Ansichten eines Informatikers

Fotografische Bildgestaltung: Die Reiserichtung

Hadmut
22.6.2021 0:26

Ein aktuelles Beispiel zu Flugzeugen und Fahrrädern.

Ich hatte doch gerade das komische Bild von den Grünen, bei dem der weiße Mann strampelt und steuert und die Frau bequem bei den Kindern sitzt.

Was mir dabei nicht aufgefallen war, aber natürlich dem Fahrradexperten, der es da mit allen Grünen locker aufnimmt, Don Alphonso:

Das Bild ist spiegelverkehrt. Und auch nicht von den Grünen, sondern ein billig gekauftes Stock Photo:

Der Zukunftsplan ein billiges Agenturfoto.

Aber warum wurde das Bild gespiegelt?

Bildaufbau.

Zwei klassische Gründe des Bildaufbaus.

Der eine Grund ist, dass man – keine Ahnung warum – Aufbruch, die Reise ins Ferne, mit einer Bewegung von links nach rechts verbindet, während man mit einer Bewegung von rechts nach links Rückkehr, Heimkehr verbindet. Alte Weisheit zum Aufbau von Fotoalben über Urlaubsreisen: Die Leute neigen dazu, geradezu unvermeidlich und zwanghaft, Fotos aus dem Flugzeugfenster auf den Flugzeugflügel ins Album zu pappen. Was nicht grundsätzlich verkehrt ist, weil es dem Betrachter gleich vermittelt, ah, ein Flugreise, es ging in die Ferne. Aber: Fotos aus den Fenstern der linken Flugzeugseite, bei denn man den linken Flügel sieht, die also die Bewegung von links nach rechts sieht, müssen an den Anfang des Fotoalbums, während die Bilder des rechten Flügels, der nach der Rückbewegung, dem Reiseende, der Heimreise aussehen, ans Ende des Albums. War so eine Regel aus der Zeit der analogen, chemischen Fotografie, als man Bilder eben nicht so einfach per Mausklick spiegeln konnte, sondern vom Labor teure Einzelbearbeitungsabzüge hätte machen lassen müssen. Heute gilt es auch noch, aber man verschiebt die Bilder nicht mehr, man spiegelt sie bei Bedarf.

Warum das so ist?

Weiß ich nicht. Vielleicht angeboren, vielleicht hat es was mit der Schreibrichtigung zu tun.

Der zweite Grund ist, dass es nur so zum Bildaufbau passt.

Der Text steht rechts. Das ist deshalb wichtig, weil der Blick (auch das vielleicht wieder von der Leserichtung) von links nach rechts schweift, und der Blick erst mal die emotionale Botschaft erfassen soll. Und dann den Text. Es hängt auch damit zusammen, dass die meisten Leute Rechtshänder sind. Das ist nämlich wichtig, wenn man Geräte mit Anzeige- und Bedienteilen entwickelt und im übertragenen Sinne auch Benutzerschnittstellen. Wenn man erst wählt, was man sehen will, gehört das Menü nach links, weil man von links nach rechts liest – erst die Auswahl, dann das Ergebnis. Wenn man aber begreifen soll, was das steht, es im Wortsinn „begreifen“ (und gerade Frauen sind haptisch orientiert), dann gilt das Prinzip wie bei jedem guten Elektrogerät, beispielsweise einem Oszilloskop: Bedienteile nach rechts, damit die rechte Hand gut greifen kann, ohne dass man sich selbst den Blick versperrt. Das zum Gucken dann nach links.

Deshalb ist der Text rechts und das Bild links. Weil es aber bei einem harmonischen Bild immer wichtig ist, dass Leute, die sich bewegen, ins Bild reinlaufen, während eine Bewegung aus dem Bild als Flucht, Ablehnung, Disharmonie gewertet wird (macht man ein Bild über einen Mauerflüchtling, oder jemanden, der sonstwie ausbüxt, dann muss der aus dem Bild rauslaufen)

Übrigens sind Frau und Kinder in Querrichtung im goldenen Schnitt, während die Schrift in Vertikalrichtung im Goldenen Schnitt liegt.

Deshalb ist das Bild aufgebaut, wie es ist, und wenn man als Futter nur ein einfaches Agenturfoto bekommt, dann muss man das halt spiegeln.

So wie Kanzlerkandidaten. Die muss man auch hinschnitzen, damit sie in die Kampagne passen und in die richtige Richtung laufen.