Ansichten eines Informatikers

Akademisierung – Digitalisierung?

Hadmut
16.12.2020 17:02

Was in Deutschland schief läuft.

Bei Heise gibt es gerade einen Artikel, der schön zeigt, was hier gerade mächtig schief läuft: IT-Arbeitsmarkt: Viele Akademiker, aber zu wenige Fachkräfte

Zu viele Leute, die an den Schulen und Universitäten auf permanente Nutzlosigkeit abgerichtet werden.

Der Trend zur Akademisierung in Deutschland setzt sich weiter fort. Im Wintersemester 2020/2021 waren mit rund 2,95 Millionen Studierenden so viele wie noch nie an deutschen Hochschulen eingeschrieben. Die Zahl der Erstsemester aber sinkt seit Jahren, waren es vor fünf Jahren noch 0,1 Prozent sind es in diesem Jahr 4 Prozent weniger. Besonders hoch ist der prozentuale Rückgang in den technischen Fächern Elektrotechnik und Informationstechnik (-14 Prozent), Maschinenbau/Verfahrenstechnik (-10 Prozent), Informatik (-5 Prozent). Absolut gab es in der Informatik 39.000 Studienanfänger. Die Abbrecherquote in dem Fach ist jedoch extrem hoch.

Die Abbrecherquote in Informatik war schon immer sehr hoch, weil man es einfach nicht schafft, den Leuten zu erklären, was Informatik ist. Wie oft bin ich schon angesprochen worden, ich sei doch Informatiker, ich müsse mich doch super mit Excel auskennen, ich hätte das doch studiert. Oder ich müsse doch super Webseiten gestalten können, ich hätte doch Internet studiert.

Und dazu dann noch dieses ganze unerträglich dumme Algorithmengeschwätz der Geisteswissenschaftler, Politiker, Journalisten.

Die Schulen schaffen es nicht, den Leuten beizubringen, was Informatik ist. Komischerweise hat man zu meiner Oberstufenzeit (1982-1985) noch einen richtig guten Informatikunterricht hinbekommen, obwohl meine Schule offiziell gar keine Computer hatte (ein Lehrer hatte einen Commodore CBM 3032 und eine PET 2001 gestiftet) und ich zum Informatikunterricht extra an ein anderes Gymnasium (die hatten zwei Apple II) fahren musste, weil die übergreifend den Informatikunterricht für mehrere Gymnasien veranstalteten, weil es nur einen Lehrer gab, der sowas konnte und wir alles zusammen nur so um die 8 oder 10 Schüler waren. Heute redet zwar alles von Informatik, aber allzu oft erzählen mir die Leute, dass das eigentlich nur die Abrichtung auf bestimmte kommerzielle Produkte ist: Wie verwendet man Word, Excel, Powerpoint? Nichts mit Informatik, weil zu viele Leute glauben, Informatik sei „Irgendwas mit Computern” oder neuerdings „Irgendwas mit Internet”.

Aus der Industrie wurde mir von Bewerbern auf IT-Stellen, Ausbildungsplätze usw. berichtet, die gerade Abitur gemacht hatten und nicht mit Tastatur und Maus umgehen konnten, weil sie nur noch das Wischen auf dem Tablet kannten.

Und die wundern sich dann nur noch, wenn die an eine Uni zum Informatikstudium kommen, besonders, wenn man ihnen eingeredet hat, dass Frauen das heute so machen, auch wenn sie vorher an der Schule Mathe gemieden und ihr Abitur in Sport, Deutsch und Veganismus gemacht haben, und dann plötzlich unversehens in den Vorlesungen über Analysis und Algebra sitzen. War bei uns damals schon so: Im ersten Semester war es so überfüllt, dass man nicht mal auf den Treppen noch einen Platz zum Sitzen gefunden hat, und im 3. Semester waren die Hörsäle nicht mal mehr halbvoll. Eine aus meiner Erstsemestergruppe war völlig entsetzt, hat im zweiten Semester aufgegeben und ist dann Arzthelferin geworden (Röntgenassistentin).

Komischerweise sammelt Materna die Abbrecher dann auf:

Obwohl der Akademikeranteil bei Materna so hoch ist, bildet das Unternehmen die meisten Fachinformatiker im Kammerbezirk der IHK-Dortmund aus, dem Sitz der IT-Firma, die Kunden bei deren Digitalisierungsprojekten unterstützt. Die Abbrecherquote im Studiengang Informatik an der TU Dortmund liegt nach Auskunft von Aigner bei etwa 70 Prozent.

“Wir stellen viele Abbrecher als Azubis ein und machen damit sehr gute Erfahrungen.” Die anderen Auszubildenden als Fachinformatiker brauchen bei Materna eine Hochschulzugangsberechtigung. “15-jährigen Realschülern fehlt vielfach die Reife für eine solche Ausbildung, und Gymnasiasten sind nach G8 und mit 17 Jahren zu jung für ein Studium“, sagt Aigner.

Glaube ich sogar. Was aber auch dafür spricht, dass die Strategie der Politik, möglichst viele Leute an die Universitäten zu pumpen, und sie dann dort einfach irgendwas studieren zu lassen, egal was, so schwachsinnig wie fatal und sozialistisch war.

Die erfahrene Personalerin rät deshalb zuerst zur Ausbildung und anschließend zum Studium. In der Ausbildung lernen die Azubis einen regelmäßigen Tagesablauf, Disziplin und Praxis.

Pffff. Die Leute müssen erst mal einen regelmäßigen Tagesablauf, Disziplin und Praxis erlernen. Dafür hatten wir damals die Bundeswehr.

Aber ein Punkt ist schon interessant:

Ist aber nicht schlimm, weil es zahlreiche Tätigkeiten für IT-Fachkräfte gibt, die kein Studium voraussetzen. “In den IT-Berufen gibt es viele Häuptlinge und wenig Indianer“, sagt Florian Kaiser, Leiter der Bildungsberatung bei der IHK München. Das Problem daran: Für reine Routine-Arbeiten im IT-Bereich sind Akademiker überqualifiziert. Weil der Anteil der Akademiker in den IT-Berufen bislang so hoch und der Anteil derer mit dualer Ausbildung so niedrig ist, fürchten die Unternehmen des Münchner IHK-Kammerbezirks einen zunehmenden Engpass bei IT-Fachkräften mit Berufsausbildung. Dabei brauchen die Firmen in den kommenden Jahren deutlich mehr beruflich Qualifizierte als Akademiker, so auch das Ergebnis einer Umfrage der IHK bei den Unternehmen.

Das muss man jetzt mit äußerster Vorsicht anfassen, weil die natürlich Werbung für ihre Ausbildung machen wollen.

Die Frage ist allerdings tatsächlich, ob wir wirklich überall vollausgebildete Informatiker brauchen. Mittlerweile nämlich sind viele IT-Berufe solche, sich die auf einen begrenzten Aufgabenbereich beziehen, in dem man nicht viel akademisch drauf haben muss, sondern sehr viel lokales, aber eher einfaches Wissen aus seinem Arbeitsumfeld haben muss. Beispielsweise eben sich in Excel auskennen, oder eben Webseiten ganz toll machen können, oder sich eben mit irgendeiner Programmierumgebung und den Bibliotheken auskennen und „coden” können. Man braucht mit der steigenden Komplexität immer mehr Leute, die sich mit irgendwas da gut auskennen und loslegen können,

Da haben sie nicht Unrecht.

Aber unsere Regierung will ja Studierte, und nimmt dann auch Akademischen Berufsmüll wie Soziologen, Kultur- und Literaturwissenschaftler und sowas, bei denen dann 4 SWS H4-Antrag-Ausfüllen zum Curriculum gehört.