Ansichten eines Informatikers

Ende des Kinos

Hadmut
17.12.2020 3:35

Noch ein Effekt, der vermutlich nicht mehr weggehen wird.

Ich hatte gerade Grund, mal nach aktuellen Kinofilmen zu schauen.

Mmmh. Gab es 2020 überhaupt Kinofilme?

Ich bin beim Gucken auf Filme gestoßen, von denen ich noch nie gehört habe, und die sie auch nicht mehr ins Kino bringen können.

Fatman. Mel Gibson als abgefahrener (echter, der mit den Rentieren und Kobolden) stinksauerer Weihnachtsmann im blutigen Privatkrieg mit einem Mann, der als böses Kind mal nur ein Stück Kohle zu Weihnachten bekam und dem Weihnachtsmann blutige Rache schwor. Und nun, erwachsen, trainiert und aufgerüstet, zur Sache kommt. [Korrektur: das Kind macht es nicht selbst, sondern ist reich und heuert einen Profi-Killer an, den Weihnachtsmann umzulegen.] Die schießen das dann aus. Wobei es sich als günstig für den Weihnachtsmann erweist, dass er als illegales zweites Geschäftsfeld nach den Geschenken für Kinder von seinen Kobolden Waffen für die US-Armee hat herstellen lassen. Die braucht er jetzt nämlich selbst. Oder so ähnlich.

Ist mal was anderes als zum x-ten Male Der kleine Lord.

Solche stimmungsvoll-besinnlichen Weihnachtsthemen kann man halt auch schlecht ins Frühjahr verschieben. Jetzt oder nie. Kino aber dicht und tot. Also bleibt ihnen nichts anderes übrig, als den Film auf DVD/Blu-Ray und Amazon Prime anzubieten, also die Sekundärverwertung, die normalerweise erst nach dem Kino kommt, vorzuziehen.

Der Prinz aus Zamunda ist 30 Jahre später auch wieder da, inzwischen selbst König, alle Schauspieler von damals wieder mit dabei, hat wieder irgendwas in New York zu erledigen. Irgendwie lebt da ein Kind von ihm, von dem er nichts wusste, hat damals wohl bei der Prinzessinnensuche irgendwen geschwängert. Oder so ähnlich. Jahreszeitunabhängig, aber das Kino haben sie wohl auch aufgegeben. Irgendwo stand, der käme erst gar nicht ins Kino, geht direkt in die Sekundärverwertung über Streaming-Angebote.

James Bond, Keine Zeit zu sterben, wurde auch schon mehrfach verschoben, was den Titel ad absurdum führt. Denn Zeit zu sterben hätte er längst genug gehabt, nur keine Kinoleinwand.

Ich warte ja sehr auf die echten Ghostbusters, vor allem, weil die Feministen schäumen, dass man ihre Frauenversion ignoriert hat und mit den Männerschauspielern eine Fortsetzung gedreht hat, als hätte es die Frauenversion nie gegeben. Der Trailer kam ja schon vor langem und hat mir gut gefallen. Auch da jetzt wohl eine Frau in der Hauptrolle, oder zwei, wenn ich das richtig verstanden habe, Tochter und Enkelin eines Ghostbusters, weil die inzwischen halt auch alt sind, und den ganzen Krempel irgendwo auf einer Farm im Keller weggepackt haben, aber einfach besser gedreht. Nicht einfach nur irgendwelchen Kreischklamauk.

Schade nun, dass die jetzt keine Kinolandschaft finden, ich hätte es zu gern gesehen, wenn die den Wokebusters an den Kinokassen einfach plattmachen. Denen wird auch nichts anderes übrigbleiben, als direkt auf DVD/Streaming zu gehen.

Wirkung

Das funktioniert natürlich alles nicht mehr so, weil das einfach nicht die Kino-Wirkung hat, keine große Leinwand, keinen Sound, und auch nicht so die Bekanntschaft und Werbung.

Man hat zwar nicht die (mir inzwischen sehr unangenehme) Störung durch das Dummvolk im Kino, das sich immer weniger benehmen kann, Krach macht, gegen die Sitze tritt, stinkt, Cola spritzt, schmatzt, lacht, schreit, telefoniert, aber so einen Thriller für Erwachsene kann halt auch nicht gucken, wer kleine Kinder zuhause hat.

Andererseits kann man den Film dann natürlich deutsch und englisch gucken, zur Pinkelpause anhalten, nochmal zurückspulen, wenn man was nicht verstanden hat.

Außerdem zahlt man nun pro Film und nicht pro Zuschauer. Es gab zwar mal den Ansatz, Filme auf irgendeiner Spielekonsole abzuspielen, die per KI und Kamera prüft, wieviele Leute zuschauen, aber das haben die Leute wohl nicht mitgemacht.

Und ich glaube nicht, dass die sich davon wieder erholen.

Meine Vermutung wäre, dass die Filmbranche damit zwar nicht tot ist, aber sich gewaltig wird anpassen müssen.

  • Die Umsätze pro Film werden geringer werden. Superteure Filme wie James Bond oder Star Wars wird es so kaum noch geben.
  • Spektakuläre Soundeffekte und Ansichten für den Riesenschirm wird man auch nicht mehr so bringen. Das geht halt zuhause nicht so.
  • Je nach Filmstudio hatte man ja bisher Breitwandformate von 2.40:1 oder 2.35:1. Für Streaming braucht man aber 16:9 = 1.77:1. Entweder nimmt man wieder schwarze Balken, Letterbox, was viele nicht mögen und wieder Auflösung kostet. Oder man dreht Fernsehfilme für 16:9, die sich dann aber nicht für das Kino eignen.
  • Weil man die Leute nicht mehr in Kinosälen „einsperren” kann, sondern deren Aufmerksamkeit braucht, während zuhause die Kinder schreien, die Waschmaschine piept, der Kumpel anruft oder irgendsowas, wird man sich vom 2-Stunden-Epos verabschieden müssen.

    Der Trend wird daher zu kleinen Erzählserien gehen, wie man sie gerade bei Star Trek Picard oder Star Wars The Mandalorian gesehen hat. Statt allzu spektakulärer Actionszenen hat man wieder Stories und Drehbücher.

    Bei beiden Serien kann man aktuelle Sparmaßnahmen, aber auf ganz unterschiedliche Weise sehen.

    Star Trek Picard war in vielen Szenen schlichtweg im LA von jetzt gedreht. Das Hauptquartier der Sternenflotte war einfach nur das Konferenzzentrum in Anaheim, den dem man ein Raumshuttle vorbeigeflogen ist. Und Dr. Soong auf dem weit entfernten Planeten hatte da auch nur ein gewöhnliches Wohnhaus, mit Hängelampen von IKEA. Man hat sich den teuren Kulissenbau weitgehend gespart und einfach das hier und jetzt mit etwas computergeneriertem Content aufgepeppt.

    Gänzlich anders war Mandalorian. Da gibt es gar nichts, was nach hier und jetzt aussieht. Irgendwo auf Youtube findet man aber ein verblüffend frappierendes MakingOf, das mich gerade deshalb begeistert hat. Wenn man die auf fremden Planeten wie – weiß nicht welcher – Tatooine oder sowas sieht, stehen die zwar auch nur im Filmstudio, aber nicht mehr vor einem Green Screen. Das geht inzwischen besser. Die stehen vor einer Wand aus kleine LEDs, also im Prinzip einem riesigen Breitwandmonitor. Die Kamera wird nicht mehr vom Kameramann, sondern vom Roboter bewegt. Und die Computergraphik rechnet das Hintergrundbild eines fiktiven Planeten oder was auch immer in Echtzeit so aus, dass die Perspektive immer exakt dem Blickwinkel der bewegten Kamera entspricht. Das sieht dann auch nur aus exakt dem Blickwinkel der Kamera echt aus, aber die müssen da keine Postproduktion mehr machen, kein Chroma Keying. Das Bild kommt direkt so aus der Kamera, als stünden sie auf dem Planeten.

    Und das sei insgesamt deutlich billiger. Das System ist zwar in der Anschaffung mal teuer, aber das steht halt da, das muss man nicht für jeden Film neu machen. Man muss keine Studios dauerhaft belegen oder Kulissen umbauen. Oder nur den Boden und den Vordergrund. Da kann morgens der eine und mittags ein ganz andere Film gedreht werden, ohne dass die da was ändern müssen. Es wird einfach nur ein anderer virtueller Hintergrund geladen.

    Ich finde das genial. Und das wird sich sehr schnell durchsetzen. So, wie man heute Kameras und Lampen und Produktionsausstattung mietet, wird man künftig solche virtuellen Studios mieten.

Das Kino ist tot. Ich glaube nicht, dass das nochmal etwas wird. Zumal vermutlich viele Kinobetreiber die Corona-Epidemie auch wirtschaftlich nicht überleben werden. Denn selbst wenn die irgendwann wieder öffnen, werden die Leute nicht mehr so gern ins Kino gehen, nicht mehr soviel Geld haben, und auch das Filmangebot wird natürlich erstmal sehr dünn sein, weil die auch weniger drehen und weniger Budget haben.