Ansichten eines Informatikers

Erstaunliches vom Fotomarkt

Hadmut
8.10.2021 18:43

Da habe ich mich wohl etwas verschätzt.

Nikon hat neulich in seinem neuen spiegellosen Z-System eine Kamera im Retrostil herausgebraucht, die Z fc. So im Look der alten Analogkameras mit vielen Rädern zum direkten Einstellen.

So ganz wollte mir da nicht einleuchten, was das soll.

Die frühere Retro-Digitalkamera (mit Spiegel) Df war schon nicht so der Kassenbrüller. Aber sie fand ihre Liebhaber unter den Besitzern alter wertvoller Objektive.

Aber jetzt eine herauszubringen, die nur einen APS-C-Sensor hat, erschien mir sehr fragwürdig, denn

  • Alte Objektive gibt es nicht für APS-C-Bildgrößen. Natürlich kann man die für Kleinbild auch verwenden, aber die sind zu groß und schwer und haben eine scheinbare Brennweitenverlängerung von 1,5, man kann sie also gar nicht so ausnutzen, weil alles in den Telebereich verschoben wird.
  • Es gibt zwar einen Adapter für die alten Objektive mit Nikon-F-Bajonett, aber nur mit elektrischer, nicht mechanischer Steuerung. Autofokus, Blendensteuerung, Phasenmessung usw. funktionieren da nicht.
  • Das Angebot an Nikon-Objektiven für das Z-Bajonett mit APS-C-Sensor ist noch ziemlich mau. Klar kann man die elektrischen F-Objektive verwenden oder auch die Voll-Format-Z-Objektive, geht alles, aber warum große schwere Objektive an eine vergleichsweise kleine, billige, leichte Kamera? Warum dann nicht gleich auch eine Z5,6 oder 7 kaufen?
  • Die Kamera sieht zwar mechanischer aus und hat schöne Einstellräder, kann aber prinzipiell nichts, was die Z50 nicht auch schon kann. Eigentlich nur eine Z50 im anderen Gehäuse mit anderer Bedienung. Und die Z50 ist kleiner, leichter und einiges billiger. Sieht halt nicht retro aus. Zumal ich die fc jetzt nicht unbedingt so schön finde. In der Ära der Kameras, aus der man sich da das Vorbild hergenommen und nachgeahmt hat, gab es wirklich schönere Kameras.

Allerdings war dazu zu bemerken, dass der/die chinesischen Hersteller 7artians und TTartisan (die gehören irgendwie zusammen) in die Bresche sprangen und recht zügig ihre Objektive für Z in einer Silberversion extra für die Z fc herausbrachten. Die sind zwar nur mit manuellen Focus, nix Autofocus und auch nix mit Blendensteuerung, aber Spottbillig. Fangen unter 100 Euro an. Und im großen und ganzen sind die Leute mit der Fotoqualität recht zufrieden, man muss sich halt wieder Zeit nehmen, alles manuell einzustellen. Und in ihrer Aufmachung und Verpackung wirken sie zwar wertig, manche fast schon edel, sie geben a immer mit ihren Versionen für Leica an, gut verarbeitet sind die auf jeden Fall, aber sie wirken, wie es neulich irgendwo jemand schrieb, als habe man per Zeitreise ein Paket aus den 50ern oder 60ern bekommen. Die sind so richtig retro. Ist aber nicht genau das das, was Retro-Fans suchen?

Fertigen können sie so kleine, preisgünstige, trotzdem wertige Objektive nur für Spiegellose mit kleinem Sensor. Deshalb gibt es die vor allem für die Sony Alpha 6000er, die Fujifilm und die Leica, einige auch mit Z oder Canon.

Kaufen die Leute sowas?

Und wer?

Es ist ja bekannt, dass der Kameramarkt zumindest im unteren Preis- (und Gewichts-) Segment der Systemkameras weiblich ist.

Männer neigen eher zu großen schweren Monstren oder Bridgekameras.

Manche meinen, das habe einfach mit der Hand zu tun. Frauen haben kleinere Hände, deshalb liegen ihnen die kleineren APS-C-großen Kameras besser in der Hand, Männern dagegen die größeren Vollformatkameras. Andere meinen, dass Frauen für sowas einfach weniger Geld auszugeben bereit sind, und deshalb günstigere Modelle wählen. Und dann hieß es, die fc sei von vornherein als Frauenkamera platziert. Ausgerechnet eine retro-Kamera mit vielen Einstellrädern?

Zu meiner Verblüffung ist aber immer wieder zu lesen, dass eben jene fc ein Verkaufsschlager für Nikon sei und denen wieder aus dem Tränental helfe. Die scheint gut zu laufen.

Erstaunlich. Hätte ich nicht gedacht.

Womöglich brauchen die einfach eine gewisse technische, haptische, bedienerischer, äußerliche Distanz zum Handy-Fotografieren, um wieder attraktiv zu sein.

Vielleicht kommt da gerade wieder so eine Lust am alten, handwerklichen Fotografieren auf.