle gesehen.

Die letzten Tage war es brechend voll, auch die Leute an den Ständen sagten mir, dass gestern/vorgestern die mit Abstand meisten Leute seit Eröffnung da waren. Da habe ich mich blöd angestellt, was die Wahl der Termine anging.

Ich hatte am Stand von Deutschland schon mal angestanden, kam aber nach einer Weile an einem Schild „ab hier noch 60 Minuten“ vorbei und da hat es mir gereicht und bin wieder gegangen. Heute war deutlich weniger los, und ich habe mich geärgert, weil ich es zu spät gemerkt habe, ich dachte, das fällt hier noch unter Wochenende. Mit ausschlafen, Frühstück und dem tierischen Ärgern darüber, dass mir gestern irgendwo auf der Expo was aus dem Rucksack gerutscht sein muss (nicht teuer, aber wichtig, weil hier schwer nachzukaufen) plus dem Versuch, es in einem hiesigen Laden zu kaufen und noch das Fundbüro auf der Expo zu konsultieren, plus eine Stunde 15 Anfahrt, war es dann letztlich schon um 15 Uhr, bis ich da war, um verblüfft festzustellen: Irgendwas stimmt nicht. Ich komme einfach so an den Wasserspender, ohne Schlange vor mir. Der Tag war wunderbar, aber wegen meiner späten Ankunft zu kurz, weil man fast überall ohne oder nur mit sehr kurzer Schlange reinkam. An den Pavillons sagten mir die Leute, so sei es eigentlich normal. Die letzten zwei Tage sei Horror gewesen.

Nur am deutschen Stand: Immer noch 40 Minuten anstehen.

Warum?

Ist er so gut, dass so viele Leute reinwollen?

Gestern dachte ich noch, er sei vielleicht so schlecht, dass die einfach keinen Durchsatz hinbekommen, das BER-Syndrom. Oder einfach nur die sehr günstige zentrale Lage?

Heute war fast alles frei und die Leute stehen trotzdem 40 Minuten an, um nach Deutschland zu kommen? In Deutschland bekommt man leichter Asyl als Eintritt in deren Expo-Pavillon.

Nöh, meinten sie. Sie seien so gut. Der Stand sei wirklich so beliebt.

Weil es ein Stand mit einer Botschaft ist. Sustainability. Nachhaltigkeit. Ist zwar eines der Großthemen hier auf der Expo, aber Deutschland hat da eine Botschaft draus gemacht. Zu Deutschland selbst sagen sie gar nicht so viel. Als hätten die Grünen das Ding entworfen.

Zuerst kommt man in eine Art kleines Kino und bekommt einen Film gezeigt. Erst fand ich das ärgerlich, weil ich es für den Grund für den begrenzten Durchsatz und die Warteschlangen hielt, aber als ich mal drüber nachdachte, habe ich gemerkt, dass genau das der Grund dafür ist. Man portioniert die Leute so, dass sie die Ausstellungen in Ruhe anschauen können und nicht unbegrenzt Leute reindonnern. Machen manche andere Pavillons auch. Einführungsvideo als Durchsatzbremse. Hat wohl auch was mit Sicherheit, Brandschutz, Panikvermeidung zu tun.

Dann ein Bällebad nach IKEA-Stil.

Und dann jede Menge Kram zum Thema Nachhaltigkeit. Energie. Tiere. Und so.

Eigentlich nur platte Belehrungen, keine tiefergehenden Begründungen. Aber den Leuten gefällt es so.

Am Schluss noch so ein Schaukelevent. Man kommt in einem Raum, in dem an Metallstangen Einzel- und Paar-Schaukeln von der Decke hängen. Man muss sich setzen, darf aber nicht schaukeln, bis die Aufforderung kommt. Oben hat es irgendein Getriebe, man hat es auch mal Rucken gemerkt, aber letztlich ist mir nicht klar, ob das ein Motor (eher nicht), ein Dynamo, oder eine Bremse war. Jedenfalls sollten dann nachher alle zusammen schaukeln und die Lampen bewegten sich. Ob durch das Schaukeln, wurde mir nicht ganz klar. Die Leute waren begeistert, ich mir nicht ganz sicher, ob ich mich verschaukelt fühlen sollte. Einfache moralische Botschaften. Und noch eine Show-Küche, die Kochshow darf in Deutschland nicht fehlen.

Aber: Den Leuten gefällt’s. Und das Thema scheint gut zu ziehen.

Und so spricht zu meinem großen Erstaunen tatsächlich vieles dafür, dass Deutschland den beliebtesten Pavillon hat.